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04.11.2003 12:11

Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Unibibliotheken

Katharina Kadel Geschäftsstelle
Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg

    Unternehmensberatung untersucht Unibibliotheken in Baden-Württemberg - Potential für Verbesserungen vorhanden

    Eine studentische Unternehmensberatung hat erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten an den baden-württembergischen Universitätsbibliotheken benannt. Auftraggeber der Studie war die Landesrektorenkonferenz (LRK), der Zusammenschluss der neun Landesuniversitäten. Der LRK-Vorsitzende, Rektor Professor Dieter Fritsch und der Mannheimer Universitäts-Rektor Professor Hans-Wolfgang Arndt stellten am Freitag in Stuttgart einen Maßnahmenkatalog vor, mit dem die Universitätsbibliotheken mittelfristig Millionen-Beträge einsparen könnten.

    "Die Universitätsbibliotheken stehen durch die geradezu explodierenden Preise der Fachverlage unter einem enormen Kostendruck", erklärte Fritsch. "Umso wichtiger ist es, dass man intern alle Möglichkeiten zu Einsparungen und Effizienzsteigerung nutzt." Hier gebe es noch erhebliche Potenziale.

    "Die Universitätsbibliotheken haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mangels konkreter Vorgaben zu Gemischtwarenläden mit viel zu komplizierten Strukturen entwickelt", betonte Arndt als Vorsitzender des LRK-Bibliotheksausschusses. "Wir können es uns nicht mehr leisten, zu jedem noch so winzigen Spezialgebiet eines Professors möglichst alle Bücher der vergangenen fünfzig Jahre vorzuhalten. Die Bibliotheken müssen sich künftig auf die Angebote konzentrieren, die für das jeweilige Profil der Universität von höchster Relevanz sind. Die Hochschulleitungen müssen dazu einen klaren Auftrag definieren. Sie haben sich zu lange um die Frage gedrückt, welche Leistungen wirklich wichtig sind - und welche nicht."

    Grundlage dieser Forderungen ist der Bericht eines Mannheimer Beraterteams der Studierendeninitiative INTEGRA. Die Studierenden - Matthias Gross, Alexandra von Künsberg- Langenstadt, Ingo Rehmann, Sebastian Rottmair, Karsten Weinlein - setzten sich mit ihrem Angebot gegen international tätige Beratungsunternehmen durch. LRK-Vorsitzender Fritsch zeigte sich mit den Ergebnissen der studentischen Berater "hochzufrieden". Die Studierenden untersuchten in Zusammenarbeit mit den Hochschulen exemplarisch die Universitätsbibliotheken Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim. Auch die Bibliotheksdirektoren hätten sich sehr kooperativ gezeigt, betonten Fritsch und Arndt.

    Die INTEGRA-Gruppe schlägt in ihrem Bericht Maßnahmen in insgesamt acht Bereichen vor. Sie empfiehlt beispielsweise, die Zersplitterung der Bibliotheken in viele kleine Einheiten zu beenden. Matthias Gross, Sprecher des Beraterteams: "An vielen Universitäten gibt es neben der Zentral- und den Bereichsbibliotheken noch Dutzende von Lehrstuhlbibliotheken, jede mit eigener Katalogisierung und mit eigenem Aufsichtspersonal. Das ist nicht nur teuer, das ist für die Nutzer vor allem sehr unkomfortabel." Stattdessen fordern die Berater die sogenannte "Einschichtigkeit": alle Medien sollen an einer Stelle recherchiert und eingesehen werden können.

    Die Berater regen außerdem an, nicht genutzte Altbestände der Bibliotheken weit stärker als bisher auszusortieren. "Große Mengen an Medien sind seit Jahrzehnten nicht ausgeliehen worden", so Gross. "Gleichzeitig mieten die Bibliotheken Flächen an oder errichten sogar Neubauten, weil sie keinen Platz mehr haben." Die Studierenden schlagen deshalb ein "Nettonullwachstum" vor: für jedes neue Buch muss ein nicht mehr aktuelles aussortiert werden; dies gelte zumindest für die Fächer, in denen das Wissen schnell veraltet. Eine Ausnahme seien unter anderem die Geisteswissenschaften, in denen auch weit zurückliegende Forschungsarbeiten noch aktuell seien. Die landesweite Zusammenarbeit der Bibliotheken könnte das Aussortieren erleichtern. Uni-Rektor Arndt: "Natürlich brauchen Wissenschaftler in manchen Fällen auch den Zugriff auf alte Literatur. Aber es reicht doch völlig, wenn von den neun Universitätsbibliotheken im Land nur eine oder zwei ein selten nachgefragtes Buch aufbewahren."

    Mehr Aufstellungen in frei zugängigen Bereichen würde gegenüber der Magazin-Verwahrung Aufwand verringern. Und durch Kooperationen im EDV-Bereich, so die Berater, ließen sich weitere Summen einsparen, etwa durch Nutzung gemeinsamer Software. "Das würde nicht nur die Beschaffung verbilligen", so LRK-Vorsitzender Fritsch. "Die Nutzer könnten auch landesweit viel einfacher Medien recherchieren und bestellen."

    Um der Kostenexplosion im Bereich der Fachverlage zu begegnen, empfehlen die Berater eine mehrstufige Strategie: Überteuerte Zeitschriften - manche Titel kosten mehr als 10.000 Euro im Jahr - sollten im Schulterschluss möglichst vieler Hochschulen abbestellt werden. Gross: "Wir haben Zeitschriften für eine Jahresgebühr von 13.000 Euro gefunden, die kaum genutzt wurden. Umgelegt auf die Zahl der Nutzungen hat jeder Griff ins Regal stolze 500 Euro gekostet. Es ist zu überlegen, ob sich das eine Bibliothek wirklich leisten muss." Alle wissenschaftlichen Arbeiten sollten zudem in kostenlosen Internet-Archiven, sogenannten Open Access-Journals, dokumentiert werden, um die Informationsmonopole der Fachverlage zu sprengen.

    "Die schwierigste Aufgabe aber kommt auf die Hochschulleitung zu", erklärt LRK-Vorsitzender Fritsch. "Die Hochschulleitungen müssen den Bibliotheken einen klaren Auftrag erteilen, welche Leistungen sie erbringen und welche bisherigen Leistungen sie streichen sollen. Die Umsetzung muss dann auch mittels eines professionellen Controllings überwacht werden."

    Im nächsten Schritt will Arndt nun eine Stellungnahme aller Landesrektoren und Bibliotheksdirektoren einholen. "Ich möchte die Empfehlungen Punkt für Punkt angehen." Für seine Universität ist das bereits beschlossene Sache: "Wir setzen die Verbesserungsvorschläge für die Universität Mannheim so schnell wie möglich um", so Arndt. "Wir wollen mit den vorhandenen Mitteln das bestmögliche Angebot machen. Das sind wir unseren Mitarbeitern, unseren Studierenden und vor allem auch dem Steuerzahler schuldig."


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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