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Wissenschaft
Menschen, die Gewalt ausgesetzt waren, können auch Jahrzehnte später noch ein verschlechtertes Kurzzeitgedächtnis und eine verschlechterte Konzentrationsfähigkeit aufweisen, wenn sie sich diese Erfahrungen ins Gedächtnis rufen. Dies ist das Ergebnis einer empirischen Studie unter Beteiligung von Forschern des IfW, die in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlich wurde.
Die Studie belegt erstmals die negativen Folgen von Gewalt auf kognitive Fähigkeiten und zeigt, dass diese sehr lange bestehen bleiben können. Menschen, die Gewalterfahrungen gemacht hatten und sich diese bewusst vor Augen führten, hatten in der empirischen Untersuchung auch Jahrzehnte nach dem Erlebnis ein schlechteres Kurzzeitgedächtnis und eine schlechtere Konzentrationsfähigkeit als eine Vergleichsgruppe.
„Kognitive Fähigkeiten sind elementar für das persönliche Wohlbefinden sowie für Erfolg in Schule und Beruf. Bei Kindern gehen bessere kognitive Fähigkeiten mit einer höheren Lebens-, Einkommens- und Gesundheitserwartung sowie mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit, straffällig zu werden, einher“, sagte Gianluca Grimalda, Forscher im Bereich Sozial- und Verhaltensökonomische Ansätze zur Lösung globaler Probleme am Institut für Weltwirtschaft (IfW).
Grimalda und der Verhaltensökonom Patrick Ring vom IfW sind Co-Autoren der Studie. „Gewalterfahrungen können die Lebensperspektive eines Menschen massiv verschlechtern. Es ist daher wichtig, Gewaltopfer bei einer professionellen Traumabewältigung zu unterstützen, die ihnen dabei hilft, das Erlebte hinter sich zu lassen“, sagte Grimalda.
An der Studie nahmen über 500 Zivilisten in Kolumbien teil, die Opfer von Bandengewalt oder des Bürgerkrieges wurden. Personen, die in dem Experiment gebeten wurden, sich ihre Gewalterfahrung ins Gedächtnis zu rufen, wiesen im Anschluss signifikant schlechtere kognitive Fähigkeiten auf als Personen, die an eine neutrale oder angenehme Erfahrung aus der Zeit denken sollten. Die Gewalterfahrungen lagen dabei bis zu 14 Jahre zurück.
Eine ähnliche Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten konnten die Forscher auch bei Personen nachweisen, die Gewalt zwar nicht persönlich erlebt hatten, sich aber extreme Gewalttaten vor Augen führen sollten. Dies zeigte eine Wiederholung der Studie aus Kolumbien mit deutschen Studenten, die an extreme Gewalttaten wie den Terroranschlag in Paris im November 2015 denken sollten. „Das menschliche Gehirn reagiert offenbar äußerst sensibel auf Gewalteindrücke“, so Grimalda.
Die Studie der Autoren Francesco Bogliacino (Universidad Nacional de Colombia), Gianluca Grimalda (IfW), Pietro Ortoleva (Princeton University) und Patrick Ring (IfW) trägt den Titel Exposure to and recall of violence reduce short-term memory and cognitive control.
Fachlicher Ansprechpartner:
Gianluca Grimalda
T +49 431 8814-464
gianluca.grimalda@ifw-kiel.de
Medienansprechpartner:
Mathias Rauck
T +49 431 8814-411
mathias.rauck@ifw-kiel.de
Institut für Weltwirtschaft
Kiel Institute for the World Economy
Kiellinie 66 | 24105 Kiel, Germany
www.ifw-kiel.de
http://www.pnas.org/content/early/2017/07/19/1704651114.abstract
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer
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