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Wissenschaft
Wann ist ein Mensch hirntot? Wer entscheidet das? Wie läuft eine Organentnahme und -transplantation ab? Was steckte hinter dem „Organspende-Skandal“? Solche und viele andere Fragen werden beantwortet, wenn im Rahmen eines Schulprojekts Teenager in einem Hörsaal der LMU München sitzen und von Priv.-Doz. Dr. Helmut Arbogast aus erster Hand den Verlauf von Organspenden und Transplantationen erklärt bekommen. Denn Information tut not. Mehr als 10.000 Patienten auf Wartelisten stehen lediglich gut 3.000 gespendete Organe* gegenüber. Aber wie soll man eine Entscheidung über etwas treffen, worüber man nichts weiß?
Diverse Kampagnen, Plakate, Straßenaktionen und Druckerzeugnisse konnten in der Zeit seit Verabschiedung des Transplantationsgesetzes vor mehr als 20 Jahren nicht verhindern, dass die Anzahl gespendeter Organe heute rückläufig ist und der Bedarf bei Weitem nicht gedeckt werden kann. Es ist weniger die mangelnde Spendebereitschaft; vielmehr herrscht in Deutschland nach wie vor ein enormes Informations- und Aufklärungsdefizit.
In Bayern hatten Dr. Hans Neft vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und PD Dr. Helmut Arbogast, Leiter der Chirurgischen Poliklinik A der Universität München, bereits vor 17 Jahren erkannt, dass man eine andere Strategie braucht: Junge Menschen für das Thema Organspende im direkten Kontakt sensibilisieren, ihre Fragen „Face to Face“ beantworten. Nicht mit allgemeinen Appellen oder erst in der Akutsituation über die Notwendigkeit und den Sinn von Organspende sprechen, sondern als selbstverständliches Thema in die „Fragen des Lebens“, mit denen sich Teenager an der Schwelle zum Erwachsenwerden beschäftigen, einbeziehen. Und wie könnte das besser gelingen, als mit dem Angebot, ganze Schulklassen zu Informations-veranstaltungen einzuladen, um mit den Schülern ins Gespräch zu kommen. Nach dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ riefen sie 2001 das Projekt ins Leben. Mittlerweile beteiligt sich auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und es hat bereits mehr als 10.000 bayerische Schüler in 150 Veranstaltungen erreicht.
Eingeladen sind an durchschnittlich neun Terminen im Jahr 15- und 16-jährige Jugendliche. Die meisten von ihnen waren vermutlich noch nie mit der Frage konfrontiert, wie es ihnen ginge, wenn sie wegen einer Erkrankung oder eines Unfalls ein Spenderorgan benötigten, und wie sie sich verhalten würden, wenn sie nach einer Organspende gefragt würden oder eine Entscheidung für einen Angehörigen mit treffen müssten.
Genau das geschieht jedoch tagtäglich in Krankenhäusern auf Intensivstationen. Bei einem Patienten wird der Hirntod festgestellt, seine Organe könnten jedoch vielleicht einem anderen Menschen das Leben retten. Es wurde in der Familie nie darüber gesprochen, er kann sich jedoch selbst nicht mehr äußern, es gibt keinen Organspenderausweis und keine Patientenverfügung. Für die Angehörigen, die sich in emotionalem Ausnahmezustand befinden, viel zu spät, sich dem Thema zu nähern.
Um in Ruhe darüber nachzudenken, darf man nicht unter Druck stehen. Man braucht Wissen, die Vermittlung von Erfahrungen, Gespräche mit Gleichaltrigen, im besten Fall auch mit Betroffenen (Organspendern oder -empfängern). Alle diese Möglichkeiten bietet das Schulprojekt. Dr. Arbogast informiert über das Klinikum, die Historie sowie Aktivitäten und Erfolge in der Transplantationsmedizin. Sehr wichtig sind ihm die interaktive Diskussion und ehrliche Aufklärung. „Wir sprechen den Vertrauensverlust durch den Organspende-Skandal von 2012 direkt an“, sagt Arbogast. Außerdem geht es um rechtliche, ethische und logistische Fragen. Besonders interessiert zeigen sich die Schüler, seit 2005 Thomas Fischer, ein dreifach mit Herz-, Niere- und Pankreas-transplantierter Patient, interaktiv an den Veranstaltungen teilnimmt. In die Präsentationen eingebundene Patientengeschichten bauen die Brücke ins Alltagsleben: U. a. erzählen auch Peter Kreilkamp und Emeran Neuhäuser über ihre Erfahrungen. Herr Kreilkamp ist Dialysepatient, nierentransplantiert und Vertreter von Transdia, einer Vereinigung, die anhand sportlicher Leistungen Organtransplantierter zeigt, was eine Organspende bewirken kann. Emeran Neuhäuser findet schnell „einen emotionalen Draht“ zu den Schülern, ihm wurde mit 17 Jahren ein Herz transplantiert.
In einem der Beschlüsse der jüngsten Gesundheitsministerkonferenz, die im Juni 2018 stattfand, bitten die Bundesländer das Bundesministerium für Gesundheit, „weitere Maßnahmen zu ergreifen, die die Akzeptanz der Organspende und die Organspendebereitschaft in der Bevölkerung erhöhen. Eine Maßnahme könnte eine konzertierte Öffentlichkeitsaktion zur weiteren Aufklärung der Bevölkerung sein.“ Wie war das noch mit den allgemeinen Appellen? Die Deutsche Transplantationsgesellschaft glaubt, das bayerische Schulprojekt sollte stattdessen lieber „Schule machen“.
Terminhinweis
27. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft
Plenarsitzung I: wie können wir die Organspende voranbringen?
Freitag, 9. November 2018, 10:15–11:45 Uhr
Schulen in die Transplantationszentren – Organspende und Transplantation im Brennpunkt zwischen Medizin, Ethik und Recht
H. Arbogast (München), T. Fischer (Bad Tölz)
*Laut Angaben der DSO wurden im Jahr 2017 in den deutschen Transplantationszentren insgesamt 3.385 Organe transplantiert.
Kontakt/ Pressestelle DTG-Kongress 2018
albersconcept
Dr. Bettina Albers
Jakobstraße 38
99423 Weimar
albers@albersconcept.de
Tel.: 03643/ 776423
Mobile: 0174/ 2165629
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Deutsch
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