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27.09.2018 10:52

Zahl der Geißeln entscheidend für Art der Schwimmbewegungen von Bakterien

Thorsten Mohr Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

Bakterien in feuchter Umgebung bewegen sich mit Schwimmbewegungen fort, die sie mit Flagellen bewältigen, fadenförmigen Gebilden ähnlich den Tentakeln von Quallen. Doch wie wirkt sich die Zahl der Flagellen auf die Art der Fortbewegung aus? Wie viele Flagellen sind ideal zur Fortbewegung? Diesen Fragen gingen Physiker der Saar-Uni um Professor Christian Wagner nach. Die Erkenntnisse ihrer Studie, die gemeinsam mit Biotechnologen der Universität Marburg entstanden ist, haben die Physiker in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science Advances veröffentlicht.

Viel hilft viel: Diese Lebensweisheit würde ein Bakterium – wenn es denn könnte – mit der philosophischen Antwort „Kommt drauf an“ kontern. Denn Bakterien wie das Bacillus subtilis schwimmen in feuchten Milieus mithilfe von Flagellen als Antrieb. Und je nach Anzahl dieser geißelartigen Fäden, die an die Tentakel von Quallen erinnern, können sie entweder größere Entfernungen zurücklegen, dafür aber weniger genau die Umgebung absuchen, oder aber sie decken eine Fläche in unmittelbarer Umgebung sehr genau ab, deren Radius dann allerdings sehr klein ist.

Diese Erkenntnisse haben Physiker um Christian Wagner, Professor für Experimentalphysik an der Universität des Saarlandes, gemeinsam mit Biotechnologen der Universität Marburg gewonnen. Sie haben drei Stämme des Bacillus subtilis genauer untersucht, die 10, 25 und 40 Flagellen haben. Javad Najafi, Doktorand bei Professor Wagner, hat die Messungen durchgeführt, der theoretische Physiker Reza Shabani hat im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1027 der Saar-Uni ein Modell entwickelt, das die Bewegungen der Bakterien beschreibt.

Dabei haben sie herausgefunden, dass die Bakterien mit weniger Flagellen auf der Suche nach Nahrung zwar weitere Strecken zurücklegen konnten, aber dafür weniger akribisch die dazwischenliegende Fläche abgesucht haben. Die Bakterien mit vielen Flagellen sind zwar nicht so weit gekommen, ihr Bewegungsradius war deutlich kleiner. Dafür haben sie die Fläche innerhalb dieses kleineren Radius sehr gründlich abgesucht.

Die Bakterien bündeln ihre Flagellen zum Schwimmen wie zu einer Art Schiffsschraube mit mehr oder weniger vielen Schraubenblättern, je nach Anzahl der Flagellen. „Nach kurzer Zeit jedoch ‚entbündeln‘ sich die Flagellen wieder, um in einen kurzzeitigen chaotischen Zustand zu verfallen, bevor sie sich wieder zu Bündeln zusammenfinden, um weiterzuschwimmen“, erklärt Christian Wagner. Während dieser chaotischen Phase taumeln die Bakterien dann umher, um anschließend in eine neue Richtung zu schwimmen. Unabhängig von diesen Richtungswechseln beobachten die Physiker: „Je mehr Flagellen, desto ‚kurviger‘ schwimmen die Bakterien“, so Christian Wagner.

Das führt letztendlich zu dem beobachteten Effekt, dass die Bakterien, wie erwähnt, entweder schneller weiter weg kommen oder besonders gründlich die Umgebung absuchen können. Und je nach Zielstellung kann es für die Bakterien von Vorteil sein, das eine oder das andere zu tun. „Das ist vergleichbar mit verschiedenen Suchstrategien. Wenn man blind einen mehrere Kilometer entfernten Hügel in einer Landschaft sucht, ist es nicht nötig, im Zickzack umherzulaufen und dabei möglichst viel Fläche abzusuchen. Suche ich aber die Brille, die mir im Bad heruntergefallen ist, ist es sinnvoll, den Boden des Badezimmers gründlich danach abzusuchen“, vergleicht Christian Wagner.

Die Erkenntnisse der Physiker sorgen für ein tieferes Verständnis von der Funktionsweise von Bewegungen im Mikrokosmos. Die Regeln der Fortbewegungsarten auf kleinen Skalen unterscheiden sich fundamental von den Regeln, denen unsere Fortbewegung folgt. „Für Bakterien ist Schwimmen im Wasser zum Beispiel in etwa so, als schwämmen wir in flüssigem Honig“, verdeutlicht Christian Wagner einen signifikanten Unterschied. Die Forscher hoffen, dass die Arbeit Grundlage für weitere Forschungen auf diesem Gebiet sein kann.

Den vollständigen Artikel (DOI: 10.1126/sciadv.aar6425) finden Sie hier: http://advances.sciencemag.org/content/4/9/eaar6425.
Eine Abbildung finden Sie unter www.uni-saarland.de/pressefotos. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Christian Wagner
Tel.: (0681) 3023003
E-Mail: c.wagner@mx.uni-saarland.de


Originalpublikation:

http://advances.sciencemag.org/content/4/9/eaar6425


Bilder

Ergänzung vom 28.09.2018

Im Namen eines der beteiligten Autoren hat sich ein Fehler eingeschlichen: Der im Text erwähnte Physiker "Reza Shabani" heißt korrekt Reza Shaebani. Wir bitten, diese Schreibweise zu verwenden.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Physik / Astronomie
regional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

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