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07.02.2018 15:25

Gegen das Vergessen: Gedenkstein erinnert an Schicksale jüdischer Chirurgen

Susanne Herda, Swetlana Meier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V.

    Deutschlands Chirurgen errichten eine Stele des Gedenkens am Haus der Chirurgie in Berlin

    Zur Erinnerung an das Schicksal jüdischer Ärzte während des Nationalsozialismus haben Deutschlands Chirurgen einen Gedenkstein am Haus der Chirurgie in Berlin aufgestellt. In einer Gedenkstunde gedachten sie heute ihrer über 315 jüdischen Mitglieder. Sie wurden während der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 gedemütigt und entrechtet, indem man ihnen die Promotion, Approbation bzw. die Kassenzulassung entzog oder ihnen ein Lehrverbot erteilte. Viele von ihnen flohen ins Ausland, einige wurden deportiert oder ermordet.

    Die Initiative geht auf die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) zurück und wurde von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e.V. (DGCH) und allen mit ihr verbundenen zehn chirurgischen Fachgesellschaften umgesetzt. „Die Schicksale unserer jüdischen Kollegen sind für immer ein Teil von uns. Wir gedenken ihrer und ehren sie in tiefer Verbundenheit“, sagt DGCH-Präsident Professor Dr. Jörg Fuchs. DGU-Präsident Professor Dr. Joachim Windolf ergänzt: „Wir wollen damit ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen und Verschweigen in der Öffentlichkeit setzen.“

    Professor Dr. Hans Zwipp, Sprecher der DGU-Senatoren erklärt: „Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, dass sich Deutschlands Chirurgen nach so vielen Jahren des Unrechts und der Verbrechen zu ihren früheren jüdischen Mitgliedern öffentlich bekennen.“ Neben der zwei Meter großen und 600 Kilogramm schweren Stele liegt eine in einen Sandsteinblock eingelassene Edelstahlplatte. Der Text darauf schließt ab mit den Zeilen: „Wir gedenken ihrer mit Hochachtung, Dank und Demut sowie im Bewusstsein und in der Verantwortung, dass diese Menschenverachtung, dieses Unrecht und solche Verbrechen nie wieder geschehen.“

    Der Ehrung der mehr als 300 jüdischen Mitglieder der chirurgischen Fachgesellschaften gingen umfangreiche Recherchen voraus. So hat die DGCH im ersten Buch mit dem Titel „Die Präsidenten“ von 2011 zur Aufarbeitung von Unrecht und Verbrechen der Jahre 1933-1945 bereits an 217 frühere jüdische Mitglieder erinnert. Durch eine intensivste Nachlese sind es im bald erscheinenden zweiten Buch mit dem Titel „Die Verfolgten“ mehr als 315 Menschen. Auch der DGU gelang es nach über zehnjähriger Recherche die Daten von 36 ihrer jüdischen Mitglieder zu sichern. Im November 2017 gedachte sie dieser jüdischen Kollegen und verlegte dazu an ihrem Gründungsort in Leipzig 36 Stolpersteine und zwei Stolperschwellen – die DGU nimmt damit am größten dezentralen Mahnmal der Welt teil.

    Sitz aller chirurgischen Fachgesellschaften ist Berlin. Deshalb haben Deutschlands Chirurgen an diesem Ort den Gedenkstein am Haus der Chirurgie aufgestellt. Beispielhaft wird daher auch das Schicksal des Berliner Sanitätsrats Dr. Ernst Joseph beschrieben: Joseph wurde 1872 in Breslau geboren. Als Ärztlicher Direktor des Berliner Verbandes für erste Hilfe und Leitender Arzt der Heilanstalt für Unfallverletzte vom Roten Kreuz am Mariannenufer wirkte er zwischen 1900 und 1920 an der Verbesserung des Berliner Rettungswesens mit. 1913 wurde ein nach seinen Vorgaben konstruiertes motorisiertes dreirädriges Krankentransportfahrzeug mit dem Maria-Feodorowna-Preis auf der Internationalen Ausstellung vom Roten Kreuz in Washington ausgezeichnet. Seit 1923 war er Leitender Arzt der Unfallstation der Norddeutschen Holz-Berufsgenossenschaft (BG). Er engagierte sich ehrenamtlich als Gründungspräsident des Reichsverbandes der für die Berufsgenossenschaften tätigen Ärzte. Zudem war er Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde. Im April 1933 kündigt ihm die BG. Er verlor damit nicht nur seine Anstellung, sondern auch seine Ehrenämter in den Gesellschaften. Um seine Existenzgrundlage gebracht starb er 1937 in Berlin.

    Der DGCH gehören folgende Fachgesellschaften an:
    Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e.V. (DGAV)
    Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG)
    Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie e.V. (DGKCH)
    Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. (DGMKG)
    Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie e.V. (DGNC)
    Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC)
    Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen e.V. (DGPRÄC)
    Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie e.V. (DGT)
    Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG)
    Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU)

    Weitere Informationen:
    1) Fotos von der Gedenkstunde ab 7.2.2017 zur freien Verwendung unter Angabe des Copyrights unter: http://www.dgu-online.de/news-detailansicht/gegen-das-vergessen-gedenkstein-erin...
    2) Kurzbiografien der 36 ehemaligen jüdischen Mitglieder der DGU
    3) Gedenken der jüdischen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin, Jürgen Probst, Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten, Oktober 2013, S.606-613
    4) Damit sie nicht vergessen werden! Eine Spurensuche zum Leben und Wirken jüdischer Ärzte in Leipzig, Andrea Lorz, Passage-Verlag , 1. Februar 2017
    5) Deutsche Gesellschaft für Chirurgie 1933-1945. Band I: Die Präsidenten, Michael Sachs, Heinz-Peter Schmiedbebach, Rebecca Schwoch, hrsg. von Hartwig Bauer und Hans-Ulrich Steinau im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Kaden Verlag Heidelberg 2011
    6) In Arbeit: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie 1933-1945. Band II: Die Verfolgten, Rebecca Schwoch, hrsg. von Hartwig Bauer, Ernst Kraas und Hans-Ulrich Steinau im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Kaden Verlag Heidelberg

    Kontakt für Rückfragen:
    Susanne Herda, Swetlana Meier
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
    Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 340 60 36 -06 oder -16
    Telefax: +49 (0)30 340 60 36 01
    E-Mail: presse@dgou.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dgu-online.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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