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31.07.2017 10:11

Wie sich Mäusebabys den Schutz der Mutter sichern

Annette Tuffs Kommunikation
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Genstudie identifiziert Gruppe von Nervenzellen im Hirnstamm, der den Rufen von Mäusebabys zugrunde liegt // Schreien von menschlichen Neugeborenen könnte auf ähnlichen Verschaltungen im Gehirn beruhen

    Neugeborene Mäuse ziehen durch Lautäußerungen die Aufmerksamkeit ihrer Mutter auf sich. Dazu sind sie allerdings nur in der Lage, wenn bestimmte Nervenzellen in ihrem Hirnstamm vorhanden sind. Ohne diese Nervenzellen sind sie stumm. Über diese Ergebnisse berichtet ein Forschungsteam des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). Ähnliche Verschaltungen im Gehirn könnten für das Schreien von menschlichen Neugeborenen verantwortlich oder bei Sprachstörungen verändert sein.

    Bereits unmittelbar nach der Geburt können Mausebabys nach ihrer Mutter „rufen“, wenn sie von ihr getrennt werden. So sichern sie sich ihre Aufmerksamkeit. Um die Laute zu erzeugen, müssen bestimmte Nervenzellen in einem sehr alten Teil des Gehirns, dem Hirnstamm, zwei Muskelgruppen koordiniert aktivieren. Das hat die MDC-Forschungsgruppe um Carmen Birchmeier festgestellt. Wichtige Beiträge für die interdisziplinäre Studie kamen auch aus dem Pariser Labor von Jean Champagnat und Gilles Fortin am CNRS in Gif sur Yvette.

    Das Forschungsteam zeigte in einer Serie von Experimenten, dass die Nervenzellen im Nucleus tractus solitarii die Anspannung von Bauchmuskeln und Kehlkopf steuern. Der Nucleus erhält außerdem sensorische Information aus dem Kehlkopf und der Lunge und koordiniert so das Zusammenspiel sensorischer und motorischer Leistungen während der angeborenen Lautbildung. Sind die Gene für die Transkriptionsfaktoren Olig3 oder Tlx3 verändert, stört das die Reifung der Nervenzellen im Nucleus tractus solitarii bei den Mäuseföten. Wenn der Kern sich nicht entwickeln kann, bleiben die Mäusebabys nach der Geburt stumm.

    Die Mutter ignoriert die stummen Jungen

    Neugeborene Mäuse brauchen die Nähe ihrer Mutter und signalisieren ihr das. Hat sich das Mäusejunge aus dem sicheren Nest entfernt, so produziert es Salven von jeweils vier bis sechs Rufen die eine Frequenz von 75 kHz haben und damit für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar sind. Bei jedem Ruf atmet es tief und kräftig aus, zeigen Experimente. Die Mutter reagiert prompt: Sie sucht den verirrten Nachwuchs und bringt ihn zum Nest zurück. Auch wenn die Ultraschall-Laute vom Band stammen, macht sie sich auf die Suche nach dem Jungen. Mäusebabys, die diese Töne nicht erzeugen können, werden von der Mutter ignoriert, selbst wenn sie sie nach der Geburt angenommen hatte. „Wir vermuten, dass die Laute ein evolutionär konserviertes Signal sind, das die Gesundheit der Jungen anzeigt und die Aufmerksamkeit der Mutter sicherstellt“, sagt Carmen Birchmeier. „Die stummen Mäuse sind zudem ein Modell, um die Bedeutung von angeborenen Rufen für die Interaktion zwischen Mutter und Nachwuchs zu untersuchen“, sagt Erstautor Luis Hernandez-Miranda.
    Eine interessante weiterführende Frage ist zudem, ob der Nucleus an der Entstehung oder Ausprägung von Sprachstörungen beteiligt ist, die bei einigen Patienten mit Schlaganfall, neurodegenerativen Erkrankungen oder Tumoren beobachtet werden.

    Prof. Carmen Birchmeier ist seit 2007 Mitglied des Exzellenzclusters NeuroCure und seit 2016 Mitglied des Einstein-Zentrums für Neurowissenschaften.

    Luis Rodrigo Hernandez-Miranda et al. (2017): „Genetic identification of a hindbrain nucleus essential for innate vocalization.“ PNAS. doi:10.1073/pnas.1702893114

    Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC)

    Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) wurde 1992 in Berlin gegründet. Es ist nach dem deutsch-amerikanischen Physiker Max Delbrück benannt, dem 1969 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin verliehen wurde. Aufgabe des MDC ist die Erforschung molekularer Mechanismen, um die Ursachen von Krankheiten zu verstehen und sie besser diagnostizieren, verhüten und wirksam bekämpfen zu können. Dabei kooperiert das MDC mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Berlin Institute of Health (BIH) sowie mit nationalen Partnern, z.B. dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DHZK), und zahlreichen internationalen Forschungseinrichtungen. Am MDC arbeiten mehr als 1.600 Beschäftigte und Gäste aus nahezu 60 Ländern; davon sind fast 1.300 in der Wissenschaft tätig. Es wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Berlin finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren. https://www.mdc-berlin.de/


    Weitere Informationen:

    https://www.mdc-berlin.de/1156754 – Website der Forschungsgruppe von Carmen Birchmeier
    https://insights.mdc-berlin.de/de/2017/07/mama-hier-bin-ich/ – Weiterführender Artikel zum Paper auf der MDC-Webseite Insights


    Bilder

    Schnitt durch das Hinterhirn einer Maus. Die Zellen des Nucleus tractus solitarii (NTS) sind rot dargestellt. Sie sind essentiell für die frühe Lautbildung.
    Schnitt durch das Hinterhirn einer Maus. Die Zellen des Nucleus tractus solitarii (NTS) sind rot dar ...
    Bild: Luis Hernandez-Miranda, MDC
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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