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05.02.2018 21:00

Spiegelbildliche Käfer-Embryonen: wenn die frühe Entwicklung schiefläuft

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

    Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines Embryos ist die Achsenbildung. Dabei wird festgelegt, auf welcher Seite der Kopf und auf welcher Seite das Hinterteil entstehen sollen. Wenn die Achsenbildung nicht richtig abläuft, entstehen Embryonen mit zwei Hinterteilen oder zwei Köpfen. Forscherinnen und Forscher der Universitäten Göttingen und Erlangen-Nürnberg haben nun herausgefunden, dass dieser Prozess bei Insekten und Wirbeltieren weniger unterschiedlich verläuft als bisher gedacht.

    Pressemitteilung Nr. 32/2018

    Spiegelbildliche Käfer-Embryonen: wenn die frühe Entwicklung schiefläuft
    Biologen erforschen Gene des Mehlkäfers – Insekten und Wirbeltiere ähnlicher als gedacht

    (pug) Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines Embryos ist die Achsenbildung. Dabei wird festgelegt, auf welcher Seite der Kopf und auf welcher Seite das Hinterteil entstehen sollen. Wenn die Achsenbildung nicht richtig abläuft, entstehen Embryonen mit zwei Hinterteilen oder zwei Köpfen. Forscherinnen und Forscher der Universitäten Göttingen und Erlangen-Nürnberg haben nun herausgefunden, dass dieser Prozess bei Insekten und Wirbeltieren weniger unterschiedlich verläuft als bisher gedacht. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

    In der Tau-Fliege Drosophila gibt die Mutter dem Embryo die Information zur Achsenbildung mit. Sie befestigt Signalmoleküle an den gegenüberliegenden Polen der Eizelle, an denen sich Kopf und Hinterteil entwickeln sollen. Der Embryo muss diese Information dann nur noch auslesen. Bei Wirbeltieren wie dem Menschen dagegen muss der Embryo selbst zur Achsenbildung beitragen, indem er am künftigen Hinterteil ein sogenanntes Wnt-Signalzentrum ausbildet. Daher dachte man bisher, dass die Achsenbildung von Insekten und Menschen völlig unterschiedlich abläuft.

    Göttinger und Erlanger Wissenschaftler haben systematisch das Genom eines zweiten Insekts, des Reismehlkäfers Tribolium castaneum, untersucht. Dieser verfügt über insgesamt rund 16.000 Gene. Die Forscher schalteten jeweils eins von bislang 8.000 Genen aus und beobachteten dann die Entwicklung der defekten Embryonen. Eins der Gene heißt „germ-cell less“. Sobald dieses Gen beim Muttertier ausgeschaltet war, bildete der Embryo zwei spiegelbildliche Hinterteile aus. „Dieser Befund war völlig unerwartet, weil das entsprechende Gen beim Fliegenembryo an der Entwicklung der Keimzellen am Hinterende beteiligt ist – ein komplett anderer Prozess“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Salim Ansari von der Abteilung Evolutionäre Entwicklungsgenetik der Göttinger Fakultät für Biologie und Psychologie.

    Im Mehlkäfer braucht die Mutter „germ-cell less“, um ein Signalmolekül in die Eizelle zu pumpen. Dieses Molekül sorgt dann indirekt dafür, dass am Hinterende des Embryos ein Wnt-Signalzentrum entsteht – ähnlich wie bei Wirbeltieren. Ebenso wie beim Wirbeltier reichen die Signale der Mutter für die Achsenbildung nicht aus, sondern der Käfer-Embryo muss selbst beitragen, die Signalzentren zu bilden. „Natürlich unterscheidet sich die Entwicklung der Insekten trotz allem stark von der der Wirbeltiere, aber die Entwicklung der Fliege scheint doch für Insekten nicht sehr typisch zu sein“, sagt Projektsprecher Prof. Dr. Gregor Bucher von der Göttinger Abteilung Entwicklungsbiologie. „Es ist schon erstaunlich, wie schnell die Evolution vorhandene Gene in einem völlig neuen Kontext verwendet – ähnlich wie man das gleiche Werkzeug auf verschiedenen Baustellen verwenden kann“, ergänzt Prof. Dr. Martin Klingler von der Universität Erlangen-Nürnberg.

    Die Studie ist Teil des Projekts „iBeetle“, in dem das Genom des Reismehlkäfers erforscht wird. Der Reismehlkäfer ist neben der Tau-Fliege das zweite Insekt, das vollständig untersucht wird. Neben grundlegenden Erkenntnissen über die Entwicklung des Käfers entdeckten die Wissenschaftler auch bislang unbekannte Funktionen von Genen, die beispielsweise eine Rolle in der Schädlingsbekämpfung oder bei der Produktion von Bio-Diesel spielen könnten. Die Daten des iBeetle-Projekts sind weltweit frei zugänglich, damit auch andere damit arbeiten können. Weitere Informationen sind unter http://ibeetle.uni-goettingen.de zu finden.

    Originalveröffentlichung: Salim Ansari, Nicole Troelenberg et al. Double abdomen in a short germ insect: Zygotic control of axis formation revealed in the beetle Tribolium castaneum. Proceedings of the National Academy of Sciences 2018. Doi: 10.1073/pnas.1716512115.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Gregor Bucher
    Georg-August-Universität Göttingen
    Fakultät für Biologie und Psychologie
    Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie
    Justus von Liebig Weg 11, 37077 Göttingen
    Telefon (0551) 39-5426
    E-Mail: gbucher1@gwdg.de
    Internet: http://www.uni-goettingen.de/de/434385.html


    Weitere Informationen:

    http://ibeetle.uni-goettingen.de


    Bilder

    Oben: Larve mit Kopf, Thorax und Abdomen. Unten: Larve, bei der das Gen "germ-cell less" ausgeschaltet war. Kopf und Thorax sind durch ein spiegelbildliches Hinterteil ersetzt.
    Oben: Larve mit Kopf, Thorax und Abdomen. Unten: Larve, bei der das Gen "germ-cell less" ausgeschalt ...
    Foto: Universität Göttingen/Gregor Bucher
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    Der Reismehlkäfer verfügt über insgesamt rund 16.000 Gene. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bislang etwa 8.000 davon untersucht.
    Der Reismehlkäfer verfügt über insgesamt rund 16.000 Gene. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft ...
    Foto: Universität Göttingen/Gregor Bucher
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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