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13.10.1998 00:00

Dauerfrost im Meeresboden der Arktis?

Dr. Corinna Dahm-Brey Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung

    Erste Ergebnisse der jüngsten Expedition des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung

    Temperaturmessungen am Meeresboden und akustische Profile liefern erste Indizien dafür, daß weite Gebiete des Meeresbodens in der arktischen Laptewsee dauerhaft gefroren sind. Dies ist nur eines der Ergebnisse, die das Forschungsschiff "Polarstern" bei seiner Rückkehr nach Bremerhaven am 15. Oktober 1998 mitbringt. Vier Monate lang erkundeten Wissenschaftler wichtige Schlüsselregionen in der Arktis, die sensible Indikatoren für mögliche Umweltveränderungen in den Nordpolargebieten sind.

    Mit Unterstützung eines der stärksten Eisbrecher der Welt, der russischen "Arktika", gelang es "Polarstern", zum ersten Mal zum Alpharücken vorzudringen. Dieser unterseeische Gebirgszug erhebt sich mehr als 2000 Meter über den Meeresboden der umgebenden Tiefseebecken. Die Region vor der kanadischen Küste gilt als eines der am schwierigsten erreichbaren Seegebiete des Nordpolarmeeres. Auf dem Weg in ihr Zielgebiet gelangten die beiden Schiffe bis auf 150 Kilometer an den Nordpol heran. Am Alpharücken angekommen, erwartete die Wissenschaftler vier bis sechs Meter dickes Eis.
    Trotz seiner gewaltigen Ausdehnung ist der Alpharücken kaum erforscht. Die jüngsten geowissenschaftlichen Daten waren mehr als 20 Jahre alt und deuteten auf einen ozeanischen Ursprung des Systems und ein Alter von 80 bis 120 Millionen Jahren hin. Ziel der Expedition war es, mehr über die Entstehung des Rückens und die Umweltbedingungen des jungen Nordpolarmeeres herauszufinden.

    Die seismischen Untersuchungen haben gezeigt, daß der Alpharücken in weiten Teilen von einer 800 bis 1000 Meter dicken Sedimentschicht bedeckt ist. Sedimentproben lieferten neue Informationen über die Umweltbedingungen im Nordpolarmeer in den letzten zwei bis drei Millionen Jahren. In den kommenden Monaten werden die Wissenschaftler versuchen, anhand einer Basaltprobe eine erste direkte Altersbestimmung des Gesteins vorzunehmen. Auf und im Meeresboden wurden nur eine geringe Zahl von Lebewesen und nur wenige Arten gefunden. Die Wissenschaftler sprechen daher von einer "biologischen Wüste". "Diese Reise war sicherlich eine der schwierigsten Expeditionen der Polar-stern", äußerte der wissenschaftliche Fahrtleiter Dr. Wilfried Jokat. "Ohne die Unterstützung des russischen Eisbrechers "Arktika" hätten wir die schweren Eisbedingungen nicht bewältigen können."

    In der Laptewsee, einer Region, die als "Eisfabrik" des Nordpolarmeeres gilt, arbeiteten das Alfred-Wegener-Institut (AWI) und GEOMAR, Kiel bereits zwischen 1993 bis 1996 eng mit dem Institut für Arktis- und Antarktisforschung (AARI) in St. Petersburg zusammen. Im Mittelpunkt des diesjährigen Projekts stand auch die Erkundung von Dauerfrostböden im Meer. Etwa ein Viertel der Landoberflächen der Erde wird durch Permafrost beeinflußt, der bis in 1500 Meter Tiefe reichen kann und Zeuge langanhaltender sehr kalter Klimaverhältnisse ist. Nun zeigte sich, daß auch weite Teile des Meeresbodens der Laptewsee betroffen sind. Umfangreiche Analysen im AWI sollen klären, inwieweit im gefrorenen Meeresboden das Treibhausgas Methan enthalten ist. Im Boden der Laptewsee wurde eine ungewöhnlich starke Methanbildung durch bisher nicht bekannte, an niedrige Temperaturen angepaßte Bakterien beobachtet. Das Abtauen solcher Böden und das Freiwerden von Methan könnte drastische Umweltveränderungen zur Folge haben. Derartige klimatische und ökologische Auswirkungen werden bisher in keinem Klimamodell berücksichtigt.

    Meereschemiker, Ozeanographen und Biologen konnten in der Laptewsee drei Jahreszeiten quasi gleichzeitig untersuchen: Der Süden, geprägt durch das Flußwasser der Lena, bot Sommerbedingungen, in der zentralen Laptewsee herrschte Frühling, während der winterliche Norden von großen Packeisfeldern bedeckt war. Kaltes Bodenwasser, das im Winter östlich des Lena-Deltas gebildet wird, fließt in submarinen Rinnensystemen in das Norpolarmeer ab. Gleichzeitig fließt auf der Westseite Wasser aus dem Nordpolarmeer in die Laptewsee ein. Bei der Klärung dieses Phänomens sollen die während der Expedition verankerten Bodenmeßstationen LENA und YANA helfen. Bis zu ihrer Bergung im Sommer 1999 registrieren sie stündlich Temperatur, Salzgehalt und Strömungen.

    Das groß angelegte Projekt "System Laptewsee 2000" wird im Rahmen einer Vereinbarung zwischen dem deutschen Bundesministerium für Bildung , Wissenschaft, Forschung und Technologie und dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie der Russischen Föderation durchgeführt. Während der letzten fünf Jahre ist so eine enge wissenschaftliche und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern aus Deutschland und Russland gewachsen.

    Messungen im Europäischen Nordmeer, die während des letzten Fahrtabschnitts durchgeführt wurden, haben gezeigt, daß die Konvektion in der Grönlandsee im letzten Winter nur bis in 700 Meter Tiefe reichte. In den vergangenen Jahren fand demnach in der Grönlandsee keine Erneuerung des Tiefenwassers statt. AWI-Wissenschaftler vermuten, daß längerfristige Veränderungen der atlantischen Tiefdruckgebiete die winterliche Durchmischung der Wassermassen beeinflussen. Auch für den kommenden Winter wird nur ein geringer Wasseraustausch erwartet. Diese Veränderung wirkt sich auch auf das Nordpolarmeer aus. Hier und im Europäischen Nordmeer entsteht gewöhnlich neues Tiefenwasser, das über die Grönland-Schottlandschwelle in den Nordatlantik gelangt. Dort sinkt es ab und speist die Zirkulation des Tiefenwassers im gesamten Weltmeer.

    Die Auswertung von Strömungsdaten soll nach der Rückkehr von "Polarstern" eine genaue Berechnung des Wasseraustauschs zwischen Grönlandsee und Nordpolarmeer ermöglichen. Sechzehn ozeanographische Meßsysteme, die seit dem letzten Jahr im Untersuchungsgebiet verankert waren, wurden jetzt wieder aufgenommen. Die Untersuchungen an Bord leisten einen wichtigen Beitrag zur Klimaforschung und helfen, die Mechanismen des Wärmeaustauschs zwischen Ozean und Atmosphäre zu verstehen. Dieser letzte Abschnitt der Expedition war Teil eines Langzeitprojektes, das in die "Arctic Climate System Study", des "World Climate Research Programm" der UNESCO eingebunden ist und von der Europäischen Union im Rahmen des VEINS Projekts (Variability of Exchanges in the Northern Seas) mitfinanziert wird.

    Die Fahrtleiter der Expedition ARK XIV:
    Dr. Wilfried Jokat (Alpharücken)
    Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
    Dr. Heidemarie Kassens (Laptewsee)
    GEOMAR Forschungszentrum für marine Geowissenschaften, Kiel
    Dr. Eberhard Fahrbach (Europäisches Nordmeer)
    Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung

    Bremerhaven, den 13. Oktober 1998
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Mathematik, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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