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03.12.2003 13:54

Versorgung vor Ort unabdingbar

Diplom-Sozialwirt Marc Briele Hochschulkommunikation und -marketing
Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg

    Beim Internationalen Symposium für Mobile Jugendarbeit (ISMO) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi hat Prof. Dr. Gerhard Trabert auf die Gesundheitssituation von Straßenkindern in Deutschland aufmerksam gemacht. Der Allgemein- und Notfallmediziner, der an der Nürnberger Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Sozialmedizin lehrt, führt die Situation der wohnungslosen Jugendlichen in erster Linie auf emotionale Gründe zurück.

    "Während in Entwicklungsländern Kinder von ihren Eltern oft nicht ernährt werden können, landen sie in Deutschland auf der Straße, da sie emotional verhungern", erläuterte Prof. Trabert in seinem Referat. Neue Untersuchungen unterscheiden laut dem Mediziner zwischen sogenannten "Straßenkindern" in Cityszenen der Großstädte und "Stadtteilstraßenkids", die nicht nur in sozialen Brennpunkten, sondern auch in herkömmlichen Arbeitervierteln anzutreffen sind. Letztere leben jedoch noch mit einem Bein im Haus, haben allerdings erhebliche Distanz zu Familie, Schule, Ausbildung und Arbeit. Interessant ist dabei, dass sogenannte Straßenkinder in Innenstädten mehrheitlich Jugendliche und junge Erwachsene seien, während sich unter Stadtteil-Straßenkids viele Kinder unter 14 Jahre befänden.

    Besonderheiten in den neuen Bundesländern
    Betroffen seien in Deutschland - wo es keine verlässlichen Angaben über die Zahl der Straßenkinder gibt - besonders Stadtteile mit hoher Arbeitslosenquote und in den alten Bundesländern Stadtteile mit hohem Emigrantenanteil. Nach Expertenmeinung herrschen in den neuen Bundesländern zudem besondere Bedingungen vor, die für die Flucht der Kinder aus den Familien verantwortlich sind. So seien viele Eltern mit den Folgen der Wiedervereinigung und der daraus resultierenden umfangreichen Verantwortung für die Betreuung und Zukunftsgestaltung ihrer Kinder überfordert.

    Meist sei die Situation von Ausreißern, in Obdachlosensiedlungen lebenden Jugendlichen und Trebern von einem illegalen Status bestimmt, der Arztbesuche sowie eine Kontaktherstellung zu Behörden verhindere, so Dr. Trabert. "Besondere Gefahren lauern dann auf Straßenkinder, wenn sie zur Geldbeschaffung der Prostitution nachgehen", berichtete der Professor, "Von Bedeutung sind dabei Geschlechtskrankheiten wie Lues, Gonorrhoe, Aids oder Hepatitis B und C." Teilweise würden auch Schnüffelstoffe konsumiert, die akute Bewusstlosigkeit, Atemlähmung oder Langzeitfolgen und neurotoxische Wirkungen zur Folge haben können. Der FH-Professor führte weiter aus, dass psychosomatische Beschwerdekompelexe und Erkrankungen eine weitere wichtige Rolle im Leben der Straßenkinder spielten. Hierbei könnten Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zur Korrelation zwischen Armut und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen herangezogen werden. In diesem Zusammenhang seien immer wieder Kopf- und Rückenschmerzen, Ein- und Durchschlafstörungen, Zahn- und Infektionskrankheiten sowie Erkrankungen der Atmungsorgane festzustellen.

    Negative Erfahrungen überwinden
    Zur Behandlung ist es nach Ansicht des Mediziners wichtig, eine interdisziplinäre Kooperation mit Vertretern der Sozialarbeit, speziell der Streetworker, zu verwirklichen. Jedoch gelte es, das Hindernis der negativen Erfahrung der Jugendlichen mit der Erwachsenenwelt zu überwinden. Viele seien misstrauisch, weil sie Kommunikationsschwierigkeiten mit den Eltern hätten, sexuell missbraucht würden, in schlechten Verhältnissen lebten, zu wenig Zuwendung bekämen oder Drogen konsumierten.

    "Die medizinische Versorgung der Straßenkinder erfordert ein niedrigschwelliges, also aufsuchendes und interdisziplinär ausgerichtetes Gesundheitsversorgungsangebot", folgert Trabert schließlich und ergänzt: "Sozialarbeit und Medizin sollten dabei sehr eng miteinander kooperieren. Elementarer Bestandteil ist es, dass Mediziner die Betroffenen direkt auf der Straße aufsuchen, also dort wo sich die Patienten in erster Linie aufhalten." Dabei versteht sich dieses niedrigschwellige Versorgungsmodell als komplementär und bemüht sich um die Re-Integration der Patienten ins medizinische Regelsystem.

    Zur Person
    Prof. Dr. Gerhard Trabert lehrt an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg Sozialmedizin im Fachbereich Sozialwesen. Neben seiner Tätigkeit als Professor widmet sich der 47-jährige Arzt diversen sozialen Aufgaben: So hat er etwa vor zehn Jahren in seiner Heimat Rheinland-Pfalz ein Wohnungsprojekt für Obdachlose ins Leben gerufen. Daneben versorgt er Menschen ohne festen Wohnsitz auch medizinisch und war bereits bei diversen ehrenamtlichen Auslandseinsätzen in Krisengebieten der Dritten Welt tätig.

    Rückfragen richten Sie bitte an die Pressestelle der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg. Sie erreichen uns telefonisch unter 09 11 / 58 80 41 01 oder per Mail an presse@fh-nuernberg.de. Gerne vermitteln wir auch Interviews mit Prof. Dr. Gerhard Trabert.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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