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Wissenschaft
HIV-Selbsttests:
Virologen befürworten Zulassung, weisen aber auf Risiken der Tests hin
Anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember hat das Robert Koch-Institut aktuelle Zahlen zum HIV/AIDS-Geschehen in Deutschland veröffentlicht. Ende 2016 lebten in Deutschland etwa 88 400 Menschen mit HIV. Geschätzte 12 700 dieser Menschen wissen nicht, dass sie mit dem HI-Virus infiziert sind.
Die hohe Dunkelziffer ist aus zwei Gründen problematisch, so die Experten der Gesellschaft für Virologie (GfV): Zum einen sollte die Therapie möglichst frühzeitig nach der Infektion beginnen. Außerdem könnten diese Menschen unabsichtlich andere anstecken. Ein HIV-Selbsttest, ähnlich wie ein Schwangerschaftstest zu Hause durchzuführen, wäre eine Möglichkeit, die Dunkelziffer zu verringern. In einer aktuellen Stellungnahme spricht sich die GfV grundsätzlich für die Zulassung solcher Tests aus – mahnt aber auch an, die mit den Selbsttests verbunden Risiken weitestmöglich zu minimieren.
„Es ist auffällig, dass seit Jahren unverändert bei über einem Viertel der HIV-Neudiagnosen die Infektion erst dann festgestellt wird, wenn der Betroffene bereits erkrankt ist oder die Zahl der T-Helferzellen unter 350/µl liegt, was einer fortgeschrittenen HIV-Infektion entspricht“, sagt Professor Dr. med. Josef Eberle vom Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München, dem nationalen Referenzzentrum für Retroviren. „Das bedeutet, dass wir trotz der vielen, auch anonymen und kostenlosen Angebote für einen HIV-Test, nicht alle Infizierten erreichen.“ Für diese Menschen könnte ein Selbsttest, wie er in mehreren Ländern bereits erhältlich ist, eine Chance sein.
In Deutschland darf ein solcher Test bislang nicht an Privatpersonen abgegeben werden; derzeit wird aber geprüft, ob die Medizinprodukte-Abgabeverordnung entsprechend verändert werden sollte. In England beispielsweise sind die Tests zugelassen, erste Erfahrungen sind vielversprechend. So äußerten Personen, die den Test gemacht haben, dieser sei einfach zu handhaben. Von Panikreaktionen als Folge falsch-positiver Testergebnisse wurde kaum berichtet.
Die GfV weist jedoch auf mögliche Probleme hin – etwa in Bezug auf die Qualität der Selbsttests: „HIV-Schnelltests mit CE-Prüfzeichen, die Blut aus der Fingerkuppe verwenden, sind zwar mit HIV-Labortests der vierten Generation durchaus zu vergleichen“, erklärt Eberle. „Unterlegen sind sie den Labortests jedoch in Bezug auf den Infektionsnachweis, wenn sie in einer sehr frühen Phase der Infektion durchgeführt werden. Ein Betroffener wiegt sich also womöglich in falscher Sicherheit, und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem das Übertragungsrisiko besonders hoch ist.“ Dies gelte umso mehr bei Selbsttests, die nicht Blut, sondern einen speziellen Mundabstrich (oral fluid) als Testmaterial nutzen.
Problematisch sei zudem eine mögliche Fehlinterpretation des Testergebnisses durch den Nutzer, so der Virologe. Denn erst drei Monate nach einer möglichen Ansteckung liefert ein Selbsttest ein sicheres Ergebnis. Tests, die davor durchgeführt werden, sind nur bedingt aussagekräftig. Zudem weisen Tests stets eine gewisse Fehlerquote auf – ein positives beziehungsweise negatives Ergebnis kann falsch sein. Bei einem Test im Fachlabor wird das Resultat dagegen mittels eines Bestätigungstestes überprüft, bevor der Betroffene informiert wird.
Trotz dieser Bedenken befürworten die GfV-Experten die Abgabe von Selbsttests an Privatpersonen, um die weitere Ausbreitung der HIV-Infektion zu verhindern und Infizierten einen frühzeitigen Therapiebeginn zu ermöglichen. „Es muss jedoch gewährleistet sein, dass die Tests klare Informationen zum Umgang mit den Ergebnissen enthalten“, betont Professor Eberle. „Dazu gehören der Hinweis auf die Drei-Monats-Frist und die mögliche Fehlerquote, sowie die Empfehlung, im Falle eines positiven oder unklaren Befunds diesen noch einmal mit einem laborgestützten Verfahren überprüfen zu lassen und gegebenenfalls auch psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Zudem sollten Nutzer darüber informiert werden, dass 72 Stunden nach einer eventuellen Infektion die Möglichkeit einer Postexpositionsprophylaxe (PEP) durch HIV-Medikamente besteht.
Die GfV spricht sich dafür aus, die Wirksamkeit von HIV-Selbsttests anhand der Parameter „Neuinfektionen“ und „Anteil der Patienten mit später Diagnose“, wissenschaftlich zu begleiten.
Stellungnahme der GfV zum HIV-Selbsttest: http://www.g-f-v.org/node/746
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Abdruck erwünscht – Beleg erbeten.
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Kontakt für Journalisten:
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Juliane Pfeiffer
Postfach 30 11 20
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Tel.: 0711 8931-693
Fax: 0711 8931-167
E-Mail: pfeiffer@medizinkommunikation.org
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http://www.g-f-v.org/node/746
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
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Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
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