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04.12.2003 14:41

RUB-Tagung zum "Cloning": Bioethik weltweit neu denken

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Die Forschung am Menschen sprengt unsere alten Denkmuster à la West-Ost, Christentum-Islam: Sie ist der am meisten globalisierte Bereich der Forschung und kein anderes Thema wird weltweit so intensiv diskutiert wie das das Forschen mit menschlichen Stammzellen, insbesondere die Gefahr des Klonens. Ob in Europa, Asien oder den USA, überall boomen die Lebenswissenschaften ("Life Sciences"), ohne dass es einheitliche Standards und Regeln der Ethik gibt. Bioethik neu und kulturübergreifend zu denken, fordern Wissenschaftler auf der internationalen Tagung "Cross-Cultural Issues in Bioethics - The Example of Human Cloning" (4.-6.12.) in der Ruhr-Universität Bochum.

    Bochum, 04.12.2003
    Nr. 373

    Bioethik weltweit neu denken
    Internationale "Cloning"-Tagung in der RUB
    Globale Biomedizin: Alte Denkmuster sind längst überholt

    Die Forschung am Menschen sprengt unsere alten Denkmuster à la West-Ost, Christentum-Islam: Sie ist der am meisten globalisierte Bereich der Forschung und kein anderes Thema wird weltweit so intensiv diskutiert wie das das Forschen mit menschlichen Stammzellen, insbesondere die Gefahr des Klonens. Ob in Europa, Asien oder den USA, überall boomen die Lebenswissenschaften ("Life Sciences"), ohne dass es einheitliche Standards und Regeln der Ethik gibt. Bioethik neu und kulturübergreifend zu denken, fordern Wissenschaftler auf der internationalen Tagung "Cross-Cultural Issues in Bioethics - The Example of Human Cloning" in der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Veranstalter ist die DFG-Forschergruppe "Kulturübergreifende Bioethik - Herausforderungen, Chancen, Probleme" (Sprecher: Prof. Dr. Heiner Roetz, Fakultät für Ostasienwissenschaften der RUB).

    Normkultur und Nutzenkultur

    "Gerade in der Auseinandersetzung um das Klonen von Menschen verlaufen die Gräben ganz anders als meist behauptet wird", sagt Prof. Dr. Walter Schweidler (Institut für Philosophie der RUB), Mitglied der DFG-Forschergruppe. Schweidler warnt vor einer "vorschnellen Verengung des Begriffs Kultur". In der bioethischen Debatte gehe es nicht um "westlich und nichtwestlich geprägte Kulturen", die sich gegenüberstehen. Auch handele es sich nicht um einen Streit zwischen "religiös fundierten Glaubensüberzeugungen" und "liberalen Verfechtern der Forschungsfreiheit": "Eher geht es um den Gegensatz im grundsätzlichen Verständnis von den Aufgaben und der Verantwortung des Staates", so Schweidler. Der Wissenschaftler und sein Forscherteam bereichern die Debatte um einen Kulturbegriff, der sich nicht auf religiöse oder ethnische Räume beschränkt: "Nutzenkultur" versus "Normkultur". In der Normkultur habe der moderne Rechtsstaat den Anspruch, Beschützer und Garant der Würde und des Lebens aller Menschen zu sein. Die Nutzenkultur hingegen betone die unvorhersehbaren Möglichkeiten, die Biologie und Biomedizin eröffnen, und damit die Regelungsohnmacht des Staates: Der Wert menschlichen Lebens werde auf "vorstaatlicher Ebene" ermittelt.

    Menschsein und Personsein

    Schweidler nennt auf der Bochumer Tagung ein weiteres grundsätzliches Problem: die philosophisch "höchst umstrittene Frage des Unterschieds zwischen Menschsein und Personsein": Zwar beschwöre zum Beispiel die EU-Grundrechte-Charta die "Würde des Menschen", den Schutz des Lebens und der Unversehrtheit garantiere sie dann aber nur für Personen. Schweidler prognostiziert daher weltweit eine "Situation tiefer Widersprüche, der Rechtsunsicherheit und ethisch verhängnisvoller Formelkompromisse." Dieses Problem auf dem Weg zu einem allgemeinen Konsens sieht auch Prof. Dr. Heiner Roetz: Stehen sich unterschiedliche Vorstellungen vom Menschen gegenüber, die ausschlaggebend für die bioethische Positionierung sind, sei die globale Verständigung bedroht, so der Sprecher der DFG-Forschergruppe.

    Klassische Industrieländer und Global Player

    Roetz leitet das Teilprojekt "China" in der Forschergruppe und kommt anhand seiner Forschungsergebnisse zu dem Schluss: "Moderne Biotechnologie und Lebenswissenschaften sind kein Monopol der klassischen Industrieländer mehr. Sie haben sich über eine Vielzahl geographischer Räume verbreitet, mit hohen Wachstumsraten insbesondere in Asien." So sei zum Beispiel China "einer der wichtigsten Global Player in vielen Bereichen der Lebenswissenschaften". Deutschland, Europa und die USA müssten diese Entwicklung berücksichtigen: Eine "zukunftsfähige bioethische Debatte" könne sich unter diesen Umständen keinen "provinziellen Horizont" mehr leisten, so Roetz: Die Bioethik müsse selbst in dem Maße global werden, wie die Strukturen ihres Gegenstandes durch die ökonomische Globalisierung, durch Joint Ventures und Import-Export-Beziehungen bestimmt sind. Die DFG-Forschergruppe untersucht diese Entwicklung, ohne das Problemfeld Bioethik und Kultur zu mystifizieren: "Es besteht offenkundig großer Bedarf an fundierten Informationen, Interpretationshilfen und vorangehender Forschung", so Roetz.

    Informed Consent und Community Consent

    Einen Beitrag dazu leistet das Teilprojekt "Informed Consent" der Universität Göttingen (Institut für Ethik und Geschichte der Medizin) von Prof. Dr. Claudia Wiesemann und ihrem Team. Das Konzept der "informierten Einwilligung" beruht auf der individuellen Autonomie der Person in allen Fragen, die die persönliche Gesundheit und das Wohlergehen betreffen: Nur das Individuum könne - nach ausführlicher Information und auf der Basis persönlicher Wertvorstellungen - entscheiden, ob medizinische Maßnahmen angemessen und zulässig sind. Menschen sind jedoch auch immer Teil einer Gemeinschaft: Verschiedene Kulturen entwickeln unterschiedliche Strategien, um mit dieser Tatasche umzugehen. Die Göttinger Forscher erweitern ihren Ansatz daher um den "Community Consent": Die Analyse des Umgangs mit den Grenzen von beiden - informierte individuelle Einwilligung und gesellschaftliche Einwilligung - erlaube mehr Kenntnisse über die ostasiatische Medizin- und Bioethik, so Wiesemann. Indem Europa und die USA den Blick auf Asien richten, werde der "Community Consent" auch hier an Bedeutung gewinnen. Die Folge könnten effektivere Hilfen für die Gesetzgeber oder lokale Ethikkommissionen sein, die sich mit unterschiedlichen Forschungsstandards auseinandersetzen und Richtlinien für verantwortungsvolle Forschung entwerfen. Im Klinikalltag können die Ergebnisse der Göttinger Wissenschaftler zu einem reflektierteren Umgang mit Patienten aus anderen Kulturen beitragen.

    Südkorea und Deutschland

    Wie hält es nun Ostasien mit dem Klonen? Das Beispiel Südkorea zeigt, dass die Haltung zum Thema mit der westlich geprägten Bioethik weitgehend übereinstimmen kann, die Beweggründe dafür jedoch andere sein können. Prof. Chin Kyo Hun, einer der einflussreichsten Bioethiker in Südkorea mit christlichem Hintergrund, erläutert auf der Bochumer Tagung die "Basisregeln", die sich in vier Punkten dem deutschen Embryonenschutzgesetz annähern: Demnach ist reproduktives Klonen grundsätzlich verboten, ebenso Eingriffe in die Keimbahn oder transgene Experimente; Forschung an und mit embryonalen Stammzellen ist unter strengen Auflagen erlaubt; schließlich wird die von koreanischen Forschern erhobene Forderung, therapeutisches Klonen freizugeben, um neue Stammzell-Linien zu schaffen, strikt zurückgewiesen. Diese "Gemeinsamkeiten" resultierten jedoch aus traditionellen Konzepten, die im koreanischen Denken tief verwurzelt seien, so Chin: "dem Respekt vor dem Leben und der Kindes-Pietät." Aus dieser traditionellen Sicht spricht sich Chin nicht nur für ein vollständiges Verbot des reproduktiven, sondern auch für weitgehende Einschränkungen des therapeutischen Klonens aus, die er jedoch nicht als Verletzung wissenschaftlicher Freiheit und Forschungsautonomie verstanden wissen will.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Heiner Roetz, Sprecher der DFG-Forschergruppe "Kulturübergreifende Bioethik - Herausforderungen, Chancen und Probleme", Fakultät für Ostasienwissenschaften der RUB, Tel. 0234/32-26254, -26255, -26258, E-Mail: heiner.roetz@ruhr-uni-bochum.de, Internet: http://www.rub.de/kbe


    Weitere Informationen:

    http://www.rub.de/kbe


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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