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03.11.1998 00:00

Aufbruch ins 21. Jahrhundert?

Ina Hormuth Öffentlichkeitsarbeit
HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung Hamburg

    Aufbruch ins 21. Jahrhundert?

    Die bisher bekanntgewordenen Einzelheiten zur Wirtschafts- und Finanzpolitik der Rot-Grünen Koalition lassen befürchten, daß die beiden Regierungsparteien eher auf kleiner Flamme kochen als große Lösungen mit Signalwirkung durchsetzen wollen, daß sie Verteilungsfragen einen höheren Stellenwert als Wachstum und Beschäftigung beimessen und daß die Zukunftsvorsorge gegenüber der Befriedigung von Gruppeninteressen ins Hintertreffen gerät, schreibt der Vizepräsident des HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung-Hamburg, Prof. Dr. Hans-Eckart Scharrer, in der neuesten Ausgabe der HWWA-Zeitschrift WIRTSCHAFTSDIENST

    Erkennbar werde dies zunächst in der Steuerpolitik. Hier sei die Koalition dabei, die Chance zu vertun, durch eine große Steuerreform mit einer durchgängigen kräftigen Senkung der Steuersätze die Bundesrepublik als Investitionsstandort und als Arbeitsort für hochqualifizierten Tätigkeiten zu stärken. Der Spitzensteuersatz werde zu langsam und zu wenig zurückgenommen, als daß davon eine positive Signalwirkung ausgehen könnte, und auch beim Eingangssteuersatz wäre mehr Mut angezeigt gewesen. Eine substantielle Steuerreform hätte bei einem klaren Zeitplan durchaus in Stufen verwirklicht werden können; bei dem Vorhaben der Koalition erwecke die Streckung über vier Jahre den Eindruck mangelnder Entschlossenheit. Durch die gewollte "Umverteilung von oben nach unten" werde Konsum auf Kosten von Investitionen gefördert, Unternehmen würden bis (mindestens) 2002 per saldo steuerlich zusätzlich belastet. Der dauerhaften Sicherung und Schaffung von Beschäftigung sei damit nicht gedient. Im gesamten Tarifbereich von ca. 50 000 DM bis 107 500 DM bleibe der Grenzsteuersatz unverändert - die "Neue Mitte" gehe somit bei den steuerlichen Leistungsanreizen leer aus. Die Nettoentlastung durch das Steuerpaket sei mit zehn Milliarden D-Mark gering und setzte überdies erst im Jahr 2002 ein. Eine Bundesregierung, die von der Bundesbank aktuell Zinssenkungen fordere, um einer befürchteten wirtschaftlichen Abschwächung entgegenzuwirken, hätte finanzpolitisch die zeitliche Verteilung anders setzen müssen.

    Im neunten Jahr nach der Wiedervereinigung sei es zudem dringend angezeigt, einen Zeitplan für das Auslaufen des Solidaritätszuschlages vorzulegen. Die Aufgabe, den "Aufbau Ost" weiterhin voranzutreiben, werde davon nicht berührt. Sie müsse aber ebenso im Rahmen der normalen Haushaltsfinanzierung geleistet werden wie dies auch für andere Staatsaufgaben gelte. Mittel dafür könnten durch den Abbau von Subventionen freigemacht werden. Nur auf diese Weise könne mittelfristig die Staatsquote weiter zurückgeführt werden.

    Auch in der Sozialpolitik deute vieles darauf hin, daß die Weichen falsch gestellt werden sollten: in Richtung auf die Verlagerung von Soziallasten in den Haushalt anstatt auf den Abbau dieser Lasten. Dies könne auf die Dauer nicht gelingen. Zwar sei der Ansatz, den knappen "Faktor Umwelt" stärker zu belasten, prinzipiell richtig. Die Aufgabe, das Sozialsystem zu reformieren, bleibe davon jedoch unberührt. Ökonomisch geradezu widersinnig wäre es, so Scharrer, unter dem Etikett "Senkung der Lohnnebenkosten" den Energieverbrauch höher zu besteuern, gleichzeitig aber Maßnahmen der scheidenden Bundesregierung zur Begrenzung eben dieser Lohnnebenkosten rückgängig zu machen: die Absenkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die schrittweise Reduzierung des Rentenniveaus. Diese Maßnahmen bedürften vielmehr der Ergänzung durch zusätzliche Anreize zur Senkung der Krankheitskosten und die Entlastung der umlagefinanzierten Rentenversicherung - durch Elemente der Kapitaldeckung und eine höhere private Eigenvorsorge für das Alter. Statt dessen laute das Signal, das von den Steuerbeschlüssen ausgehe: private Vorsorge wird bestraft. Wer aus seinem (versteuerten!) Einkommen Geldvermögen bilde, anstatt ohne Rücksicht auf die Zukunft zu konsumieren, unterliege künftig in der Ansparphase ebenso wie später als Rentner schon bei vergleichsweise geringen Erträgen der vollen Besteuerung. Hier seien Kurskorrekturen dringend geboten.

    Hamburg, 29.10.98 Telefon 040 35 62 354


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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