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Wissenschaft
In emotional aufgeladenen Situationen umarmen wir uns öfter linksseitig als in neutralen Zusammenhängen. Das haben Biopsychologen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Julian Packheiser, Noemi Rook und Privatdozent Dr. Sebastian Ocklenburg herausgefunden, indem sie über 2.500 Umarmungen auswerteten. Sie erklären sich dieses Seitenverhältnis mit der Verarbeitung von Gefühlen in den jeweiligen Hirnhälften. Darüber hinaus stellten sie fest, dass auch die Händigkeit und Füßigkeit der Beteiligten Voraussagen zulässt, welche Hand bei der Umarmung oben ist. Ihre Ergebnisse sind im Journal „Psychological Research“ vom 18. Januar 2018 veröffentlicht.
Umarmungen zeigen Liebe, Freude oder spenden Trost
Umarmungen begleiten menschliche soziale Interaktionen von Geburt an. Sie drücken Zuneigung und Liebe aus, und treten sowohl in positiven wie auch in negativen oder neutralen Zusammenhängen auf: Wir umarmen uns auch bei Trauer oder Angst oder einfach zur Begrüßung. „Wir wollten wissen, ob der emotionale Kontext das Umarmungsverhalten beeinflusst“, erklärt Erstautor Julian Packheiser. „Außerdem wollten wir herausfinden, ob motorische Merkmale wie Händigkeit die Richtung des Umarmens beeinflusst.“
Abschied und Flugangst – Wiedersehensfreude und Erleichterung
Die Forscher beobachteten dafür mehr als 2.500 Umarmungen. Auf einem deutschen Flughafen werteten sie je rund 1.000 Umarmungen im Abflug- und im Ankunftterminal internationaler Flüge aus. Beim Abflug gingen sie dabei von negativen Emotionen der Beteiligten Personen aus – zum einen verabschiedeten sich hier nahestehende Menschen voneinander, zum anderen leiden Studien zufolge fast 40 Prozent aller Fluggäste unter Flugangst, was sich zusätzlich negativ auswirkt. Bei der Ankunft sorgen dann Wiedersehensfreude und Erleichterung über den überstandenen Flug für positive Emotionen.
Umarmungen Fremder auf der Straße
Um neutrale Umarmungen beobachten zu können, zogen die Forscher die Videoplattform Youtube heran. Hier fanden sie Aufzeichnungen von Akteuren, die Fremden auf der Straße Umarmungen mit verbundenen Augen angeboten hatten. Über 500 solche Umarmungen konnten sie auswerten.
Gefühle werden rechts verarbeitet
Übereinstimmend mit älteren Studien stellten die Forscher fest, dass die meisten Menschen eine Vorliebe für rechtsseitige Umarmungen haben. Es zeigte sich aber, dass sowohl in positiven wie auch in negativen Situationen häufiger linksseitig umarmt wird als in neutralen Situationen. „Das ist auf den Einfluss der rechten Gehirnhälfte zurückzuführen, die die linke Körperhälfte kontrolliert und sowohl positive als auch negative Emotionen verarbeitet“, erklärt Julian Packheiser. „Bei Umarmungen interagieren emotionale und motorische Netzwerke im Gehirn und führen zu einer stärkeren Linksorientierung in gefühlsbetonten Zusammenhängen.“
Eine Schaufensterpuppe umarmen
Um den Einfluss von Händigkeit und Füßigkeit zu untersuchen, ließen die Forscher dann noch 120 Probanden im Labor eine Schaufensterpuppe umarmen, nachdem sie verschiedene positive, negative oder neutrale Kurzgeschichten über Kopfhörer angehört hatten. Händigkeit und Füßigkeit erfassten die Wissenschaftler mittels Fragebogen. „Händigkeit und Füßigkeit können tatsächlich vorhersagen, in welche Richtung eine Umarmung ausgeführt wird“, so Julian Packheiser. Rechtshänderinnen und Rechtshänder neigten also noch stärker als Linkshänder dazu, ihr Gegenüber von rechts zu umarmen.
Ein Sonderfall ist die Umarmung zweier Männer: Dabei stellten die Forscher schon in neutralen Situationen eine stärkere Linksorientierung fest. „Wir interpretieren das so, dass Männer-Umarmungen von vielen Männern als negativ angesehen und daher selbst in neutralen Situationen wie zur Begrüßung tendenziell als negativ wahrgenommen werden“, meint Sebastian Ocklenburg. Dementsprechend werde wegen der negativen Emotionen auch hier die rechte Gehirnhälfte aktiv und beeinflusse die motorische Ausführung nach links.
Förderung
Julian Packheiser wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Graduiertenkolleg „Situated Cognition“ (GRK 2185/1) gefördert.
Originalpublikation
Julian Packheiser, Noemi Rook, Zeynep Dursun, Janne Mesenhöller, Alrescha Wenglorz, Onur Güntürkün, Sebastian Ocklenburg: Embracing your emotions: affective state impacts lateralisation of human embraces, in: Psychological Research, 2018, DOI: 10.1007/s00426-018-0985-8, https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00426-018-0985-8
Pressekontakt
Julian Packheiser
Abteilung Biopsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24917
E-Mail: julian.packheiser@rub.de
https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00426-018-0985-8 - Originalveröffentlichung
Von welcher Seite umarmen sich Menschen und warum? Das wollten Sebastian Ocklenburg (links) und sein ...
Foto: RUB, Marquard
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Julian Packheiser (links), Sebastian Ocklenburg (Mitte) und Noemi Rook mit den Schaufensterpuppen, d ...
Foto: RUB, Marquard
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Psychologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch
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