idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.07.2019 13:50

Verschiedene Karrierepfade erklären Lohnungleichheit

Johannes Seiler Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Warum verdient ein 55-jähriger Arbeitnehmer im Schnitt rund 40 Prozent mehr als ein 25-jähriger? Besteht ein Zusammenhang zwischen Lohnwachstum und steigender Lohnungleichheit? Viele Antworten lagen bislang noch weitgehend im Dunkeln. Die Ökonomen Prof. Dr. Moritz Kuhn und Prof. Dr. Christian Bayer von der Universität Bonn werteten nun Einkommensdaten für den Zeitraum von 2006 bis 2016 aus. Wichtigster Faktor für Lohnwachstum und steigende Lohnungleichheit ist, inwieweit es Arbeitnehmern gelingt, die Karriereleiter emporzuklettern. Dabei ist ein Studienabschluss kein Garant für höheres Einkommen. Die Forscher stellen ihre Ergebnisse nun als „CEPR Discussion Paper“ vor.

    Ungleiche Löhne treiben die Menschen um. Warum verdienen Frauen im Schnitt weniger als Männer? Weshalb erhalten Ältere mehr Lohn als Jüngere? Während bei Berufseinsteigern die Lohnunterschiede moderat sind, zeigen Arbeitsmarktdaten, dass die Lohnunterschiede nach dem Berufseinstieg immer weiter ansteigen. „Wissenschaftliche Studien haben sich bislang vor allem auf Unterschiede zwischen Arbeitgebern fokussiert oder die Bedeutung von Arbeitnehmercharakteristika betont“, berichtet Prof. Dr. Moritz Kuhn vom Institut für Makroökonomik und Ökonometrie der Universität Bonn. Zusammen mit seinem Institutskollegen Prof. Dr. Christian Bayer hat der Ökonom Arbeitsmarktdaten des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum von 2006 bis 2016 ausgewertet.

    Die Wissenschaftler vollzogen dabei einen Perspektivwechsel: Sie schauten sich nicht nur die Charakteristika von Arbeitgebern und Arbeitnehmer an, sondern bezogen auch die Unterschiede in Stellenprofilen in ihre Analyse mit ein. Bayer: „Stellenprofile beschreiben Aufgaben und Pflichten und unterschieden sich darin, wieviel Verantwortung, Komplexität und Entscheidungsfreiheit mit der Stelle verbunden sind.“ Mit Hilfe statistischer Methoden zerlegten die Ökonomen dann das Lohnwachstum und den Anstieg der Lohnungleichheit im Lebensverlauf. Den wichtigsten Einfluss, fanden die Forscher, machen die Veränderungen bei den Stellenprofilen und damit unterschiedliche Karriereverläufe aus. „Die unterschiedlichen Stufen der Karriereleiter erklären rund 50 Prozent der Lohnunterschiede in der Bevölkerung“, fasst Bayer das Ergebnis zusammen.

    Wer studiert hat, verdient nicht zwangsläufig mehr

    Die landläufige Idee, dass ein Studienabschluss allein zu einem höheren Einkommen führt, erscheint durch die Studie damit in einem neuen Licht. Wer studiert hat, verdient nicht zwangsläufig mehr. Ein Studienabschluss eröffnet in den meisten Fällen nur den Zugang zu den Stellen an der Spitze der Karriereleiter. „Entscheidend ist damit, was ich aus meinem Hochschulabschluss mache: Werde ich Taxifahrer, Sachbearbeiter oder Geschäftsführer?“, erläutert Kuhn.

    Mehr Licht ins Dunkel bringt die Studie auch bezüglich der Kluft zwischen den Geschlechtern. „Die Hälfte der Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau sind auf unterschiedliche Karriereverläufe zurückzuführen“, berichtet Bayer. „Viele Männer machen zwischen 30 und 45 Jahren noch große Schritte auf der Karriereleiter und haben hohes Lohnwachstum, das bei Frauen häufig ausbleibt“, erläutert Kuhn. Da die Daten keine umfassenden Informationen über die Lebenssituation von Frauen liefern, müssen die Ursachen für unterschiedliche Karriereverläufe weitgehend Spekulation bleiben. Es liegt aber nahe, dass weit mehr Frauen als Männer aufgrund von Familiengründungen den Arbeitsmarkt verlassen und damit Schritte auf der Karriereleiter auslassen, die dann nach der Rückkehr die beobachteten Lohnunterschiede ausmachen.

    Glück spielt auch eine Rolle

    Arbeitgeberwechsel werden oft als Voraussetzung für Karrierefortschritte gesehen. In Übereinstimmung damit finden die Forscher, dass wer in Deutschland das Unternehmen wechselt, eine rund 20 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit hat, beim neuen Arbeitgeber befördert zu werden. Jedoch zeigen die Daten auch, dass die meisten Schritte auf der Karriereleiter beim gleichen Arbeitgeber stattfinden. Ob man den nächsten Schritt auf der Karriereleiter schafft, hängt dabei auch von der Situation im Betrieb ab. Gibt es einen Konkurrenten mit gleichem Bildungsniveau, aber mehr Erfahrung? Dann wird dieser zumeist eher die Karriereleiter emporklettern. „Karriere ist damit zumindest zum Teil auch ein Lotteriespiel: Nur wenn in einem Unternehmen zur richtigen Zeit ein passender Platz auf der Karriereleiter frei wird, kann man den nächsten Schritt machen“, fasst Bayer die Ergebnisse zum Einfluss von Glück auf den Karriereverlauf zusammen.

    „Viele der Ergebnisse entsprechen unseren Erwartungen, dennoch fehlte bislang die wissenschaftliche Untermauerung auf Grundlage repräsentativer Daten für diese individuellen Erfahrungen“, sagt Bayer. Die beiden Forscher wollen nun die Mechanismen und Ursachen der Lohnungleichheit mit der neu gewonnenen Perspektive weiter ergründen. Kuhn: „Jetzt wissen wir, wo wir in Zukunft genauer hinsehen müssen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christian Bayer
    Institut für Makroökonomie und Ökonometrie
    Universität Bonn
    Tel. 0228/734073
    E-Mail: christian.bayer@uni-bonn.de

    Prof. Dr. Moritz Kuhn
    Institut für Makroökonomik und Ökonometrie
    Universität Bonn
    Tel. 0228/7362096
    E-Mail: mokuhn@uni-bonn.de


    Originalpublikation:

    Christian Bayer, Moritz Kuhn: Which Ladder to Climb? Decomposing Life Cycle Wage Dynamics, CEPR Discussion Paper (DP13158-2), Internet: https://cepr.org/active/publications/discussion_papers/dp.php?dpno=13158#


    Bilder

    Untersuchten die Hintergründe von Einkommensunterschieden: Prof. Dr. Christian Bayer (links) und Prof. Dr. Moritz Kuhn (rechts) vom Institut für Makroökonomik und Ökonometrie der Universität Bonn.
    Untersuchten die Hintergründe von Einkommensunterschieden: Prof. Dr. Christian Bayer (links) und Pro ...
    (c) Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).