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Wissenschaft
Psychologinnen der UR erforschen die Auswirkungen von akutem Stress auf Moralentscheidungen im Alltag
Viele moralische Entscheidungen im Alltag müssen schnell und unter Stress getroffen werden. Man denke beispielsweise an folgende Situation: Nach einem anstrengenden Arbeitstag möchte man unbedingt den Bus erwischen, um rechtzeitig zu einem wichtigen Termin zu Hause zu sein. Kurz bevor der Bus abfährt, lässt ein älterer Herr versehentlich seine Tüte mit Einkäufen fallen und alles purzelt auf den Gehsteig. Was macht man? Hilft man dem Mann beim Einsammeln oder steigt man in den Bus?
Inspiriert durch derartige Fragestellungen hat eine Forschergruppe um Prof. Dr. Brigitte Kudielka, Lehrstuhl für Medizinische Psychologie, Psychologische Diagnostik und Methodenlehre an der Universität Regensburg, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Kognitive Neurowissenschaften“ am Bezirksklinikum Regensburg unter der Leitung von Dr. Monika Sommer untersucht, welchen Einfluss akuter Stress auf das moralische Entscheidungsverhalten in Alltagssituationen hat.
Dazu wurden insgesamt 50 gesunde junge männliche Versuchsteilnehmer zunächst entweder mit dem „Trierer Sozial Stress Test“ (TSST) oder einer nicht-stressenden Kontrollbedingung konfrontiert. Der TSST stellt ein inzwischen weltweit verwendetes Standardprotokoll zum absichtlichen Erzeugen von moderatem psychosozialen Stress im Verhaltenslabor dar. Anschließend beantworteten die Probanden 28 alltagsbezogene moralische Dilemmata mit selbstloser oder egoistischer Antwortalternative. Die Teilnehmenden sollten zudem ihre Sicherheit und ihr Gefühl bei den Moralentscheidungen angeben. Außerdem füllten die Probanden verschiedene Selbstberichtsfragebögen aus und gaben zu mehreren festgelegten Zeitpunkten Speichelproben zur Messung des Stresshormons Cortisol ab.
In der Studie zeigte sich, dass sich die Versuchsteilnehmer der Stressbedingung bei den moralischen Dilemmata im Mittel weniger egoistisch entschieden als die Probanden der Kontrollbedingung. Zudem waren selbstlose Entscheidungen durch eine höhere Entscheidungssicherheit und durch positivere Emotionen charakterisiert als egoistische Entscheidungen. Die Forscherinnen fanden darüber hinaus einen positiven Zusammenhang zwischen dem Cortisolspiegel und altruistischem Entscheidungsverhalten. Womöglich könnte das Stresshormon Cortisol also für die gefundenen Effekte verantwortlich sein. Weiterhin zeigten die Studienergebnisse, dass vor allem die Persönlichkeitseigenschaft „Verträglichkeit“ eine wichtige Rolle bei moralischem Entscheidungsverhalten in Alltagssituationen zu spielen scheint.
Zusammenfassend verdeutlicht die Studie der Arbeitsgruppe um Professorin Dr. Brigitte Kudielka, dass das allgegenwärtige und oft negativ konnotierte Phänomen Stress also durchaus auch prosoziale Konsequenzen haben kann und nicht automatisch nur mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht werden sollte.
Die Studie ist derzeit in der Fachzeitschrift „Hormones and Behavior“ im Druck. Publikation: Singer, N., Sommer, M., Döhnel, K., Zänkert, S., Wüst, S., & Kudielka, B. M. (2017). Acute psychosocial stress and everyday moral decision-making in young healthy men: The impact of cortisol. Hormones and Behavior, 93:72-81. [Epub ahead of print]. DOI: https://doi.org/10.1016/j.yhbeh.2017.05.002
Ansprechpartnerin für Medienvertreter:
Prof. Dr. Brigitte M. Kudielka
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Medizinische Psychologie, Psychologische Diagnostik und Methodenlehre
Telefon: 0941 943-5644
E-Mail: brigitte.kudielka@ur.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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