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Wissenschaft
Der eklatante Organmangel beschäftigt auch die Wissenschaft. Seit Jahren werden verschiedene Ansätze erforscht, um Lösungen zu finden, die eine Entspannung der Situation herbeiführen können. Besonders vielversprechend ist die Züchtung von Organen aus Körperzellen. Es ist bereits möglich, sogenannte Organoide, kleine Organvorläufer, herzustellen.
Weitere hoffnungsvolle Ansätze stellen die Xenotransplantation mit den Möglichkeiten der Gen-Manipulation, die für eine Humanisierung der Schweineorgane genutzt werden könnten, sowie auch das 3D-Bioprinting dar.
Die Züchtung von Organen aus Stammzellen hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Was sich anhört wie eine Sciencefiction-Vision, kann vielleicht schon in 10-15 Jahren Realität sein. Shin´Ya Yamanaka erhielt 2012 den Nobelpreis für die Entdeckung, dass jede ausgereifte Zelle (z.B. eine Hautzelle) in eine Stammzelle umgewandelt werden kann. Bereits einige Jahre zuvor war es ihm gelungen, sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) durch künstliche Reprogrammierung mit Hilfe von nur vier Faktoren aus normalen Körperzellen zu erzeugen. 2014 wurde erstmals eine Arbeit [1] publiziert, die zeigte, dass aus menschlichen Hautzellen, sogenannte iPS und danach weiter nierenspezifische Stammzellen in der Petrischale entwickelt werden können, die dann Nierentubulusstrukturen bilden. Der Arbeitsgruppe von Melissa H. Little ist es dann 2015 gelungen, erste Nierenorganoide aus solchen iPS zu züchten – die Arbeit war so bahnbrechend, dass sie es auf das Cover des renommierten Journals „Nature“ [2] geschafft hat. Am Universitätsklinikum Dresden wurde diese Methodik als Kooperationsprojekt zwischen den Nephrologen (Prof. Hugo) und Pharmakologen (Prof. Guan) mittlerweile ebenfalls etabliert. Binnen 24 Tagen kann ein Nierenorganoid aus iPS-Zellen gezüchtet werden, das bereits ähnliche Strukturen wie eine fetale Niere aufweist (25. SSW).
Auch wenn der Weg von diesen sehr kleinen Nierenorganoiden zu komplexen, funktionstüchtigen Organen noch sehr lang ist und viele Herausforderungen bereithält – beispielsweise muss auch ein Anschluss an das Gefäßsystem gelingen –, erscheint er aus heutiger Sicht zumindest möglich. „Noch vor zehn Jahren war das völlig undenkbar, da wäre man für verrückt erklärt worden, wenn man den Gedanken geäußert hätte, man könne aus Hautzellen im Labor Organe züchten. Das demonstriert, wie innovativ und schnell die Transplantationsforschung ist“, so Prof. Christian Hugo, Dresden, Generalsekretär der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG).
Eine Züchtung von Organen aus „normalen“, ausgereiften Zellen würde die Transplantationsmedizin in mehrfacher Hinsicht revolutionieren: zum einen wäre damit das größte Problem, der eklatante Organmangel, obsolet, zum anderen hätten Organe, die aus iPS entstehen, natürlich einen großen Vorteil: sie wären „personalisiert“, d.h. sie tragen die Gewebemerkmale des Empfängers, da sie ja z. B. aus seiner Hautzelle entstehen würden. Ein solches Organ würde vom Immunsystem des Patienten nicht als fremd wahrgenommen werden. Somit wäre nicht nur das Problem des Organmangels, sondern auch das der Abstoßung gelöst.
Die gezüchteten Nierenorganoide sind bereits jetzt schon für die Grundlagenforschung zu Nierenerkrankungen von großer Bedeutung. Daran lässt sich heute schon die Entstehung von Nierenerkrankungen studieren und auch mögliche Therapieansätze erforschen. Allein das ist ein Meilenstein. Durch Aktivierung des ADPKD1-Gens wurden beispielsweise bereits Nierenorganoide mit Zystenbildungen hergestellt, an denen nun z.B. Medikamententests durchgeführt werden können. Die Möglichkeit, therapeutische Ansätze zu testen, ist natürlich besonders segensreich bei sehr seltenen Erkrankungen.
Einen weiteren vielversprechenden Ansatz zur Herstellung von Spenderorganen bietet das Feld der Xenotransplantation. Sie hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und wird derzeit im Rahmen eines überregionalen Sonderforschungsbereichs in München, Dresden und Hannover untersucht, denn durch die neuen Möglichkeiten der Gen-Manipulation – man denke an die „Gen-Schere“ CRISPR/Cas9 etc. – ist es erstmal perspektivisch möglich, diese Organe zu „humanisieren“. Bislang schien die Artengrenze trotz genetischer Verwandtschaft zwischen Schwein und Mensch nicht überwindbar, nun wird gezielt daran gearbeitet, die DNA zukünftiger Spendertiere zu humanisieren.
Auch das 3D-Bioprinting hat sich rasant entwickelt, bislang können aber nur einfache Gewebe (Knorpel, Haut etc.) erzeugt werden, auch nur in kleinen Volumina. Eine Niere beispielsweise ist nicht nur großvolumig, sondern vor allem ein sehr komplexes Organ. Bis es technisch möglich sein wird, funktionstüchtige Organe via 3D-Bioprinting herzustellen, werden sicher Jahrzehnte vergehen. Die Herstellung von kleinvolumigen Biogeweben ist heute bereits möglich, auch das war vor ein paar Jahren nicht einmal denkbar.
Zusammenfassend ist die Forschung hochinnovativ, um das derzeit größte Problem der Transplantationsmedizin, den Organmangel, zu lösen.
[1] Lam AQ, Freedman BS, Morizane R et al. Rapid and efficient differentiation of human pluripotent stem cells into intermediate mesoderm that forms tubules expressing kidney proximal tubular markers. J Am Soc Nephrol; 25(6): 1211-25
[2] Takasato M; Er PX , Chiu HS et al. Kidney organoids from human iPS cells contain multiple lineages and model human nephrogenesis. Nature 2015; 526(7574): 564-8
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Medizin
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