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Wissenschaft
Jena. (23.10.98) Von einer vierwöchigen Expedition in eine vulkanische Hochrisikozone Kolumbiens ist der Jenaer Geophysiker Prof. Dr. Gerhard Jentzsch zurückgekehrt. Jentzsch hat am 4200 m hohen Galeras-Vulkan erste mikrogravimetrische Daten gewonnen, auf deren Grundlage langfristig ein "Frühwarnsystem" für Zeitpunkt und Stärke eines Vulkanausbruchs aufgebaut werden soll. Im Galeras-Gebiet leben etwa 500.000 Menschen. Die Reise wurde aus dem "pre-erupt"-Programm der Europäischen Union finanziert und vom Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe koordiniert.
Rund um den Vulkan haben der Jenaer Wissenschaftler und sein Helferteam - Studenten der kolumbianischen Narino-Universität in Pasto - ein ausgeklügeltes Netz aus 30 Meßstationen errichtet. Fest in Betonsockel verschraubte Edelstahlplaketten, jede nur so groß wie ein Fünfmarkstück, markieren exakt die Einsatzorte für die mobilen Hightech-Instrumente. Von diesen Meßpunkten aus versuchen die Wissenschaftler indirekt, Vorgänge im Erdinneren zu erspüren. Das funktioniert etwa so, als würde man durch eine Bettdecke tasten, was darunter liegt. Genau über jedem Meßpunkt werden zwei Daten präzise ermittelt: Ein hochsensibles Gravimeter mißt die Erdanziehungskraft, und das Global Positioning System (GPS) gibt via Satellit die exakte Höhe über Meeresspiegel für den Meßpunkt an.
Dem Meßsystem zugrunde liegt das Einmaleins der Geophysik. Rein theoretisch ist die Gravitation an einem Punkt auf der Erdoberfläche um so geringer, je weiter entfernt er sich vom Erdmittelpunkt befindet. Allerdings verursachen schwerere oder leichtere Gesteinsschichten meßbare Abweichungen. Somit schließen die Wissenschaftler für jeden Meßpunkt aus der Abweichung ihrer Daten vom zu erwartenden theoretischen Wert auf die Beschaffenheit der tiefer liegenden Schichten.
Heikel wird es in Vulkangebieten immer dann, wenn sich binnen kurzer Zeit Wesentliches ändert, im Erdinneren also eine auf der Kruste unmerkliche Bewegung stattgefunden hat. Zum Beispiel hob sich der Mount St. Helens im Nordwesten der USA vor seinem spektakulären Ausbruch im Mai 1980 um ganze zwei Meter an, das ganze Areal wurde damals durch einen Überdruck in oberflächennahen Magmakammern hochgepreßt.
"Fernziel unserer Arbeit ist es, frühzeitig und zuverlässig zu erkennen, ob sich etwas zusammenbraut", erläutert Geophysiker Jentzsch. Um den Galeras kennenzulernen, reichten erst einmal mehrere Messungen im Halbjahres-Abstand, meint er, zusammen mit Infrarotaufnahmen, seismischen Messungen, geologischen und mineralogischen Untersuchungen entstehe so für den kolumbianischen Vulkan ein individuelles Profil. Diese weiteren Untersuchungen werden vor Ort vom deutschen Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Kooperation mit dem lokalen Partner INGEOMINAS durchgeführt.
"Einigermaßen zuverlässige Vorhersagen sind frühestens in zwei, drei Jahren möglich, wenn wir genau wissen, wie sich der Galeras normalerweise verhält", macht Jentzsch klar. Der aktive Anden-Gipfel ist schon sein neues Untersuchungsobjekt, nachdem er und sein Team vor fünf Jahren vom Mayon-Vulkan auf den Philippinen unangenehm überrascht wurden: Noch bevor sie ihre zweite Meßserie einfahren konnten, brach der Vulkan aus, und den Wissenschaftlern blieb nur übrig, das Abklingen seiner Aktivität zu verfolgen. Auch der kolumbianische Galeras ist alles andere als harmlos. Jentzsch: "Noch vor ein paar Wochen ist eine neue Fumerole aufgebrochen, vor zwei Jahren sind bei einer Eruption mehrere Kollegen ums Leben gekommen."
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerhard Jentzsch
Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641/948660
Fax: 03641/948662
e-mail: jentzsch@geo.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931031
Fax: 03641/931032
e-mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geowissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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