idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
13.12.2019 10:54

MRSA-Superkeim vom indischen Subkontinent vereint Eigenschaften von klinisch und ambulant erworbenen Erregern

Christian Döring Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
InfectoGnostics - Forschungscampus Jena e.V.

    Ein internationales Forscherteam hat erstmals die Evolution und Verbreitungswege eines speziellen Stammes von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) im Detail analysiert. Der sogenannte „Bengal Bay“-Klon vereint eine besondere Virulenz und das Potential zur weltweiten Ausbreitung mit der Multiresistenz von Krankenhauskeimen. Für die aufwendige Analyse arbeiteten 38 Wissenschaftler aus 15 Ländern über 8 Jahre zusammen. InfectoGnostics-Forscher des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) und von Abbott (Alere Technologies) in Jena waren maßgeblich an der Analyse der Gensequenzen beteiligt. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal „mBio“ publiziert.

    Ursprünglich handelte es sich um einen recht seltenen und wenig bekannten MRSA-Stamm, den englische Infektiologen vor etwa 15 Jahren bei Patienten entdeckten, die in die Region am Golf von Bengalen gereist waren. Doch weitere Nachweise in verschiedenen Teilen der Welt und die besonderen Eigenschaften des Bengal-Bay-Klons weckten die Aufmerksamkeit von immer mehr Forschern: Dieses Bakterium tauchte meist außerhalb von Kliniken auf, zeigte aber viele Antibiotikaresistenzen, wie sie eigentlich nur von typischen Krankenhauserregern bekannt waren. Zudem wurde es immer häufiger auch in anderen Ländern nachgewiesen. Bei einem Kongress in Lyon im Sommer 2012 beschlossen deshalb einige Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern, Isolate dieses MRSA-Klons zu sammeln und deren Genome zu analysieren. Gemeinsam setzten sie sich das Ziel, die Evolution und Verbreitungswege des besonderen Stamms zu verstehen.

    Für die Untersuchung wurden in 14 Ländern 340 Isolate des Bengal-Bay-Klons gesammelt und anschließend mittels vollständiger Genomsequenzierung analysiert. Weitere experimentelle Daten zu Biofilm-Bildung, Wachstum und Toxizität wurden ebenfalls erhoben. Die Jenaer InfectoGnostics-Forscher aus der Gruppe von Prof. Ralf Ehricht (Leibniz-IPHT) führten hierfür virtuelle Mikroarray-Analysen zu den Daten der isolierten Stämme durch, was Auswertung und Interpretation der Genomsequenzen deutlich vereinfachte. Am Ende der jahrelangen Forschungsarbeit wurden die Ergebnisse aller 38 an dem Paper beteiligten Wissenschaftler wie in einem Puzzle zusammengefügt, um die stammesgeschichtliche Entwicklung des Bakteriums nachzuzeichnen.

    Diese nun abgeschlossene Analyse der Genome hunderter repräsentativer Isolate des Stamms zeigt, dass auch durchsetzungsfähige, virulente MRSA-Stämme außerhalb der Klinik zahlreiche Resistenzgene in ihr Erbgut aufnehmen – ein Verhalten, das sonst eher typisch für Krankenhauskeime ist. „Wir konnten mit der aktuellen Analyse zeigen, dass Vorläufer des Bengal-Bay-Klons schon seit den 60er-Jahren in Indien und Bangladesch existieren. Das Bakterium hat in den letzten 30 Jahren schrittweise mobile genetische Elemente wie Plasmide und Gen-Kassetten in sein eigenes Genom integriert und sich so eine ganze Reihe an Resistenzmechanismen angeeignet. Bislang ist kein derart multiresistenter Stamm bekannt, der sich außerhalb von Krankenhäusern so weit verbreiten konnte und außerdem so viele Virulenzfaktoren trägt“, erläutert Dr. Stefan Monecke vom Leibniz-IPHT, der an den Mikroarray-Analysen in Jena beteiligt war.

    __Verbesserung der Diagnostik und regulierte Antibiotikavergabe dringend benötigt

    Ein solcher Stamm stellt nach Einschätzung von Dr. Monecke ein Problem gerade für ressourcenärmere Länder dar, die die Hauptlast des Ausbruchs tragen: „Außerhalb der Klinik wurden MRSA-Stämme zuvor meist durch virulentere, aber gegenüber Antibiotika empfindlichere, konkurrierende Stämme verdrängt. Unsere Ergebnisse zeigen hingegen, dass Bakterien, die außerhalb des Klinikumfelds in der gesunden Bevölkerung kursieren, durchaus ein mit Krankenhauskeimen vergleichbares Resistenzprofil erwerben können, ohne dass ihre Virulenz und ihre Fähigkeit zur Verbreitung davon beeinträchtigt wird.“ Die Entstehung eines solchen Bakterienstamms sei vor allem durch die unkontrollierte Antibiotikavergabe und soziale Faktoren, wie die hohe Bevölkerungsdichte bei schlechten Lebensbedingungen, begünstigt worden.

    Eine vollständige und vergleichende Genomanalyse über mehr als ein Dutzend Länder sei zwar sehr aufwendig, doch, so Dr. Monecke weiter, „derartige internationalen Kollaborationen sind zwingend notwendig, um ein globales Problem wie das der Antibiotikaresistenzen wirklich zu verstehen und frühzeitig Präventionsmaßnahmen zu treffen. Unsere Ergebnisse zeigen: Wir benötigen schnellstens eine verbesserte Diagnostik – zum Beispiel günstige Schnelltests zum Nachweis von MRSA und deren Virulenzfaktoren – und eine strengere Regulierung des Gebrauchs von Antibiotika.“
    _________________________

    InfectoGnostics Forschungscampus Jena

    Der InfectoGnostics Forschungscampus Jena beschreitet als öffentlich-private Partnerschaft neue Wege in der Diagnostik von Infektionen und Erregern, wie z.B. Viren, Bakterien und Pilzen. InfectoGnostics wird durch das BMBF im Rahmen der Förderinitiative „Forschungscampus – öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen“ mit zusätzlicher Unterstützung durch das Land Thüringen gefördert. Etwa die Hälfte des benötigten Etats finanzieren die beteiligten Partner.


    Originalpublikation:

    Steinig EJ et al., 2019. Evolution and global transmission of a multidrug-resistant, community-associated methicillin-resistant Staphylococcus aureus lineage from the Indian subcontinent. mBio10:e01105-19. DOI: 10.1128/mBio.01105-19


    Weitere Informationen:

    https://www.infectognostics.de/infektionsdiagnostik/aktuelles/details/news/mrsa-...


    Bilder

    Staphylokokken-Kolonien auf bluthaltigem Nährboden
    Staphylokokken-Kolonien auf bluthaltigem Nährboden
    Foto: InfectoGnostics / Fotostudio Ebenbild
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).