idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.10.1998 00:00

40 Prozent der Lehrer im Osten sind überengagiert

Birgit Berg Pressestelle
Technische Universität Dresden

    41. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vom 27.9. - 1.10.1998 in Dresden

    40 Prozent der Lehrer in den neuen Bundesländern engagieren sich in ihrem Beruf mehr als für sie gesund ist. Das sind doppelt bis dreimal so viele wie in den alten Bundesländern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unter Leitung des Potsdamer Psychologie-Professors Uwe Schaarschmidt. Die Ergebnisse hat der Forscher beim 41. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vom 27. September bis 1. Oktober in Dresden präsentiert.
    Seit zwei Jahren untersuchen Uwe Schaarschmidt und sein Team 3000 Lehrer in Brandenburg, Berlin, Bremen und Süddeutschland. Ihr Ergebnis: Lehrer fühlen sich oft überfordert und gestreßt. Aber ein einheitliches Syndrom "Lehrerstreß" gibt es nicht. Die Lehrer lassen sich vielmehr vier verschiedenen Mustern zuordnen - je nachdem wie sie sich im Schulalltag verhalten und wie sie ihren Beruf erleben. Zwei dieser Lehrer-Typen gefährden mit ihrem Verhalten direkt ihre Gesundheit, der Typ A und der Typ B.
    Zum Risikotyp "B" gehören Lehrer, die in ihrem Beruf resigniert haben. Sie sind auch im Privatleben nicht zufrieden, weil ihnen schulische Probleme nicht aus dem Kopf gehen. Im Vergleich zu anderen Lehrertypen engagieren sie sich sehr wenig im Beruf und verbringen weniger Zeit in der Schule als ihre Kollegen. Fast ein Drittel der 948 untersuchten Brandenburger Lehrer fühlte sich diesem Risikotypen zugehörig. Uwe Schaarschmidt: "Diese Zahl entspricht denen anderer Bundesländer."
    Anders sieht das beim sogenannten Typ "A" aus, der sich vor allem durch Überengagement auszeichnet. Dieses sogenannte Verhaltens- und Erlebensmuster findet sich unter Lehrern in Brandenburg besonders häufig. 40 Prozent der befragten Lehrer überfordern sich in der Schule oft selbst und können auch zu Hause nicht abschalten. Diese Lehrer stecken ihre gesamte Energie in ihren Beruf. Sie verbringen deutlich mehr Zeit in der Schule und bereiten ihren Unterricht zuhause mit viel mehr Energie vor als andere. Dabei schaffen sie es nicht, sich von ihrem Beruf zu distanzieren, in Gedanken sind sie immer in der Schule. Uwe Schaarschmidt: "Doch dieses hohe Engagement führt für sie keineswegs zu Zufriedenheit und Erfolgserleben." Vielmehr empfinden diese Lehrer eine große Diskrepanz zwischen dem investierten Aufwand und der erlebten Belohnung, das heißt, sie sind nie wirklich zufrieden und haben immer das Gefühl, daß ihre Leistungen nicht richtig anerkannt werden. Der Psychologe ist sicher, daß sich die hohe Zahl überengagierter Lehrer in Brandenburg auch auf die anderen neuen Bundesländer übertragen läßt.
    Daß dieser Lehrertyp hier besonders häufig auftritt, könnte an den besonderen Anforderung liegen, die die Jahre nach der Wende mit sich bringen. Uwe Schaarschmidt: "Bei den Lehrern schlagen sich die gesellschaftlichen Ereignisse und Veränderungen am stärksten nieder. Sie müssen sich auf ein neues Schüler- und Elternverhalten einstellen, auf neue Fächer und Lehrstoffe, ein anderes Schulsystem, nicht zuletzt sind auch sie von Arbeitsplatzunsicherheit betroffen." Diese Anforderungen versuchen die Lehrer des Musters "A" offensichtlich durch exzessive Verausgabung zu kompensieren. Eine Bestätigung für seine These fand der Potsdamer Wissenschaftler bei Untersuchungen unter polnischen Lehrern, bei denen er eine ähnlich hohe Zahl überengagierter Lehrer wie in den ostdeutschen Ländern feststellte.
    Um besser mit ihren beruflichen Belastungen klarzukommen, rät Uwe Schaarschmidt den Lehrern, sich untereinander mehr auszutauschen. "Wir haben bei unserer Untersuchung immer wieder festgestellt, daß die Lehrkräfte einer Schule zwar viel über Schüler und den Unterrichtsstoff, aber wenig über sich selbst, ihre Probleme, Ängste oder Wünsche sprechen. Im Interesse ihrer psychischen Gesundheit sollten sie öfter über ihre eigenen Belange reden und gegenseitige Hilfe organisieren."

    Jana Miesen, Pressearbeit
    Telefon (03 51) 4 63-59 62 oder 32 59
    Telefax (03 51) 4 63-72 95
    e-mail: dgps98@rcs.urz.tu-dresden.de
    WWW: http://physik.phy.tu-dresden.de/psycho/kongress/dgps98.html
    TU Dresden, 41. Kongreß der DGPs, 01062 Dresden


    Weitere Informationen:

    http://physik.phy.tu-dresden.de/psycho/kongress/dgps98.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).