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Wissenschaft
In einer seit zehn Jahren laufenden weltweiten Studie zur Erforschung der genetischen Ursachen von Depressionen ist Wissenschaftlern nun ein entscheidender Durchbruch gelungen. Sie konnten 30 neue genetische Varianten identifizieren, die mit Depressionen in Verbindung stehen. An der Studie sind auch Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim beteiligt.
Depressionen sind eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind weltweit 320 Millionen Menschen betroffen, allein in Deutschland sind es über vier Millionen. Depressionen sind mit großen Leid und starken Einschränkungen für die Erkrankten sowie hohen Kosten für die Gesellschaft verbunden. Die Ursachen und Mechanismen sind bisher noch unzureichend untersucht. Nun haben Forscher eines internationalen Konsortiums und unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Abteilung für Genetische Epidemiologie in der Psychiatrie am ZI einen bahnbrechenden Erfolg erzielt.
153 mit Depression assoziierte Gene identifiziert
Das Konsortium konnte zur Erforschung der genetischen Risikofaktoren für Depressionen auf die genetischen Daten von 135.000 Betroffenen und mehr als 344.000 Kontrollpersonen zurückgreifen. Die seit zehn Jahren laufende Studie ist damit eine der größten ihrer Art. Dadurch konnten 44 Stellen auf dem Genom, so genannte Loci, identifiziert werden, die mit schweren Depressionen in Verbindung stehen. Von diesen 44 Loci waren 14 bereits durch vorangegangene Untersuchungen bekannt. Die aktuelle Studie konnte diese Loci bestätigen. Insgesamt identifizierten die beteiligten Wissenschaftler 153 Gene, die mit dieser psychischen Störung in Verbindung stehen. Interessanterweise kam ebenfalls heraus, dass sechs Loci neben Depressionen auch bei Schizophrenie eine Rolle spielen.
Umweltbedingungen spielen eine wichtige Rolle
„Diese Studie ist der lang erhoffte Durchbruch auf dem Gebiet der Erforschung der genetischen Ursachen von Depressionen“, sagt Marcella Rietschel, wissenschaftliche Direktorin der Abteilung Genetische Epidemiologie in der Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. „Dies war nur möglich, weil Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt zusammengearbeitet haben.“ Eine wichtige Erkenntnis aus der Studie ist, dass schwere Depressionen sich auf genetischer Ebene nicht prinzipiell von weniger schweren Depressionen und Depressivität, also einer Verstimmtheit, wie sie viele Menschen im Laufe ihres Lebens erleben, unterscheiden. „Die Ergebnisse zeigen, dass wir alle Träger von mehr oder weniger Risikovarianten sind und es darauf ankommt, die Umweltbedingungen so zu gestalten, dass diese nicht zur Krankheit führen“, sagt ZI-Forscherin Rietschel.
Erfolgversprechender Weg für weitere Forschung
Deutlich wurde durch die Studie zudem, dass sich die genetische Basis von Depressionen mit der anderer psychischer Erkrankungen, wie Bipolare Störung und Schizophrenie, überschneidet. Darüber hinaus gibt es Übereinstimmungen mit der genetischen Basis für starkes Übergewicht sowie Tagesmüdigkeit und Schlaflosigkeit. „Die Befunde bieten die Grundlage für eine Vielzahl von Folgeuntersuchungen der verschiedensten Fachrichtungen“, sagt ZI-Forscherin Rietschel. Zum einen geht es dabei darum, die genetischen Ausprägungen für Depressionen noch besser zu verstehen. Zum anderen kann mit diesem Wissen die Wirksamkeit von Therapien weiter verbessert werden. „Ich hoffe, diese Arbeit überzeugt sowohl Betroffene als auch ihre Therapeuten davon, dass die Genomanalyse wirklich erfolgversprechend ist, um den Krankheitsursachen endlich näher zu kommen. Wenn alleine in Deutschland jeder zehnte Betroffene mitwirken würde, kämen innerhalb eines halben Jahres mehr Daten zusammen als das weltweite Konsortium in zehn Jahren zusammengetragen hat“, so Rietschel.
Über 200 Wissenschaftler weltweit beteiligt
Für die vorliegende Studie haben sich über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit aus 161 Institutionen im Psychiatric Genomics Consortium (PGC) zusammengeschlossen. Geleitet wird die Gruppe von Patrick Sullivan (University of North Carolina at Chapel Hill) und Naomi Wray (Queensland Brain Institute). Von Beginn an waren auch Forscherinnen und Forscher des ZI beteiligt. Alle Resultate wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Genetics“ veröffentlicht. Die Studie wurde unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Darüber hinaus waren in Deutschland unter anderem das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, die Universitätsmedizin Greifswald sowie die Universitäten Bonn, Münster und München beteiligt.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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