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Wissenschaft
Strafe soll in der Regel unerwünschtes Verhalten unterbinden. Tatsächlich kann Bestrafung aber auch erleichternd bis motivierend sein. Das haben Forscher am Institut für Psychologie der Uni Würzburg herausgefunden.
Wenn Eltern ihren Kindern ein bestimmtes Verhalten abgewöhnen wollen, dann schimpfen sie. Von dieser Maßnahme erhoffen sie sich, dass ihr Sprössling die unerwünschten Angewohnheiten unterlässt. Das Paradoxe an dieser Art der Bestrafung: Sie kann die gegenteilige Wirkung haben.
Herausgefunden hat das Professor Andreas Eder am Institut für Allgemeine Psychologie der Universität Würzburg im Rahmen einer Forschungsarbeit. Die Ergebnisse hat er jetzt im „Journal of Experimental Psychology: General“ veröffentlicht.
Stromstöße als Bestrafung
Worum ging es genau? Das Team um den Projektleiter Eder stellte Probanden vor eine simple Aufgabe. Auf einem Bildschirm blinkte eine Zahl auf. „Die Teilnehmer sollten entscheiden, ob diese größer oder kleiner als fünf ist“, sagt der Wissenschaftler. Ihre Entscheidung mussten sie per Tastendruck mitteilen: Die linke Taste hatte den Wert eins bis vier, die rechte Taste stand für sechs bis neun.
Zuvor hatten die Versuchsteilnehmer aber etwas gelernt: Beim Druck auf eine der beiden Tasten erlitten sie einen leicht schmerzhaften elektrischen Schlag. „Sie lernten einzuschätzen, dass es unangenehm wird, wenn sie diese Taste bedienen“, so Eder. Die Wissenschaftler gingen mit der Annahme an das Experiment, dass die Probenden die Taste mit dem Schock langsamer drücken werden.
Erstaunlicherweise war genau das Gegenteil der Fall. Die Teilnehmer drückten sogar noch schneller als vorher auf den schmerzverursachenden Knopf. Ein Befund, der die Forscher stutzig machte. Bestrafung alleine reicht also nicht aus, um ein Verhalten zu unterbinden.
Vermutungen haben sich nicht bestätigt
Bei der Suche nach einer Erklärung lautete eine Vermutung der Wissenschaftler, dass das zügige Drücken durch gesteigerte Erregung verursacht wird. „Es hätte sein können, dass die Probanden den Schmerz schnell hinter sich bringen wollen. Dass sie aus Angst rascher drücken würden“, so Eder.
Ein weiterer Versuch habe aber gezeigt, dass eine körperliche Erregung nicht für den Effekt verantwortlich ist. „Wieder wurden die Probanden darum gebeten, die Aufgabe zu lösen. Wieder gab es zwei Tasten. Davon verursachte die eine einen schwachen, die andere einen recht starken Schock.“
Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dass die Taste nur dann schneller gedrückt wurde, wenn darauf ein schwacher Schock folgte. Bei einem starken Schock zeigte sich keine Erleichterung, obwohl dieser die Person mehr aufregte. Mehr Erregung ist also keine plausible Erklärung für den Effekt. Was hat die Leute als dann dazu gebracht, sich schneller dem Schmerz auszusetzen?
„Wir konnten zeigen, dass eine Bestrafung nicht automatisch zu einer Unterdrückung des bestraften Verhaltens führt“, erklärt Eder die Ergebnisse zusammenfassend. Stattdessen könne sie bei regelmäßiger Anwendung die Ausführung des bestraften Verhaltens sogar erleichtern. „Das ist der Fall, wenn der Bestrafungsreiz als Feedback für die Verhaltenssteuerung genutzt wird.“
Wenn es also um die Verhaltensfolge geht, die vor dem Tastendruck vorweggenommen wird, dann sollte die Reaktionserleichterung auch mit einem neutralen Reiz herbeigeführt werden können. „Dann müsste eine Vibration ausreichend sein“, sagt Eder. Diese Vermutung habe sich bei weiteren Versuchen bestätigt.
Um es einfach auszudrücken: Verhaltensfolgen werden vom Gehirn dazu benutzt, eine Handlung leichter einzuleiten, selbst wenn die Folgen unangenehm für uns sind.
Die Art der Bestrafung ist ausschlaggebend
Was dem Psychologen dabei besonders wichtig ist: „Es ist nicht so, dass Bestrafung generell nicht funktioniert. Sie hat nur nicht immer eine verhaltensunterdrückende Wirkung.“ Selbst dann nicht, wenn den Probanden bewusst wäre, dass etwas Unangenehmes folgen wird.
Eine paradoxe erleichternde Wirkung von Bestrafung ist wahrscheinlich, wenn es zu dem bestraften Verhalten keine Alternative gibt, eine Handlung sehr schnell erfolgen muss und wenn die Bestrafung eher milde ausfällt.
Wichtig ist es deshalb, für das erwünschte Verhalten ebenfalls ein klares Feedback zu geben, an dem sich das bestrafte Kind orientieren kann. Denn nur, wenn das Kind eine klare Alternative zu dem bestraften Verhalten hat, kann es lernen, sich das problematische Verhalten abzugewöhnen. Diese Alternativen dem Kind aufzuzeigen, sollte ein wesentlicher Teil der täglichen Erziehungsarbeit sein.
Eder, A. B., Dignath, D., Erle, T. M., & Wiemer, J. (2017). Shocking Action: Facilitative Effects of Punishing Electric Shocks on Action Control. Journal of Experimental Psychology: General. doi.org/10.1037/xge0000332
Kontakt
Prof. Dr. Andreas Eder, Institut für Psychologie, Universität Würzburg
T: 0931 31-83336, E-Mail: andreas.eder@psychologie.uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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