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16.10.1998 00:00

Wie kommt das Eisen in die Zelle? Struktur des Transferrin-Rezeptors aufgeklärt

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    Eisen ist für Aufbau und Leben jeder Zelle des Körpers unentbehrlich. Die roten Blutkörperchen beispielsweise könnten ohne Eisen keinen Sauerstoff binden, der
    Organismus würde ersticken. Andererseits sind freie Eisenmoleküle im Blut giftig und bilden obendrein hervorragende Nahrung für Bakterien, Pilze und Parasiten. Der Körper hilft sich,indem er das Eisen an ein Transportprotein im Blut, das Transferrin, bindet und damit für die Mikroorganismen unzugänglich macht. Die Zellen können dagegen an Transferrin gebundenes Eisen über Bindungsstellen in ihrer Oberfläche (Transferrin-Rezeptoren)
    aufnehmen. Nach dem Transport in das Innere der Zellen, werden die Eisenmoleküle entweder sogleich verwendet oder unschädlich verpackt. Den Keimen im Blut werden also
    die Wachstumschancen genommen, gleichzeitig erhalten die Körperzellen das lebensnotwendige Eisen in unschädlicher Form. Der entscheidende Vermittler dieser Aktionen, der Transferrin-Rezeptor, beschäftigt die Grundlagenwissenschaftler seit über 10 Jahren. Mehrere tausend wissenschaftliche Arbeiten sind veröffentlicht worden, ohne daß es geglückt wäre, seine molekulare Struktur
    zu entschlüsseln. Am weitesten vorangekommen schien Steven Harrison von der amerikanischen Harvard Universität, dem es nach vielen Jahren Arbeit gelang, einen Teil des Rezeptors, nämlich das Fragment, das aus der Zellmembran nach außen ragt, zu kristallisieren und dessen Struktur zu entschlüsseln. Noch vor dem Abschluß dieser Arbeit
    aus Harvard konnte eine kleine Gruppe junger Forscher von der Charité, der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität, die räumliche Struktur des gesamten Rezeptors aufklären. Die Erkenntnisse der Gruppe um Reinhard Geßner am "Institut für Laboratoriumsmedizin und Pathobiochemie" sind deshalb am 15. Oktober in dem sehr
    renommierten Fachblatt "Structure" erschienen.
    Die dreidimensionale Gestalt des Rezeptors haben die Forscher durch hochauflösende elektronenmikroskopische Analysen erkannt, die sie zum Teil am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin und zum Teil im Biozentrum Basel durchgeführt haben.Der Rezeptor besteht aus zwei gleichen Proteinmolekülen, die wie zwei Hände aus der
    Zellmembran herausragen. Die Hände, deren Aufgabe die Erkennung und Bindung von je einem eisenbeladenen Transferrinmolekül ist, sind über zwei relativ lange und sehr dünne Arme mit der Zellmembran verbunden. Vermutlich dienen die Arme dazu, die Hände in einem vorgegebenen Abstand von der Zelloberfläche zu halten und deren Beweglichkeit und damit die Chance zum Ergreifen eines Transferrinmoleküls zu erhöhen.
    Wieviel Eisen sie braucht, steuert die Zelle selbst. Steigt ihr Bedarf, so vermehrt sie die Anzahl der Transferrin-Rezeptoren. Sinkt ihr Bedarf, so hat die Natur zwei Wege der Anpassung gefunden: Bei einigen Säugetieren werden ganze Gruppen von Rezeptoren gemeinsam mit einem kleinen Stück der Zellmembran von der Zelle abgestoßen. Beim
    Menschen werden überzählige Rezeptoren offensichtlich einfach von der Oberfläche abrasiert, denn man findet die freien "Hände" mit einem Teil des Arms in größeren Mengen
    im Blut. Unter bestimmten Bedingungen formieren sich die Transferrin-Rezeptoren zu rosetten-ähnlichen Gebilden, die aus jeweils 9 Rezeptoren bestehen. Diese Rosetten waren
    es auch, die den Forschern an der Charité bei ihrer ersten elektronenmikroskopischen Untersuchung in die Augen sprangen und letztlich den Schlüssel zur Aufklärung der dreidimensionalen Struktur lieferten.
    Die Struktur des Transferrin-Rezeptors ist für Geßner und seine Mitarbeiter auch ein erster Schritt zur therapeutischen Nutzung dieses gut funktionierenden zellulären Aufnahmesystems. Denn durch Bindung an Transferrin lassen sich auch andere Moleküle in die Zelle hineinschmuggeln. Die Forschergruppe will bestimmte RNA-Moleküle, sogenannte Antisense-RNA, in Zellen einbringen, um dort einzelne, krankheitsverursachende Gene zu blockieren. Da gerade Krebszellen (wegen ihres schnellen Wachstums) über ein dichtes Netz von Transferrin-Rezeptoren verfügen, ist mit diesem Verfahren eine neue Form von
    Gentherapie für Krebs denkbar.
    In Kooperation mit dem Institut für Biotechnologie der Technischen Universität Berlin und der Berliner Biotechnologie-Firma JERINI-Biotools hat Geßners Gruppe im Rahmen des kürzlich in der Hauptstadt gegründeten "RNA-Netzwerkes" bereits begonnen, das beschriebene
    Verfahren weiter zu entwickeln.

    Silvia Schattenfroh
    ____________________________________________________________

    Charité
    Medizinische Fakultät der
    Humboldt Universität zu Berlin

    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Dr. med. Silvia Schattenfroh
    Schumannstraße 20/21
    10117 Berlin

    FON: (030) 2802-2223
    FAX: (030) 2802-3625
    e-mail: silvia.schattenfroh@charite.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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