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Wissenschaft
Kölner Publizist Markus Weber schließt mit einer an der Universität Witten/Herdecke vorgelegten Untersuchung Forschungslücke
Nationalsozialisten haben die Metapher der tödlichen Krankheit Krebs bewusst benutzt, um angebliche "Volksfeinde", allen voran Juden und Homosexuelle, zu diskriminieren.
Diesen historischen Befund nimmt eine an der Universität Witten/Herdecke (Institut für Immunologie, Betreuer: Prof. Dr. Kurt Zänker) in diesen Tagen vorgelegte Dissertation zum Anlass, die Eignung der Krebsmetapher für die propagandistischen Zwecke der Nazis eingehend zu untersuchen.
Der Wittener Promovent und Kölner Publizist Markus Weber (38) attestiert der Metapher eine für die NS-Ideologie zentrale, trotzdem nur unzulänglich erforschte Rolle. Offenkundig wurde die auch damals schon in der Bevölkerung verbreitete Angst vor der Krankheit ausgeschlachtet. Was sich als "Krebs" ausgeben ließ, wurde zum Feindbild und rechtfertigte "einschneidende" Gegenmaßnahmen. Weber zeigt, dass das begriffliche Bedrohungspotenzial u.a. auf Kapitalismus, Kommunismus und Demokratie übertragen und damit von den Nazis politisch missbraucht wurde; Begriffe, die sämtlich antisemitisch besetzbar waren, so dass auch Juden als "Krebsgeschwür" galten - und zwar nicht nur physisch (Stichwort: "biologische Minderwertigkeit"), sondern außerdem "rassenseelisch" als Repräsentanten all dessen, dem die Nazis weltanschaulich den Kampf angesagt hatten. Zudem kommt in der Krebsmetapher wegen der mit ihr verschwisterten Analogie von Organismus und Staat zum Ausdruck, dass die Nazis auch das nichtjüdische Individuum zur "Zelle" herabwürdigten, die sich totaler Herrschaft zu fügen hatte und im Falle von Opposition als "entartet" identifiziert und aus dem "Volkskörper" ausgeschieden wurde.
Neben der Tatsache, dass sich vor Weber offenbar noch kein Forscher um dieses scheinbar so nahe liegende Thema gekümmert hat, erscheinen seine Erkenntnisse auch deshalb sensationell, weil sie einen Schlüssel zum Verständnis krebstherapeutischer Praxis im Dritten Reich unter dem Einfluss der NS-Ideologie liefern. Weber legt nämlich ein in der Krebsmetaphorik aufgespeichertes Krankheitskonzept frei, wonach Krebs im Ursprung ein allgemeines Leiden und der Tumor nur ein nachträgliches Symptom darstellte. Von Nazi-Ärzten wurde deshalb die Krebsoperation als bloß lokale Behandlung diskreditiert, die das Übel nicht an der Wurzel packte.
Nicht zuletzt ergaben Webers Recherchen, dass die antisemitische Krebsmetapher keine Erfindung der Nazis ist. Sie ist schon im 17. Jahrhundert nachweisbar, und sogar Juden selbst machten von ihr Gebrauch (Stichwort: "jüdischer Selbsthaß").
Kontakt: Markus Weber, Tel./Fax 0221/850179, E-mail: alb.rob@t-online.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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