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Internationale Dialektologentagung in Göttingen: "Dialektologie zwischen Tradition und Neuansätzen"
(pug) Seit den 70er Jahren wird Dialekt im deutschsprachigen Raum verstärkt in der Öffentlichkeit und in der Literatur verwendet. Nach einer repräsentativen Umfrage vom Dezember 1997 beherrschen 43,5% aller Deutschen einen Dialekt. An einem vom Dialekt beeinflußten Deutsch nehmen 60,6 % der Deutschen keinen Anstoß. Zu den drei sympathischsten Dialekten zählen Bairisch, Schwäbisch und Plattdeutsch; weniger goutiert werden Pfälzisch und Obersächsisch. So wird bewußt eine eigen-sinnige Sprache dem nivellierenden Standard entgegengesetzt und zum Ausdruck regionaler Identität verwendet (z.B. Vortrag Wolfgang Lösch: "Zur Sprachsituation an der ehemaligen thüringischen Grenze zum Westen"). Dadurch wächst dem Dialekt Prestige zu, ohne daß er im Alltag öfter verwendet wird. Die sprachliche Signalisierung regionaler Herkunft ist heute ein gesellschaftlich erwünschter Wert, was der dialektologischen Forschung gänzlich neue Bereiche psychologischer und soziologischer Art eröffnet (Vortrag Evelyn Ziegler: "Wir reden so und nicht so und das bleibt auch so).
Dieser Entwicklung trägt die internationale Dialektologentagung "Dialektologie zwischen Tradition und Neuansätzen" Rechnung, die vom 19. bis zum 21. Oktober in der Leinestadt Göttingen stattfinden wird. Gleichzeitig markiert die Tagung die Gründung der "Internationalen Gesellschaft für die Dialektologie des Deutschen"
Für das Sprachverhalten des einzelnen ist heute charakteristisch, daß er nicht mehr auf eine Sprachform, Dialekt oder Hochsprache, angewiesen ist, sondern in der Lage ist, zwischen den Sprachen und sprachlichen Registern zu wechseln, aber "polyglott" zu sein. Damit werden Fragen der Mehrsprachigkeit auch Fragen der Dialektologie. Die Vitalität des Dialekts unterscheidet sich im deutschsprachigen Raum erheblich: In der Schweiz gebrauchen 70 % nur den (alemannischen) Dialekt, im Bundesland Brandenburg kaum 10 %. Österreich liegt mit knapp 50 % etwa in der Mitte zwischen diesen Werten. Bestimmte Gebiete, wie das Rheinland und das östliche Mitteldeutschland, haben den Dialekt schon durch eine großräumige Umgangssprache ersetzt. (2)
In Norddeutschland erfährt das Niederdeutsche/Plattdeutsche jetzt auch staatlichen Bestandsschutz (durch die Aufnahme in die Charta der europäischen Regional- und Minderheitensprachen). Damit geht auch eine Aufwertung einher, ihr Ausdruck ist z.B. die Übersetzung von Landesverfassungen ins Niederdeutsche (in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern: "Verfassung von de Friee un Hansestadt Hamburg", "Verfatung von dat Land Mäkelborg-Vörpommern").
Internationale Dialektologentagung in Göttingen: "Dialektologie zwischen Tradition und Neuansätzen"
Gründung der "Internationalen Gesellschaft für die Dialektologie des Deutschen"
Vom 19. - 21. Oktober 1998
Aula der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät, Waldweg 26 Göttingen
Montag, 19. Oktober 1998
9.00 - 9.30 Uhr Eröffnung: Prof. Dr. Dieter Stellmacher
Grußworte:
Prof. Dr. Carola Lipp, Vizepräsidentin der Georg-August-Universität
Prof. Dr. Gustav Adolf Lehmann, Dekan der Philosophischen Fakultät
Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Viereck, International Society of Dialectologists and Geolinguists
9.30 - 10.30 Uhr Hauptvortrag Peter Wiesinger, Wien: Die deutsche Dialektologie zwischenTradition und Neuansätzen
10.30 - 13.00 Uhr Joachim Herrgen, Mainz: Dialektgeographie und Dialektwandel, Tendenzen im ausgehenden 20. Jahrhundert
Evelyn Ziegler, Heidelberg: "Wir reden so und nicht so und das bleibt auch so!" Sprachgebrauch und Dialektabbau in einer dialektgeprägten Dreigenerationenfamilie
Karl-Heinz Bausch, Mannheim: Dialektologie und internationale Soziolinguistik (am Beispiel des Sprachwandels im Pfälzischen)
Beat Siebenhaar, Zürich: Variation und Einstellung in einer dialektologischen Labilitätszone
Birte Kellermeier, Duisburg: Dialekt als Sprachbarriere?
Diskussionsleitung: Friedhelm Debus, Kiel
13.00 - 15.00 Uhr Mittag
15.00 - 16.30 Uhr Arlette Bothorell-Witz/Dominique Huck, Straßburg: Die Dialekte im Elsaß zwischen Tradition und Modernität
Wolfgang Lösch, Jena: Zur Sprachsituation an der ehemaligen thüringischen Grenze zum Westen (3)
Ursula Föllner, Magdeburg: Beobachtungen zur Rolle der Vertriebenen beim Wandel im Gebrauch des Ostfälischen nach dem Zweiten Weltkrieg
Diskussionsleitung: Renate Herrmann-Winter, Greifswald
16.30 - 17.00 Uhr Kaffeepause
17.00 - 18.30 Uhr Peter Gilles, Freiburg: Die Konstruktion einer Nationalsprache: Zur Koinédebatte in der luxemburgischen Linguistik
Hubertus Menke, Kiel: Empirische Erhebungen zur multilingualen Sprachsituation im deutsch-dänischen Grenzraum
Anthony Rowley, München: "Mòcheno e Cimbro" - Von Dialekt(en) zu Sprache(n)?
Diskussionsleitung: Reiner Hildebrandt, Marburg
19.30 Uhr Empfang des Oberbürgermeisters im Alten Rathaus am Göttinger Markt
Dienstag, 20. Oktober 1998
9.00 - 10.00 Uhr Hauptvortrag Peter Trudgill, Fribourg: Migration, dialect contact, new-dialect formation and reallocation
10.00 - 11.00 Uhr Peter Auer, Freiburg/Margret Selting, Potsdam: Intonation deutscher Regionalsprachen
Eckhard Eggers, Göttingen: Überlegungen zur Entwicklung der Phonologie aus der Sicht der Allgemeinen und Indogermanischen Sprachwissenschaft und ihre Implikationen für die Dialektologie
Diskussionsleitung: Jan Berns, Amsterdam
11.00 - 11.30 Uhr Kaffeepause
11.30 - 13.00 Uhr Elvira Glaser, Zürich: Erhebungsmethoden dialektaler Syntax
Franz Patocka, Wien: Aspekte der Syntax des Bairischen
Darcy Bruce Berry, Karlsruhe: Deutsche Dialekte in der formalsyntaktischen Forschung
Diskussionsleitung: Werner König, Augsburg
13.00 - 15.00 Uhr Mittag
15.00 - 16.00 Uhr Kurt Rein, München: Die Modernisierung des Dialekts in der Sprachregion München
Alina Florina Toma, Timisoara: Deutsch als soziolinguistische Fallstudie am Beispiel des rumänischen Banats
Diskussionsleitung: Anatoli Domaschnew, St. Petersburg
16.00 - 16.30 Uhr Kaffeepause (4)
16.30 - 19.00 Uhr Gründungsveranstaltung der Internationalen Gesellschaft für die Dialektologie des Deutschen
20.00 Uhr Abendveranstaltung (Mensa am Turm)
Mittwoch, 21. Oktober 1998
9.00 - 10.00 Uhr Helen Christen, Luzern: Chamäleons und Fossilien - Forschungsperspektiven für die konsolidierte schweizerisch-alemannische Dialektologie
10.00 - 11.30 Uhr Heinz-Wilfried Appel, Göttingen: Vom Zettelkasten zur elektronischen Datenbank. Probleme einer synchronen Phonologie niederdeutscher Dialekte und computergestützte Lösungsansätze
Edgar Haimerl, Salzburg: Computergestützte Auswertung von Sprachatlanten: Automatische Taxierung liefert den input für die Dialektologie
Hermann Scheuringer, Wien: Mit den Methoden des 19. Jahrhunderts auf dem Weg ins 21. Jahrhundert? Vorschläge zur Standortbestimmuung in der deutschen Dialektologie.
Diskussionsleitung: Hermann Niebaum, Groningen
12.00 Uhr Abfahrt zur Busexkursion in die Deuregio Ostfalen. Wahrscheinliche Rückkehr in Göttingen: 20.00 Uhr
Ende der Tagung
Programmänderung vorbehalten
Nähere Informationen:
Dr. Heinz-Wilfried Appel
Universität Göttingen
Seminar für Deutsche Philologie
Abteilung für Niederdeutsche Sprache und Literatur
Humboldtallee 13
37073 Göttingen
Telephon: 0551 / 39 75 28
Telefax: 0551 / 39 75 11
URL: http://www.gwdg.de/~happel/ndabt.htm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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