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Wissenschaft
TWINCORE-Forscher entschlüsseln, wie der Transport von Antigenfragmenten auf die Oberfläche von Immunzellen des Menschen reguliert wird
Dendritische Zellen sind die Wächter unserer Immunabwehr. Sie lauern fremden Eindringlingen auf, schlucken sie, zerlegen sie in Bruchstücke und präsentieren die Bruchstücke auf der Zelloberfläche. Durch den Kontakt von spezialisierten weißen Blutkörperchen, den T-Zellen, mit den dendritischen Zellen und ihrer Ladung aus Bruchstücken von Erregern werden die T-Zellen aktiviert, sodass sie infizierte Zellen letztendlich zerstören können. Wissenschaftler vom TWINCORE, einer gemeinsamen Einrichtung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), konnten jetzt aufdecken, wie die Aufnahme von Antigenen und die Präsentation von Antigenfragmenten auf dendritischen Zellen des Menschen zeitlich und räumlich reguliert werden. Die Erkenntnisse legen die Basis für die Entwicklung verbesserter Impfstoffe. Die Studie ist gerade im Fachjournal Blood Advances erschienen.
Das Immunsystem ist ein hocheffizientes Überwachungssystem, das sofort eingreift, wenn irgendwo im Körper eine Zelle signalisiert, dass sie infiziert ist. Ein Schlüsselmechanismus der Immunabwehr beruht darauf, dass Körperzellen spezielle Rezeptoren auf ihrer Oberfläche tragen, die fremde Proteinfragmente präsentieren können. Erscheint ein Fremdprotein auf der Zelloberfläche in den sogenannten human leukocyte antigen (HLA)-Strukturen, sorgen spezielle T-Zellen (weiße Blutkörperchen) dafür, dass die Zelle beseitigt wird.
Bevor die T-Zellen jedoch ihre Überwachungsaufgabe im Körper wahrnehmen können, müssen sie in den Lymphknoten zunächst antigenspezifisch aktiviert werden. Diese Aufgabe übernehmen spezielle Immunzellen, zum Beispiel dendritische Zellen, die auf ihrer Oberfläche Antigene präsentieren können. Dendritische Zellen sind im menschlichen Körper relativ selten. Daher wussten die Forscher bislang wenig über die Aufnahme und Weiterverarbeitung von Antigenen und die Präsentation von Antigenfragmenten auf dendritischen Zellen des Menschen. Die meisten bisherigen Erkenntnisse stammen aus Experimenten mit Mäusen und Zelllinien.
Marius Döring, Hanna Blees und Nicole Koller aus den Teams von Prof. Ulrich Kalinke am TWINCORE und Prof. Robert Tampé vom Institut für Biochemie der Goethe Universität Frankfurt arbeiteten mehrere Jahre lang eng zusammen, um besser zu verstehen, wie und wann dendritische Zellen des Menschen ihre Antigene präsentieren. „Genau dieser Mechanismus stellt die Basis für die Entwicklung neuer und verbesserter Impfstoffe dar“, sagt Ulrich Kalinke vom TWINCORE. „Bei der Arbeit mit dendritischen Zellen des Menschen versagen viele Standardmethoden, da diese Zellen nicht in ausreichender Anzahl isoliert werden können. Daher mussten wir einige Methoden erst weiter entwickeln.“
Die Forscher stellten sich die Frage, wie es möglich ist, dass am Ort der Infektion Erregerkomponenten aufgenommen werden, die kritischen Proteinfragmente aber erst später im Lymphknoten den T-Zellen präsentiert werden. Aus Experimenten mit Mauszellen war bisher bekannt, dass das Beladen der HLA-Rezeptorstrukturen mit Proteinfragmenten von einem Transportmolekül namens TAP (transporter associated with antigen processing) abhängig ist. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass bei der Entwicklung von Vorläuferzellen in dendritische Immunzellen die Menge an TAP-Molekülen zunimmt, wohingegen die Transportfunktion abnimmt. „Die verringerte Funktion des TAP-Transporters wirkt sich auch positiv auf die Interaktion zwischen den dendritischen Zellen und den T-Zellen aus“, sagt Nicole Koller, Wissenschaftlerin am TWINCORE und an der Goethe Universität. Interessanterweise präsentieren die fertigen dendritischen Zellen Antigene viel besser als die Vorläuferzellen und sind damit auch die effektiveren T-Zell-Aktivatoren.
„Darüber hinaus konnten wir den widersprüchlichen Befund, dass mehr TAP-Moleküle mit geringerer Aktivität gefunden wurden, auflösen. Die Ursache ist eine Umverteilung von TAP in der Zelle während der Differenzierung der dendritischen Zellen“, sagt Marius Döring, TWINCORE-Wissenschaftler im Team von Ulrich Kalinke und jetzt am Curie Institut in Paris. In den Vorläuferzellen fand sich TAP hauptsächlich im endosomalen Kompartiment, später wurde es während der Differenzierung zu dendritischen Zellen in das endoplasmatische Retikulum und die Lysosomen verlagert. „Auf diese Weise sind durch die Umprogrammierung der Vorläuferzellen in dendritische Zellen auch die Aufnahme von Fremdkomponenten, deren Zerkleinerung in Fragmente und die Präsentation der Fragmente zeitlich und räumlich voneinander getrennt“, ergänzt Hanna Blees, Wissenschaftlerin im Team von Robert Tampé und jetzt am Francis Crick Institute in London.
Diese Forschungsarbeit stelle sicher nur einen ersten Schritt dar, um die Funktion von dendritischen Zellen des Menschen besser zu verstehen, ordnet Ulrich Kalinke ein. „Gleichwohl ist diese Studie ein wichtiger Durchbruch, um verbesserte Impfstoffe zu entwickeln.“
Originalpublikation:
Marius Döring, Hanna Blees, Nicole Koller, Sabine Tischer-Zimmermann, Mathias Müsken, Frederik Henrich, Jennifer Becker, Elena Grabski, Junxi Wang, Hans Janssen, Werner Zuschratter, Jacques Neefjes, Frank Klawonn, Britta Eiz-Vesper, Robert Tampé, Ulrich Kalinke: Modulation of TAP-dependent antigen compartmentalization during human monocyte-to-DC differentiation. Blood Advances 2019; doi: 10.1182/bloodadvances.2018027268
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TWINCORE – Zentrum für experimentelle und klinische Infektionsforschung:
Das TWINCORE ist ein im Jahr 2008 gemeinsam vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gegründetes und seitdem gemeinsam betriebenes Forschungszentrum, in dem Mediziner und Naturwissenschaftler eng zusammenarbeiten. Der Schwerpunkt der Arbeit am TWINCORE in Hannover liegt auf der sogenannten Translation: Ergebnisse aus der Grundlagenforschung sollen effizienter und schneller in die medizinische Praxis überführt werden. http://www.twincore.de
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. Das HZI ist Mitglied im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). http://www.helmholtz-hzi.de
Ihre Ansprechpartner:
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susanne.thiele@helmholtz-hzi.de
Dr. Andreas Fischer, Wissenschaftsredakteur
andreas.fischer@helmholtz-hzi.de
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH
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Tel.: 0531 6181-1400; -1405
Mikroskopische Aufnahme einer dendritischen Zelle, die TAP als Fusionsprotein gekoppelt an GFP (grün ...
Marius Döring
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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