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Am 14. September ist der Tage der Deutschen Sprache. Grund genug für den Linguisten Dr. Simon Meier-Vieracker von der Professur für Angewandte Linguistik der TU Dresden sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sich Fußball und Sprache beeinflussen.
Fußball wird nicht nur gespielt und geschaut. Über Fußball wird auch geschrieben und gesprochen, und das so ausdauernd und ausführlich, dass sich längst eine eigene, unverkennbare Fußballsprache herausgebildet hat – und somit auch eine besondere Spielart des Deutschen, die man gerade am Tag der deutschen Sprache etwas genauer in den Blick nehmen kann.
In der Fußballsprache finden wir ein bisschen Fachterminologie (etwa die hängende Spitze), aber auch viele Ausdrücke, die im Kontext des Fußballs besondere Bedeutung haben (etwa die Schwalbe). Vor allem aber finden wir jede Menge Metaphern und Redewendungen, die vielleicht gar nicht exklusiv für den Fußball sind, aber trotzdem den typischen Sound von Livetickern, Livekommentaren und Spielberichten ausmachen.
Wenn die Abwehr wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen durch den Strafraum rennt, Mannschaften mit offenem Visier oder aber mit angezogener Handbremse spielen – nicht umsonst gelten Fußballreporter als besonders fleißige Phrasendrescher. Und auch wenn sich viele über diese Phrasendrescherei mokieren, gehört genau das eben auch zu der ganzen Folklore, die den so populären Fußball umgibt und die für alle, die diese Sondersprache beherrschen, auch ein Erkennungsmerkmal ist.
Wie sprachwissenschaftliche Forschung gezeigt hat, ist die Fußballsprache einerseits erstaunlich stabil. So wie das Spiel seit Jahrzehnten den gleichen Regeln folgt, finden sich auch seit Jahrzehnten die immer gleichen Redewendungen (und im Übrigen auch die immer gleichen Unkenrufe wegen der ständigen Phrasendrescherei). Andererseits ist sie, eben weil das immer Gleiche immer wieder neu und ansprechend beschrieben werden muss, auch ausgesprochen dynamisch und kreativ. So bringen etwa taktische Trends auch neue Ausdrücke wie Gegenpressing hervor. Aber auch der ohnehin schon äußerst umfangreiche Bestand an Verben für das Schießen wie dreschen, zimmern, spitzeln wird ständig erweitert, denn der Ball kann auch ins Tor gezuckert, gezwitschert oder geschallert werden. Über 180 verschiedene Verben allein für das Schießen konnten bereits in Fußball-Livetickern ausfindig gemacht werden, und es kommen immer neue dazu.
Die Fußballsprache, das zeigen die genannten Beispiele, greift also viele aus anderen Bereichen stammende Ausdrücke und Redeweisen auf und funktioniert sie für den Zweck der Spielbeschreibung um. Aber auch in umgekehrter Richtung lassen sich Einflüsse aufzeigen. So manch aus dem Fußball stammende Ausdruck hat sich als Metapher in andere Bereiche ausgebreitet, wenn wir etwa den Ball flachhalten, jemandem die rote Karte zeigen oder wenn eine Exzellenzuniversität wie die TU Dresden sozusagen in der Champions League spielt. Aber auch die legendären Sentenzen von Sepp Herberger wie etwa „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ sind in das kollektive Gedächtnis eingegangen und stehen als individuell anzupassende Schablonen – „Nach der Wahl ist vor der Wahl“ usw. – für alle möglichen Kontexte bereit.
Die enorme Popularität des Fußballs hat aber auch zur Folge, dass seine Akteure unter besonderer öffentlicher Beobachtung stehen, und zwar gerade auch in ihrem Sprachgebrauch. Galt der Fußball lange Zeit als Proletensport mit rauen Ausdrucks- und Umgangsformen, werden heute, da der Fußball für sich selbst eine Vorbildrolle etwa in Sachen Integration in Anspruch nimmt, andere Maßstäbe angesetzt. Die jüngsten Debatten um die rassistischen Äußerungen des Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies etwa zeigen, wie gerade im Fußball und hier besonders seitens der Fans Diskussionen über diskriminierende Sprache angestoßen werden, die weit über den Fußball hinaus wirken können. Die Sprache des Fußballs hat also auch eine politische Dimension. Sie zeigt sich offen für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, trägt aber auch selbst zu diesen Entwicklungen bei. Ein weiterer Grund, warum man sich am Tag der deutschen Sprache auch mit der Sprache des Fußballs beschäftigen sollte.
Dr. Simon Meier-Vieracker
Professur für Angewandte Linguistik
Institut für Germanistik
TU Dresden
Tel.: 0351 463-36403
E-Mail: simon.meier-vieracker@tu-dresden.de
https://fussballlinguistik.de/
Symbolbild Fußball
Nils Eisfeld
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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