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Wissenschaft
Über Religion zu sprechen, ist schwierig. Wenn man dabei etwas falsch macht, drohen große gesellschaftliche Konflikte. Der koreanische Theologe Prof. Won-Seok Koh untersucht am Evangelischen Institut für berufsorientierte Religionspädagogik der Universität Bonn, woran das liegt und wie man es vermeiden kann. Eine Hilfe sieht er in der „Semiotik“, der Zeichentheorie. Der Wissenschaftler ist Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung.
„Bücher sind aus Zeichen gemacht, die von anderen Zeichen reden, die ihrerseits von den wirklichen Dingen reden. Ohne ein Auge, das sie liest, enthalten sie nur sterile Zeichen, die keine Begriffe hervorbringen, und bleiben stumm.“ So definiert der Schriftsteller Umberto Eco den Kern seiner Wissenschaft, der „Semiotik“ (etwa: Kunde von den Zeichen). Als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat der koreanische Forscher Prof. Dr. Won-Seok Koh mit den Mitteln dieser Disziplin an der Universität Bonn die Sollbruchstellen des religiösen Dialogs untersucht und erarbeitete ein Modell zu ihrer Vermeidung.
Prof. Koh lehrt Theologie an der Presbyterianischen Universität in Seoul. Mit der Semiotik befasst er sich seit 2005, als er bei Prof. Dr. Michael Meyer-Blanck am Bonner Lehrstuhl für Religionspädagogik promovierte. „Ihm stellte sich die Frage: Welcher Ansatz ist der angemessene, um in Korea Bildungsprozesse mit der Bibel richtig zu beschreiben?“, berichtet Prof. Meyer-Blanck. „Daraus entstand die Idee dieses Forschungsaufenthaltes.“
Das Coca-Cola-Logo: ein „triadisches Zeichen“
„Korea ist eine stark zwischen Tradition und Moderne polarisierte Gesellschaft“, erklärt Prof. Koh. Außer dem modernen Säkularismus seien alte asiatische Religionen wie Buddhismus und Konfuzianismus stark vertreten; am stärksten aber sei mit rund 27 Prozent der Bevölkerung das Christentum. „Auf dieser Basis sollte die christliche Religionspädagogik Verantwortung übernehmen.“
Als hilfreichen Ansatz dafür sieht der Forscher die Zeichentheorie des amerikanischen Semiotikers Charles Peirce (1839-1919). Der erklärt, jedes Zeichen habe „triadische Struktur“, bestehe also aus drei Elementen. Sie heißen „Repräsentamen“ (etwa: Zeichenträger, also seine äußere Form), „Objekt“ (das, worauf es konkret hinweist) und „Interpretant“ (der Zusammenhang im Verstehen, ohne den es sinnlos ist). Beispiel: das Coca-Cola-Logo. „Der geschwungene weiße Schriftzug auf rotem Grund ist ein Repräsentamen. Ein schwarzes Getränk ist sein Objekt. Begriffe wie Leidenschaft, Durst, Süßkraft sind Interpretanten, die es in uns erweckt.“
Auch die Aussagen der Religionen seien Zeichen und daher dreiteilig, sagt Prof. Koh. Vereinfacht: Ein biblischer Lehrsatz ist ein „Repräsentamen“. Gott ist das „Objekt“, auf das er verweist. Der gläubige Mensch ist der „Interpretant“. Erst alle drei zusammen sind das „religiöse Zeichen“ – ignoriert man eines der drei, entstehen Probleme im Dialog der Religionen oder in ihrer Vermittlung.
„Fundamentalismus zum Beispiel entsteht, wenn ein heiliger Text vorgeblich direkt das Göttliche repräsentiert – dann fehlt nämlich der Interpretant“, rügt Prof. Koh. „In so einer Denkweise wird er zu einem Störfaktor, der die Autorität der Schrift schädigt.“ Eine „Ausschließung des Repräsentamens“ sei, „wenn man sagt: Religion sei für alle Menschen gleich; die einen sagten »Gott«, die anderen »Buddha«. Wer so etwas sagt, verallgemeinert zu sehr.“ Werde hingegen das „Objekt“ ignoriert, dann entstehe das Missverständnis, es gehe nur um Jongliererei mit unterschiedlichen Begriffen. „Es zählt nicht der Inhalt, sondern nur die Worte“, ergänzt Prof. Meyer-Blanck. „Gott interessiert nicht mehr groß, und man landet bei »Party-Religion«, wo sich jeder aussucht, was ihm gerade passt.“
Gegen Fundamentalismus und Beliebigkeit
Prof. Kohs Anwendung der Peirce’schen Ideen vermeidet diese Probleme. „Wenn man Religion so versteht, dann stellt das Modell drei »Warnlampen« auf, die aufleuchten, wenn man einen der drei Teile des Zeichens ignoriert“, erläutert er. „Sie fragen: »Wo bleibt der Interpretant? Es droht Fundamentalismus.« Oder: »Wo bleibt das Zeichen? Es droht Verallgemeinerung.« Oder: »Wo bleibt das Objekt? Religion spricht nicht über irgendetwas, sondern über religiöse Dinge.«“ Wenn keine dieser „Lampen“ leuchte – dann sei man „im Gespräch über Religion auf dem richtigen Weg.“
Beide Experten betonen, dass es nicht darum geht, die „Wahrheit“ einer Religion festzustellen. „Das geht nur aus dem Glauben heraus“, präzisiert Prof. Meyer-Blanck. Aber: „Das Modell beschreibt die »Rede über Religion«; ihren Ernst und ihre Vermittlungsleistung durch interpretierende Personen. Denn Rede über Religion und religiöse Rede gehen ineinander über.“
Zunächst ist dies alles geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung – es liefert (noch) keine konkreten Anweisungen, wie sich etwa einem konfuzianischen Koreaner das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ nahebringen lässt. Dies aber war auch nicht das Ziel, sagt Prof. Meyer-Blanck. „An der Universität entwickeln wir nicht das Instrument, sondern die Haltung, mit der man es in die Hand nimmt – die Haltung, in der man Traditionen und Personen miteinander ins Gespräch bringen kann.“
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Michael Meyer-Blanck
Bonner evangelisches Institut für
berufsorientierte Religionspädagogik (BIBOR)
Universität Bonn
Tel. 0228/735003
E-Mail: meyer-blanck@uni-bonn.de
Von der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert: Der koreanische Theologe Prof. Dr. Won-Seok Koh ...
© Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Religion
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch
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