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16.06.2017 09:00

Strahlentherapie wird als Ersttherapie bei Prostatakrebs noch immer unterschätzt

Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.

    Viele Männer mit Tumoren, die auf die Prostata begrenzt sind und keine Metastasen gebildet haben, entscheiden sich immer noch für die Operation als „Firstline“-Therapie. Und dies, obwohl die Strahlentherapie ebenso effektiv wie die OP ist und mit einer geringeren Inkontinenz- und Impotenzrate einhergeht. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Berlin wurde daher u.a. diskutiert, wie die moderne Strahlentherapie als Ersttherapie stärker in den Fokus der Patienten und Behandler gerückt werden kann.

    Jedes Jahr erhalten in Deutschland fast 65.000 Männer die Diagnose Prostatakrebs. Nicht allein die Erkrankung ist ein Schock für die Betroffenen, viele Patienten fühlen sich auch überfordert, wenn sie relativ zügig eine Therapieentscheidung fällen sollen. In den frühen, nicht-metastasierten Erkrankungsstadien, in denen Prostatakrebs am häufigsten diagnostiziert wird, haben die Patienten die Wahl zwischen Operation, Strahlentherapie und des „Zuwartens“ mit engmaschigem Beobachten („active surveillance“, eine aktive Therapie wird erst eingeleitet, wenn der Tumor zu wachsen beginnt). Der behandelnde Urologe berät den Patienten und klärt über die Vor- und Nachteile aller Verfahren auf, die bisher medizinisch als etwa gleichwertig eingestuft wurden.

    Doch hier liegt möglicherweise ein „Bias“ im System, denn der beratende Urologe kann nur eine der angebotenen Therapieformen selbst durchführen: die Operation. Die Mehrzahl der Patienten in Deutschland entscheidet sich für den chirurgischen Eingriff, was aber nicht an einer unausgewogenen Aufklärung der Kollegen liegt, sondern vor allem psychologisch erklärbar scheint: Der Patient fasst Vertrauen zu dem Arzt, den er ggf. seit Jahren kennt, der ihm die Diagnose vermittelt und mit ihm die möglichen Therapiewege bespricht – und da liegt es nahe, dass der Patient auch eher die Therapieform wählt, die dieser Arzt selbst durchführen könnte. „Das ist vermutlich der Grund, warum die Strahlentherapie als „Firstline“-Therapie bei Prostatakrebs unterrepräsentiert ist, obwohl sie ebenso gute Ergebnisse zeigt und mit weniger Neben- und Folgewirkungen einhergeht als die OP, wie die ProtecT-Studie im vergangenen September gezeigt hat“, erklärt Prof. Dr. Daniel Zips vom Universitätsklinikum Tübingen.

    In der ProtecT-Studie [1, 2] wurden 1.643 Patienten eingeschlossen und randomisiert. Nach zehn Jahren zeigte sich, dass die Patienten im Hinblick auf Erkrankungsprogression und Metastasierung von

    einer frühzeitigen Intervention (Operation oder Strahlentherapie) profitierten. Zwischen der Operation und Strahlentherapie gab es hinsichtlich der Wirksamkeit keine signifikanten Unterschiede, aber die Operation ging mit einer stärkeren Beeinträchtigung der Sexual- und der Harnwegsfunktion einher. Nach sechs Jahren waren 17% der operierten Patienten noch inkontinent (im Vergleich zu 4% der bestrahlten Patienten) und bei 22% konnte sich keine Erektion einstellen (im Vergleich zu 12% der bestrahlten Patienten). „Beides, Inkontinenz und Impotenz, sind Therapiefolgen, die die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen können und in einem deutlich geringeren Maße nach der Strahlentherapie auftreten. Die muss im Zusammenhang mit den etwas häufiger nach Bestrahlung auftretenden Nebenwirkungen am Darm mit den Patienten diskutiert werden“, so Professor Zips.

    Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radiologie (DEGRO), sieht daher Bedarf, die Öffentlichkeit über die radioonkologische Behandlung zu informieren. „Die Strahlentherapie wird als „Firstline“-Therapie bei Tumoren, die auf die Prostata begrenzt sind und keine Metastasen gebildet haben, unterschätzt. Die wenigsten Patienten wissen, dass sie ebenso effizient ist wie die Operation, aber mit weniger Folgekomplikationen einhergeht. Die DEGRO setzt sich dafür ein, dass die Strahlentherapie in der Therapie des Prostatakarzinoms in ihrer ganzen Bandbreite wahrgenommen wird und eben nicht nur als `Salvage-Therapie´ nach Rückfall erwogen wird.“ Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Berlin wurde daher diskutiert, wie die moderne Strahlentherapie als Ersttherapie stärker in den Fokus der Patienten und Behandler gerückt werden kann. Dabei ging es neben Aspekten der interdisziplinären Versorgung auch um die Information der Öffentlichkeit über erfolgreiche Innovationen wie der bildgeführten Strahlentherapie und der Hypofraktionierung [3].

    Referenzen
    [1] Hamdy FC; Donovan JL, Lane JA et al. 10-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Localized Prostate Cancer. N Engl J Med 2016; 375:1415-1424
    [2] Donovan JL und die ProtecT Study Group. Patient-Reported Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med. 2016; 1425-1437
    [3] Höcht S, Aebersold DM, Albrecht C et al. Hypofractionated radiotherapy for localized prostate cancer. Strahlenther Onkol 2017 ;193: 1-12


    Kongress-Pressestelle DEGRO 2017
    Dr. Bettina Albers I Jakobstrasse 38 I 99423 Weimar
    Tel. 03643/ 776423 I Mobil 0174/2165629


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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