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Wissenschaft
Empirische Studie vergleicht vertonte und unvertonte Gedichte mit überraschendem Ergebnis
Forschungen zu Ähnlichkeiten von Musik und Sprache haben vielfach musikalische Metren mit dem Rhythmus natürlicher und poetisch metrisierter Sprache verglichen, nicht aber nach einem genuinen Gegenstück zu musikalischer Melodie in der Sprache von Gedichten gesucht. Linguistische Forschung zu melodischen Konturen in natürlicher Sprache ist außerdem sehr auf einzelne syntaktische Phrasen und Sprechakte beschränkt (z.B. die am Schluss ansteigende Intonation einer Frage). Unsere Studie zu poetischer Sprachmelodie geht als erste über diese Beschränkungen hinaus. Wir analysierten Rezitationen ganzer Gedichte durch mehrere Sprecher/innen auf potentiell konvergente Konturen von Tonhöhe- und Tondauer-Verläufen, die inhärente Eigenschaften der Texte selbst sein könnten.
Die Resultate zeigen, dass die Strophen einzelner Gedichte über viele Einsprechungen hinweg in der Tat distinkte sich wiederholende Konturen von Tonhöhe- und Tondauerwerten zeigen, ganz ähnlich wie gesungene Lieder und andere musikalische Stücke. Mehr noch: Je höher der Gedicht-spezifische Autokorrelationswert für die melodische Ähnlichkeit der Tonhöhe- und Tondauerwerte über die einzelnen Strophen hinweg ist, desto höher waren auch die Bewertungen für subjektiv wahrgenommene Melodizität, die Studienteilnehmer spontan abgaben. Ein Vergleich von Gedichten, die vertont worden, mit solchen, die unvertont geblieben sind, ergab zusätzliche unabhängige Evidenz für unser Konstrukt einer genuinen poetischen Sprachmelodie: Komponisten haben vorzugsweise Gedichte vertont, die auf unserem statischen Melodiemaß hohe Werte erzielen.
Die sich wiederholenden Tonhöhe- und Tondauerkonturen poetischer Sprachmelodien sind weder an Wiederholungen bestimmter Muster syntaktischer Prosodie gebunden noch auf einzelne Sprecher beschränkt. Sie haben vielmehr eine inhärente musikalische Gestaltqualität, die sich aus der kunstvollen Selektion und Kombination von Worten in Form poetischer Strophen ergibt. Diese Entdeckung hat großes Potential für ein vertieftes Verständnis der Ähnlichkeiten von Musik und Sprache.
Prof. Dr. Winfried Menninghaus
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
Direktor der Abteilung Sprache und Literatur
Grüneburgweg 14, 60322 Frankfurt am Main
Tel. 069 8300479-101
E-Mail: martina.wuelfert@ae.mpg.de
Menninghaus, W., Wagner, V., Knoop, C. A., & Scharinger, M. (2018). Poetic Speech Melody: A Crucial Link Between Music and Language. PLoS ONE 13(11): e0205980. doi: 10.1371/ journal.pone.0205980
Poetische Sprachmelodie: Ein entscheidendes Bindeglied zwischen Musik und Sprache
F. Bernoully
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Sprache / Literatur
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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