idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.01.2018 10:53

100 Millionen Jahre altes Fossil: Scheren halten Männchen während der Paarung fest

Sebastian Hollstein Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Biologen der Universität Jena entdecken bisher unbekannte, ausgestorbene Insektengattung

    Insekten sind sehr erfinderisch, wenn es darum geht, sich während der Paarung aneinander festzuhalten. Manche Arten verhaken ihre Beine oder Antennen ineinander, andere nutzen Saugnäpfe. Biologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben nun gemeinsam mit chinesischen Kollegen eine bisher völlig unbekannte, inzwischen ausgestorbene Insektenart entdeckt, die vor etwa 100 Millionen Jahren vermutlich eine äußerst exotische – und einzigartige – Methode nutzte, um beim Sex nicht getrennt zu werden. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Current Biology“ berichten die Entomologen über ihren Fund.

    Mit der Gottesanbeterin verwandt

    „Caputoraptor elegans“ heißt die neue, mit der Gottesanbeterin verwandte Art. An den Fossilien des Tieres, die die Wissenschaftler in einem Bernstein aus Burma entdeckten, fiel ihnen ein anatomisches Gebilde besonders ins Auge: „Am Kopf des etwa anderthalb Zentimeter großen Tieres befinden sich seitlich verlängerte, flügelartige Auswüchse, die perfekt mit Schneidekanten an der Schulterregion zusammenpassen“, beschreibt Dr. Benjamin Wipfler von der Universität Jena. „Wenn es also den Kopf hob und senkte, verhielten sich die beiden Körperteile wie die Klingen einer Schere.“ Aufgrund kleiner Zähne erinnere gerade der Teil am Thorax an eine Säge.

    Auch wenn das Werkzeug auf den ersten Blick gefährlich anmutet und Ähnlichkeiten mit einer Waffe aufweist, so haben die Jenaer Insektenforscher gute Argumente gegen diese Vermutung und für eine andere Anwendungsart. „Das Tier war zwar definitiv ein Jäger, wie uns seine Kopfform und die großen Augen verraten“, erklärt Wipfler. „Aber das Werkzeug eignete sich aufgrund seiner Position an der Halsregion und seines geringen Öffnungswinkels überhaupt nicht für die Jagd und zur Verteidigung.“ Beutetiere würden mit dieser Körperpartie nicht in Berührung kommen. Haftstrukturen an den Beinen und die langen, ungeschützen Hinterflügel verraten den Forschern zudem, dass das Tier im Blattwerk von Bäumen lebte und sich vermutlich von Blattläusen ernährte. Die konnte es ohne großen Jagdaufwand mit den Kieferwerkzeugen einsammeln – eine spezielle Waffe oder Greifstruktur wäre nicht notwendig. Außerdem konnten die Augen des Caputoraptor das Scherenwerkzeug nicht sehen – es befand sich sozusagen in einem toten Winkel. Wenn ein Feind von hinten angriff, war die Schere zur Abwehr nutzlos.

    Weibchen halten Männchen fest

    Härchen an der Schulterklinge legen nahe, dass der Mechanismus auf Berührung reagierte – und zwar während der Paarung. „Wir gehen davon aus, dass bei der Kopulation zweier Tiere dieser Art das Weibchen auf den Rücken des Männchens kletterte und es dann mit dem Scherenmechanismus festhielt“, erklärt Wipfler. An den kurzen, harten Vorderflügeln konnten die Klingen sich gut verankern und den Griff stabilisieren. Das würde die Position des Werkzeugs perfekt erklären. Parallelen sehen die Forscher beispielsweise bei verwandten Schaben. Auch wenn die Paarung etwas anders verläuft, befindet sich das Weibchen bei diesen unbeliebten Insekten zunächst obenauf und die Männchen heben dabei ihre Vorderflügel.

    Obwohl die Jenaer Insektenforscher von der Richtigkeit ihrer Interpretation überzeugt sind – ein Puzzlestück fehlt ihnen für den letztendlichen Beweis. „Leider haben wir bisher nur Weibchen und Jungtiere gefunden“, sagt Benjamin Wipfel. „Uns fehlt das männliche Gegenstück, um letztlich überprüfen zu können, ob alles zusammenpasst.“ Dass er bereits ein männliches Exemplar in der Hand gehalten habe, könne er nicht ausschließen, denn es sei möglich, dass nur die Weibchen das bisher hervorstechendste Merkmal der Gattung, nämlich das Scherenwerkzeug, aufweisen, und man so die Männchen einer anderen, ähnlichen Gattung zugeordnet habe.

    Original-Publikation:
    Ming Bai, Rolf Georg Beutel et. al. (2018): A New Cretaceous Insect with a Unique Cephalo-thoracic Scissor Device, Current Biology, DOI: 10.1016/j.cub.2017.12.031

    Kontakt:
    Dr. Benjamin Wipfler, Prof. Dr. Rolf Beutel
    Institut für Zoologie und Evolutionsforschung der Universität Jena
    Erbertstraße 1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 949153
    E-Mail: benjamin.wipfler[at]uni-jena.de, rolf.beutel[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Das in Bernstein eingeschlossene Fossil eines „Caputoraptor elegans“.
    Das in Bernstein eingeschlossene Fossil eines „Caputoraptor elegans“.
    (Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)
    None

    Der Jenaer Entomologe Dr. Benjamin Wipfler mit einem Modell des inzwischen ausgestorbenen Insekts „Caputoraptor elegans“.
    Der Jenaer Entomologe Dr. Benjamin Wipfler mit einem Modell des inzwischen ausgestorbenen Insekts „C ...
    (Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).