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Wissenschaft
Stipendiat der Daimler und Benz Stiftung entwickelt Trainingsprogramm zur Gewaltprävention für Lehrer
Gegenwärtig erleben weltweit viele Kinder noch immer körperliche Bestrafungen als erzieherische Maßnahmen in der Schule, etwa in Tansania oder Uganda. Um dieser Form von Gewalt zu begegnen und psychische Folgeerkrankungen einzudämmen, arbeiten Wissenschaftler an einer neuen Schulungsmethode für Lehrkräfte.
Obwohl Kinder laut UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben, ist in zahlreichen Ländern, so auch Tansania, die körperliche Züchtigung in der Erziehung kulturell anerkannt und gesetzlich erlaubt. Dadurch sind viele Kinder teilweise über Jahre hinweg in Elternhaus und Schule Misshandlungen, Demütigungen und Erniedrigungen ausgesetzt – mit negativen Folgen für ihre psychische Gesundheit.
Der Psychologe Dr. Tobias Hecker von der Universität Bielefeld, der sich wissenschaftlich mit diesem Thema beschäftigt, erklärt: „In der tansanischen Gesellschaft herrscht die Überzeugung, dass Gewalt wenig negative Auswirkungen auf Kinder hat, weil körperliche Bestrafungen an der Tagesordnung sind.“ Seine Forschung vor Ort zeigt jedoch, dass sich erlebte Gewalt, auch wenn sie für alle zum gewohnten Alltag gehört, negativ auf die psychische Gesundheit von Kindern auswirkt.
Mit seinem internationalen und interkulturellen Team untersucht Hecker in ländlichen und städtischen Grundschulen die kausalen Beziehungen von Gewalterleben, psychischen Folgen – etwa Aggression, Hyperaktivität, Depression oder sozialem Rückzug – und kognitiven Funktionsstörungen. Persönliche Gespräche mit Lehrern und Eltern zeigten, dass sie für die psychischen Folgen von Gewalt kaum ein Bewusstsein hatten. Auch sahen sie wenig Anlass, ihr Verhalten zu hinterfragen. Gelingt es jedoch ihnen zu vermitteln, dass auch schlechtere Schulleistungen oft die Folge von Gewalterfahrungen sind, werden Eltern und Lehrer eher zu einem Umdenken motiviert. Sein Forschungsvorhaben wird von der Daimler und Benz Stiftung im Rahmen ihres Stipendienprogramms für junge Wissenschaftler gefördert.
„Lehrkräfte berichten häufig, dass sie auf körperliche Bestrafungen zurückgreifen, weil sie keine anderen Erziehungsmöglichkeiten sehen“, sagt Hecker. Deshalb haben die Wissenschaftler ein einwöchiges Trainingsprogramm für Lehrer entwickelt: „Interaction Competencies with Children“, ein interaktiver Workshop für eine Gruppe von 20 bis 30 Teilnehmern. Ziel ist es einerseits, dass die Teilnehmer ihre Einstellungen zu gewaltvoller Bestrafung hinterfragen, zum anderen, dass sie ihr Verhalten verändern. Im Rahmen des Trainingsprogramms setzen sie sich unter anderem mit ihren eigenen Erfahrungen sowie den Folgen von Gewaltanwendung bei sich und den Kindern auseinander. Darüber hinaus lernen sie gewaltfreie Strategien kennen und passen diese ihrem Arbeitskontext an. Die neuen Strategien werden im Rahmen des Trainingsprogramms intensiv geübt, was zur Verhaltensänderung beiträgt.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen schließen eine Erfolgskontrolle durch Befragungen von Schülern und Lehrkräften im zeitlichen Abstand zur Schulungsmaßnahme ein. In früheren Studien zeigte sich, dass Lehrer das Gelernte direkt anwenden konnten: Das Verhältnis zu ihren Schülern verbesserte sich messbar, ebenso deren Verhalten und Leistungen. Neben Tansania wird die Wirksamkeit des Programms „Interaction Competencies with Children“ derzeit auch an weiterführenden Schulen des Nachbarlandes Uganda untersucht.
Bislang wurden etwa 250 Lehrer in Tansania und Uganda trainiert, wovon bereits über 4.000 Schüler profitierten. Da das Schulungsprogramm nur wenig kostet – mit einer Summe von 2.500 Euro lassen sich 25 Lehrer und damit rund 500 Schüler erreichen –, kann es selbst in strukturschwachen Regionen umgesetzt werden. Im März 2019 fand in der tansanischen Hauptstadt Daressalaam erstmals die Konferenz „National Conference on Ending Violence against Women and Children“ statt. Vor rund 500 Vertretern aus Politik, Wissenschaft sowie nationalen und internationalen NGOs konnte Hecker hier die ersten Ergebnisse seines Programms vorstellen. Er erläutert: „Unsere langfristigen Ziele sind, politisch Verantwortliche von den Vorteilen einer gewaltfreien Schule zu überzeugen, das Trainingsprogramm flächendeckend durchzuführen und es bereits in die Lehrerausbildung zu integrieren.“
Stipendienprogramm für Postdoktoranden
Die Daimler und Benz Stiftung vergibt jedes Jahr zwölf Stipendien an ausgewählte Postdoktoranden mit Leitungsfunktion und Juniorprofessoren. Ziel ist es, die Autonomie und Kreativität der nächsten Wissenschaftlergeneration zu stärken und den engagierten Forschern den Berufsweg während der produktiven Phase nach ihrer Promotion zu ebnen. Die Fördersumme in Höhe von 40.000 Euro pro Stipendium steht für die Dauer von zwei Jahren und kann zur Finanzierung wissenschaftlicher Hilfskräfte, technischer Ausrüstung, Forschungsreisen oder zur Teilnahme an Tagungen frei und flexibel verwendet werden. Durch regelmäßige Treffen der jungen Wissenschaftler dieses stetig wachsenden Stipendiatennetzwerks in Ladenburg fördert die Daimler und Benz Stiftung zugleich den interdisziplinären Gedankenaustausch.
http://www.daimler-benz-stiftung.de
Im Trainingsprogramm „Interaction Competencies with Children“ lernen afrikanische Lehrkräfte gewaltf ...
Daimler und Benz Stiftung/Tobias Hecker
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Der Vergleich mit Kontrollschulen zeigt die Wirksamkeit des speziell entwickelten Trainingsprogramms ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Pädagogik / Bildung, Philosophie / Ethik, Psychologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Schule und Wissenschaft
Deutsch
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