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Wissenschaft
Die Vorstellungen über Macht und Herrschaft in der Vormoderne sind mit zahlreichen Vorurteilen behaftet: Macht ist rein männlich! Kritik kostet den Kopf! Herrschaft ist eine ‚One-Man-Show‘! Mit solchen Klischees räumt nun der Sonderforschungsbereich (SFB) „Macht und Herrschaft“ an der Universität Bonn auf. Am Ende des Jahres 2019 legt der SFB eine beeindruckende Liste an Publikationen vor, die etliche Überraschungen präsentieren.
„Vermeintlich vormoderne Strukturen der Inszenierung von Herrschaft existieren auch in der Moderne, Epocheneinteilungen der Geschichte müssen generell neu überdacht werden, und besonders weibliche Herrschaft hatte einen festen Platz bereits in Gesellschaften, die mit dem Begriff ‚archaisch’ belegt werden“, sagt Prof. Dr. Matthias Becher von der Mittelalterlichen Geschichte der Universität Bonn und SFB-Sprecher. „Herrschaft war damit keine ‚One-Man-Show‘.“
Jenseits von Aufstand und Revolte
Auch im Forschungsfeld „Kritik und Idealisierung“ kann der SFB nun mit Vorurteilen aufräumen: „Ohne Kopf und Leben zu verlieren konnte man Herrscher und System auch früher schon kritisieren“, berichtet der Sprecher. Beispiele aus China, Russland und Europa belegen auch die subtileren Methoden der Herrscherkritik, die Artikulation von Meinungsverschiedenheiten jenseits von Aufstand und Revolte, die bislang von der Forschung kaum in den Blick genommen worden sind.
Innerhalb des Forschungsschwerpunktes „Personalität und Transpersonalität“ zeigen außerdem transkulturell-vergleichende Untersuchungen unter Einbeziehung außereuropäischer Räume wie Indien, Japan sowie Russland, dass Macht und Herrschaft nicht nur an Personen gebunden waren, sondern in aller Regel ein stabiles System ausbildeten. Becher: „Wer nun noch immer meint, vormoderne Herrschaft sei allein an eine herrschende Persönlichkeit geknüpft, der irrt.“ Stattdessen wird aufgedeckt, dass bereits institutionelle Strukturen wie Verwaltung und Delegation von Herrschaft zum Tragen kommen, wie sie eher modernen Staatsgebilden zugeschrieben werden.
Nachzulesen sind diese überraschenden neuen Einblicke in vermeintlich fremde Zeiten und Räume in den beiden interdisziplinären und transkulturell ausgerichteten Tagungsbänden: „Kritik am Herrscher in vormodernen Gesellschaften – Möglichkeiten, Chancen, Methoden” und „Die Macht des Herrschers. Personale und transpersonale Aspekte”, die in diesem Monat erscheinen.
Darüber hinaus hat der SFB 1167 seine Forschung in einer Ringvorlesung an der Universität Bonn für die breite Öffentlichkeit und Wissenschafts-Community vorgestellt. Beiträge aus dieser dreisemestrigen Vorlesung „Transkulturelle Annäherungen an Phänomene von Macht und Herrschaft“, bündelt nun der Band »Transkulturelle Annäherungen an Phänomene von Macht und Herrschaft. Spannungsfelder und Geschlechterdimensionen«. Dabei konnte ein spannender Blick auf das Panorama politischer Ordnungen vor unserer Zeit ermöglicht werden.
Im SFB arbeiten 15 Fachbereiche eng zusammen
Im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) 1167 „Macht und Herrschaft – Vormoderne Konfigurationen in transkultureller Perspektive“ der Universität Bonn arbeiten insgesamt 15 geisteswissenschaftliche Fachbereiche eng zusammen und widmen sich gemeinsam der Erforschung von vormodernen Konfigurationen von Macht und Herrschaft in Asien, Europa und dem nördlichen Afrika in transkultureller Perspektive. Informationen zum SFB: https://www.sfb1167.uni-bonn.de. Aktuelle Erkenntnisse werden nun in Form von neuen Sammelbänden und Monographien präsentiert.
Der SFB gibt zwei Schriftenreihen mit jeweils unterschiedlichem Zuschnitt heraus: „Macht und Herrschaft“ (MH), die bei Bonn University Press im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Unipress erscheint, enthält Beiträge, die den interdisziplinären Zugriff auf das Thema des Sonderforschungsbereichs und die transkulturelle Perspektivierung abbilden. Die Reihe „Studien zu Macht und Herrschaft“ (SMH) bündelt Ergebnisse aus teilprojektbezogenen Workshops des SFB und dient der Publikation von Monographien, die vor allem im Zuge der Projektarbeit entstanden sind.
Die neuen Publikationen im Überblick:
Schriftenreihe „Macht und Herrschaft“:
MH 3: »Norm, Normabweichung und Praxis des Herrschaftsübergangs in
transkultureller Perspektive« (herausgegeben von Tilmann Trausch), Dezember 2019.
MH 4: »Die Macht des Herrschers. Personale und transpersonale Aspekte« (herausgegeben von Mechthild Albert, Elke Brüggen und Konrad Klaus), Dezember 2019.
MH 5: »Erzählen von Macht und Herrschaft. Die ‚Kaiserchronik‘ im Kontext zeitgenössischer Geschichtsschreibung und Geschichtsdichtung« (herausgegeben von Elke Brüggen), Dezember 2019.
MH 6: »Criticising the Ruler in Pre-Modern Societies – Possibilities, Chances, and Methods. Kritik am Herrscher in vormodernen Gesellschaften – Möglichkeiten, Chancen, Methoden« (herausgegeben von Karina Kellermann, Alheydis Plassmann und Christian Schwermann), Dezember 2019.
MH 8: »Machterhalt und Herrschaftssicherung. Namen als Legitimationsinstrument in transkultureller Perspektive« (herausgegeben von Matthias Becher und Hendrik Hess), Dezember 2019.
MH 11: »Transkulturelle Annäherungen an Phänomene von Macht und Herrschaft. Spannungsfelder und Geschlechterdimensionen« (herausgegeben von Matthias Becher), Dezember 2019.
Schriftenreihe „Studien zu Macht und Herrschaft“:
SMH 2: »Die autokratische Herrschaft im Moskauer Reich in der ‚Zeit der Wirren‘ 1598–1613« (herausgegeben von Dittmar Dahlmann und Diana Ordubadi), Dezember 2019.
Prof. Dr. Matthias Becher
Universität Bonn
Abteilung für Mittelalterliche Geschichte
Tel. +49-(0)228-735160
E-Mail: matthias.becher@uni-bonn.de
Das Königspaar aus dem Lewis-Schachspiel, National Museums Scotland (Replikas) – Erkennungszeichen d ...
Foto: J. Leuchtenberg/SFB 1167
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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