idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
03.12.2003 13:13

RUB-Geographen untersuchen Schulbücher: Antirassistische Erziehung greift zu kurz

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Die vielfältigen Ansätze der Rassismusforschung kommen im Schulunterricht nicht an. Man wirbt lediglich um das Verständnis des Einzelnen für das Fremde, tauft die "Rasse" um in "Kultur" und lässt den politischen Aspekt des Rassismus völlig außen vor. Das ist das nüchterne Fazit einer Studie der RUB-Geographen Leif O. Mönter und Arian Schiffer-Nasserie, für die sie nun mit einem der Preise an Studierende der RUB ausgezeichnet wurden.

    Bochum, 03.12.2003
    Nr. 372

    Antirassistische Erziehung greift zu kurz
    Die Entpolitisierung des politischen Phänomens Rassismus
    RUB-Geographen untersuchen Schulbücher

    "Antirassistische Erziehung", was so gut klingt, muss wohl auch gut sein - und wird daher selten hinterfragt. Was eigentlich dahinter steckt, erforschten Leif Olav Mönter und Arian Schiffer-Nasserie (Fakultät für Geowissenschaften, Betreuer: Prof. Dr. Eberhard Kroß) in ihrer Examensarbeit "Rassismusforschung und antirassistische Erziehung" anhand von Schulbüchern für den Geographieunterricht. Ihr Fazit ernüchtert: Die vielfältigen Ansätze der Rassismusforschung kommen im Schulunterricht nicht an. Man wirbt lediglich um das Verständnis des Einzelnen für das Fremde, tauft die "Rasse" um in "Kultur" und lässt den politischen Aspekt des Rassismus völlig außen vor. Für ihre Arbeit wurden die beiden Lehramtsanwärter mit einem der Preise an Studierende 2003 der Ruhr-Universität ausgezeichnet.

    Rassismus trotz aller Initiativen

    Dem "Aufstand der Anständigen" und zahlreichen, langjährigen Initiativen - gerade an Schulen - zum Trotz nimmt die Zahl rassistischer Gewalttaten in Deutschland kaum ab. Dieses Missverhältnis war der Anlass für einen genauen Blick auf die theoretische Auseinandersetzung und den pädagogischen Umgang mit dem Rassismus. "Die Frage war, welche Zielsetzungen gängige Erziehungskonzepte verfolgen und inwiefern sie geeignet sind, gegen Rassismus vorzugehen", so Leif Olav Mönter.

    Psychologische, soziokulturelle, politökonomische Ansätze

    Im ersten Schritt ihrer Studie identifizierten die beiden Geographen drei verschiedene Ansätze der Rassismusforschung: Psychologische Ansätze suchen individuelle Voraussetzungen für Rassismus im einzelnen Menschen. Soziologische Ansätze gehen davon aus, dass rassistische Einstellungen Ausdruck der subjektiven Verarbeitung von gesellschaftlichen Verhältnissen sind: Extremistische Positionen könnten eine Möglichkeit sein, sich in der modernen Gesellschaft zu orientieren. Politökonomische Ansätze fragen nach den Zusammenhängen zwischen Rassismus und wirtschaftlichen und politischen Zwecken in modernen Gesellschaften. Die rassistische Ideologie könnte der Versuch sein, gesellschaftliche Gegensätze zu erklären und Diskriminierung zu legitimieren.

    Schule verharmlost das Problem

    Von dieser Vielfalt ist allerdings in der antirassistischen Erziehung nichts zu merken. Es gibt in Deutschland anders als z. B. in den Niederlanden und Großbritannien nur eine einzige pädagogische Konzeption, die sich als antirassistisch versteht: die interkulturelle Erziehung. Sie stützt sich allein auf den psychologischen Ansatz, zielt auf das Einfühlungsvermögen und Verständnis des Einzelnen. "Gesellschaftspolitische Konflikte werden in persönliche Probleme umdefiniert", warnt Arian Schiffer-Nasserie, "das kann zu einer Verharmlosung des Phänomens Rassismus führen."

    Antirassistische Erziehung ist gar keine

    Bei ihrer Schulbuch-Untersuchung fanden die beiden Autoren zudem heraus, dass altbekannte Stereotypen teils ungewollt reproduziert werden. Auch eine bedenkliche Verzerrung der Darstellung von Migranten findet sich auf ihrer Mängelliste. Manche Themen fehlen in den Unterrichtsmaterialien völlig, so z. B. Formen des institutionellen Rassismus. "Dabei bieten aktuelle Probleme wie die EU-Außengrenze, illegale Flüchtlinge, Asylpolitik und Abschiebepraxis genug Anlass dafür", wundern sich die Autoren. Ihre Bilanz: Die antirassistische Erziehung ist eigentlich keine, zielt statt auf Selbstbestimmung und Kritikfähigkeit nur auf ein bequemes Arrangement mit bestehenden Verhältnissen. "Es droht eine Entpolitisierung eines politischen Phänomens."

    Weitere Informationen

    Leif O. Mönter, Hildegardstr. 38, 44809 Bochum, Tel. 0234/5840888, E-Mail: leif.o.moenter@ruhr-uni-bochum.de, Arian Schiffer-Nasserie, Haldenstr. 88, 44809 Bochum, Tel. 0234/4143630


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).