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15.10.1998 00:00

Skalpelle aus synthetischem Diamant

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Diamantene Selbständigkeit
    Skalpelle aus synthetischem Diamant machen den Schnitt

    Das zur Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH gehörende Wirtschaftsmagazin DM schreibt einen Existenzgründer-Wettbewerb unter dem Motto »Fit for Boss« aus. Zu den zehn Siegern 1998, die aus mehr als 1000 bundesweiten Einsendungen hervorgingen, gehören Dipl.-Ing. Peter Gluche (Abteilung Elektronische Bauelemente und Schaltungen der Universität Ulm) und der Ulmer Physiker André Flöter (Mitarbeiter der Daimler-Benz AG). Gluche und Flöter gründen eine Firma unter dem Namen GFD, Gesellschaft für Diamantprodukte mbH. Das Unternehmensziel wird mit der Entwicklung und Herstellung von Diamantprodukten für die Medizintechnik benannt und konkretisiert sich zum Unternehmensstart in Diamantskalpellen.

    Diamantskalpelle sind chirurgisch begehrte, aber - derzeit noch - teure Instrumente, da sie aus natürlichen Diamanten hergestellt werden. Zu den hochgeschätzten Vorzügen des Diamantskalpells gehören seine außergewöhnliche Schärfe, seine Verschleißfestigkeit und Stabilität. Dank der extremen Schärfe lassen sich hochgradig saubere und präzise Schnitte setzen, wie sie auch mit dem feinstgeschliffenen Stahlmesser nicht möglich sind. Glatte Schnitte aber sind Voraussetzung zum Beispiel für eine narbenfreie Verheilung. Darüber hinaus ermöglichen Diamantskalpelle ein nahezu kraftfreies Schneiden. So werden Diamantskalpelle also besonders gern in der Augen-, in der Neuro- und in der plastischen Chirurgie verwendet.

    Die Idee der Firmengründer Gluche und Flöter besteht nun darin, die Diamantskalpelle einerseits billiger herzustellen, indem sie statt natürlicher Einkristalle künstlich hergestellten, auf Siliziumwafern abgeschiedenen Diamant verwenden, und andererseits die damit zugleich gegebenen Möglichkeiten zur Gestaltung beliebiger Klingenformen und Klingenlängen zu nutzen. Prodiamond - Precision wird ihr erstes Produkt heißen. Es handelt sich dabei um einen plasmapolierten Diamant mit ultradünner Klinge (0,5 mm bis 0,1 mm) beliebiger, vom jeweiligen Einsatzzweck bestimmter Form.

    Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der von Prof. Dr. Erhard Kohn geleiteten Abteilung Elektronische Bauelemente und Schaltungen der Universität Ulm hat Gluche die Entwicklung von Mikrosensoren auf der Basis synthetisch hergestellten Diamants maßgeblich vorangetrieben; sie bilden auch das Thema seiner Dissertation. Flöter, der über die Diamantschichtsynthese in der Abteilung Festkörperphysik (Leitung Prof. Dr. Paul Ziemann) der Universität Ulm promoviert, entwickelte im Daimler-Benz-Forschungszentrum Ulm ein neuartiges Plasma-CVD-Verfahren, das zur Abscheidung extrem glatter Diamantschichten führt. CVD steht für Chemical Vapor Deposition, die Abscheidung des zum künstlichen Diamanten führenden Kohlenstoffs aus der Gasphase. Gluche und Flöter sind also mit dem Material intim vertraut und haben an seiner Präparation für neue elektronische Einsatzmöglichkeiten namhaften Anteil.

    Der künstliche Diament ist nicht nur billiger (unter anderem auch deswegen, weil er auf einem Siliziumträger sitzt, so daß das Skalpell nicht wie im Fall des natürlichen Materials insgesamt aus Diamant bestehen muß), sondern ist dem letzteren auch qualitativ überlegen. So wird die Kantenschärfe noch einmal wesentlich verbessert, da die Klinge nicht mechanisch poliert werden muß; auch lassen sich in dem synthetischen Wachstumsverfahren beliebige Größen und Skalpellformen wählen. Da keine manuelle Fertigung vorliegt, bleibt die Qualität konstant. Die Klingenlänge kann zwischen 1 mm und 2 cm variieren. Extrem flache Klingen und solche mit definierter Schnitt-Tiefe sind möglich. In die Gluche/Flöter-Klinge können elektronische Komponenten integriert, das Skalpell mithin - künftig - auch beheizt werden. Da Diamant nichtmagnetisch ist, läßt sich das Diamantskalpell zum Beispiel in Verbindung mit der bildgebenden Kernspintomographie einsetzen. Ein ganz besonderes Interesse hat es deshalb für die minimalinvasive Chirurgie. Das gilt schon für die gegenwärtige, mittels endoskopischer Instrumente durchgeführte, und insbesondere dann für die minimalinvasive Chirurgie der nächsten Generation, die, Katheter-gestützt, nach Ansicht der Experten in wenigen Jahren von der Bildgebungsseite her einsatzreif sein wird. In dem synthetischen Diamantskalpell von Gluche und Flöter könnte sie den idealen, möglicherweise den vorerst einzig denkbaren Partner finden.

    Prototypen des neuen Diamantskalpells haben sich in klinischen Tests bereits bewährt. Die zum Schutz des Produkts und des Herstellungsverfahrens notwendigen Patente wurden durch die Firmengründer angemeldet. Der Investitionsbedarf des Unternehmens ist allerdings hoch, er liegt bei mehreren Millionen Mark. Es war deshalb eine Mischfinanzierung aus Eigenkapital, Risikokapital, öffentlichen Beteiligungen und Zuschüssen zu konzipieren. Daß die Firma GFD, Gesellschaft für Diamantprodukte mbH, nun Ende November gegründet werden kann, ist nicht zuletzt der Daimler-Benz Venture GmbH zu danken, die als sogenannter Leadinvestor den Hauptanteil des Risikokapitals bereitstellt. Die Universität Ulm unterstützt die Ausgründung durch die Nutzungserlaubnis für technisches Gerät. Am 15. Oktober 1998 empfangen Flöter und Gluche aus der Hand des sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Kurt Biedenkopf den Preis des Existenzgründer-Wettbewerbs »Fit for Boss«. Er besteht in einer Büroeinrichtung im Wert von DM 50.000.--.

    Kontakt: Dipl.-Ing. Peter Gluche, Abt. Elektronische Bauelemente und Schaltungen der Universität Ulm, Tel. 0731-50-26151


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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