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Wissenschaft
Eine Studie an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) hat die Mechanismen von Kitzligkeit im Gehirn der Ratte genauer erforscht
Kitzligkeit ist ein auf vielen Ebenen mysteriöses Phänomen. Wir wissen nicht, warum wir uns nicht selbst kitzeln können, obwohl diese Frage bereits 350 v. Chr. von Aristoteles aufgeworfen wurde. Wir wissen ebenso wenig, warum Kinder sich oft heftig wehren, wenn sie gekitzelt werden, nur um nach mehr zu verlangen, sobald mit dem Kitzeln aufgehört wird. Wir wissen auch nicht, warum die reine Annäherung einer kitzelnden Hand ohne Berührung bereits Lachen hervorruft.
Lachen im Gehirn?
Frühere Arbeiten zeigten, dass Ratten mit „Lachen“ im Ultraschallbereich reagieren, wenn sie von Menschen gekitzelt werden. Dieses „Lachen“ wird durch den somatosensorischen Kortex, die größte taktile Repräsentation im Gehirn, vermittelt. Ältere Modelle der Suppression durch Selbstberührung gingen davon aus, dass diese darauf basiert, dass das Gehirn zwischen Selbstberührung und der Berührung durch Andere unterscheiden kann. In ihrer Studie schlagen die Forscher*innen einen einfacheren Mechanismus vor. Sie fanden heraus, dass Vokalisationen, also das Lachen, ebenso wie die Aktivität des somatosensorischen Kortex, während einer Selbstberührung wie etwa dem Putzen, unterdrückt werden, aber während der Berührung und dem Kitzeln durch die Wissenschaftler*innen verstärkt werden. Wenn Selbstberührung und „Fremd“-Berührung zur selben Zeit passieren, sind Vokalisationen und Aktivität des somatosensorischen Kortex ebenso unterdrückt, was darauf hindeutet, dass das Gehirn der Ratte hier nicht zwischen Selbstberührung und der Berührung durch Andere unterscheidet. Wenn beim gleichzeitigen Gekitzeltwerden und dem Selbstkitzeln pharmakologisch blockiert wird, dass die Neuronen weniger aktiv sind, dann bleibt die Empfindung des Gekitzeltwerdens.
Ratten kitzeln zurück
Des Weiteren wurden Ratten trainiert, selbst Kitzel-Interaktionen zu initiieren. Erstaunlicherweise brachen die Ratten diese Initiation des Kitzelns manchmal vorzeitig ab und zeigten Fluchtverhalten, Schreckstarre und für gewöhnlich mit negativen Emotionen assoziierte Vokalisationen, nachdem sie die Kitzel-Interaktion initiiert hatten. Diese rätselhafte Ambivalenz des Kitzelns (Stichwort Nervenkitzel) gleicht dem Verhalten, das auch Kinder zeigen. Die ForscherInnen haben zudem herausgefunden, dass eine tief liegende Schicht des somatosensorischen Kortex bei der Eigen-Initiation aktiviert wird, noch bevor die Kitzel-Interaktion beginnt.
Fazit
Diese neuen Erkenntnisse legen nahe, dass wir uns nicht selbst kitzeln können, weil die Selbstberührung eine „inhibitorische Bremse“ im somatosensorischen Kortex aktiviert. Zudem ist die Ambivalenz in Bezug auf Kitzeln offenbar eine Verhaltensreaktion, die von Ratten und Menschen gleichermaßen gezeigt wird. Zuletzt zeigt die Studie, dass im somatosensorischen Kortex nicht nur die Berührung, sondern auch die Erwartung gekitzelt zu werden, repräsentiert ist.
Prof. Dr. Michael Brecht,
Humboldt-Universität zu Berlin
Bernstein Center for Computational Neuroscience
Tel.: 030 2093- 6718
Mail: michael.brecht@bccn-berlin.de
Web: https://www.bernstein-network.de/de/forschung/Portraits/a-d/brecht
Ishiyama S., Kaufmann, L.V. & Brecht M., Behavioral and cortical correlates of self-suppression, anticipation and ambivalence in rat tickling. Current Biology. 2019; 29.
https://doi.org/10.1016/j.cub.2019.07.085
https://www.hu-berlin.de/de/pr/nachrichten/september-2019/nr-19926
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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