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Online-only? Eine Fallstudie zeigt am Beispiel des britischen Independent, dessen Printausgabe eingestellt wurde, dass Leserinnen und Leser sich nur noch ein paar Minuten Zeit nehmen, die Digitalausgabe zu lesen – pro Monat.
Die britische Tageszeitung Independent verliert massiv an Aufmerksamkeit bei ihren Leserinnen und Lesern, seit sie 2016 ihre Print-Ausgabe eingestellt hat und nur noch online erscheint. Das zeigt eine Studie von Professor Neil Thurman vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU, die aktuell im Fachblatt Digital Journalism veröffentlicht ist. Demnach hat die Zeit, die Leserinnen und Leser mit dem Independent verbringen, dramatisch abgenommen. Seit es den Independent nur noch online gibt, ist die Zeit, die britische Leser mit der Marke verbringen, insgesamt um 70 Prozent gesunken. „Leserinnen und Leser verhalten sich online anders. Mehr als die Hälfte der Print-Leser griff fast täglich zum Independent. Die Online-Leserinnen und -Leser steuern die digitale Ausgabe dagegen im Schnitt nur noch zwei Mal monatlich an“, sagt Neil Thurman. Und während die Printleser durchschnittlich zwischen 37 Minuten (wochentags) und 50 Minuten (am Wochenende) pro Ausgabe investierten, beschäftigen sich die britischen Leserinnen und Leser online nur noch 5,7 Minuten mit dem Independent – pro Monat.
Die Studie zeigt auch, dass im Jahr nach dem Print-Stopp 2016 die Zahl der britischen Leserinnen und Leser insgesamt um etwa ein Prozent abgenommen hat – die anderen zwölf britischen Tageszeitungen mit nationaler Verbreitung, die weiterhin auch print erscheinen, konnten ihre Leserzahlen im selben Zeitraum dagegen um durchschnittlich 25 Prozent steigern.
Immerhin ist im Ausland die Zahl der Online-Leserinnen und -leser seither gewachsen, insbesondere in den USA. Auch die durch die Einstellung der Druckausgabe erhofften Einsparungen haben sich realisiert: Der Verlag machte im letzten Geschäftsjahr einen Profit von 2,81 Millionen Euro nach Steuern. Angesichts aktueller Überlegungen von Medienmanagern wie Karl-Heinz Ruch von der taz, Print-Ausgaben einzustellen, sagt Thurman jedoch: “Unsere Fallstudie zeigt, dass der Independent bei seinen Lesern deutlich an Aufmerksamkeit verloren hat, seit es ihn nur noch online gibt. Ich glaube daher nicht, dass das Zeitalter der gedruckten Zeitungen zu Ende ist.”
Die Studie basiert auf Daten des National Readership Survey, der den britischen Medienmarkt untersucht, des Audit Bureau of Circulations der britischen Medienindustrie, das ebenfalls Leserzahlen erhebt, sowie auf Daten des Internet-Marketingforschungsinstituts comScore.
Publikation:
Neil Thurman and Richard Fletcher (2018) “Are Newspapers Heading Towards Post-Print Obscurity? A Case Study of The Independent’s Transition to Online-only.” In: Digital Journalism 2018. https://doi.org/10.1080/21670811.2018.1504625
Kontakt
Prof. Dr. Neil Thurman
Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU
Tel.: +49 (0) 89/2180- 9449
E-Mail: neil.thurman@ifkw.lmu.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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