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11.03.2020 19:17

Mikroben weit unter dem Ozeanboden sind auf Recycling angewiesen, um zu überleben

Ulrike Prange Pressestelle
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

    Team gewinnt Einblicke in die Funktionsweise von Organismen in der tiefen Biosphäre

    Ein internationales Team von Forschenden hat die Überlebensmechanismen von Mikroorganismen in Gesteinen untersucht, die sich Tausende von Metern unter dem Ozeanboden in der unteren ozeanischen Kruste einnisten. Die Studie unter Federführung der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) wurde jetzt im Fachjournal Nature veröffentlicht. Mit beteiligt ist auch Dr. Florence Schubotz vom MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen.

    Für den Nachweis haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Boten-Ribonukleinsäure (Boten-RNA) analysiert. Sie ist dafür verantwortlich, Informationen zur Bildung von Proteinen in Zellen zu transportieren. Diese Analyse wurde mit Messungen von Enzymaktivitäten, Mikroskopie, Kulturen und Biomarker-Analysen gekoppelt. Das Ergebnis dieser kombinierten Untersuchungen zeigt, dass es eine vielfältige Gemeinschaft von Mikroben gibt, die als Konsumenten in der Nahrungskette agieren und so Kohlenstoff und Energie erhalten.

    „Organismen, die weit unter dem Meeresboden leben, leben in einer lebensfeindlichen Umgebung“, sagt Dr. Vivian Mara, WHOI-Biochemikerin und eine der Hauptautorinnen des Artikels. Knappe Ressourcen finden ihren Weg in den Meeresboden durch Meerwasser und unterirdische Flüssigkeiten, die durch Risse im Gestein zirkulieren und anorganische und organische Verbindungen mit sich führen. „Um das spärliche Leben in diesen Steinen nachzuweisen, müssen wir auf modernste Spurenanalytik zurückgreifen“, erklärt Florence Schubotz, organische Geochemikerin am MARUM.

    Um zu sehen, welche Arten von Mikroben in diesen Extremen leben und was sie tun, um zu überleben, sammelten die Forscherinnen und Forscher während drei Monaten an Bord der Expedition 360 im Rahmen des International Ocean Discovery Program (IODP) Gesteinsproben aus der unteren ozeanischen Kruste. Das Forschungsschiff reiste zu einem Unterwasser-Rücken namens Atlantis Bank, der den südlichen Indischen Ozean durchquert. Dort legt die tektonische Aktivität die untere ozeanische Kruste am Meeresboden frei und „bietet einen bequemen Zugang zu einem sonst weitgehend unzugänglichen Gebiet“, schreiben die Autorinnen und Autoren.

    Das Team durchkämmte die Felsen nach genetischem Material und anderen organischen Molekülen, zählten Zellen und züchteten Proben im Labor, um bei der Suche nach Leben zu helfen. „Wir haben einen völlig neuen Methodencocktail angewandt, um diese kostbaren Proben so intensiv wie möglich zu erforschen“, sagt Dr. Virginia Edgcomb, Mikrobiologin am WHOI, leitende Forscherin des Projekts und Mitautorin der Arbeit. „In Kombination erzählen die Daten eine Geschichte von Überlebenskünstlern, die es schaffen, unter unwirtlichen Bedingungen jede spärlich vorhandene Ressource zu nutzen und einzulagern.“ Florence Schubotz vom MARUM ergänzt: „Die Ergebnisse waren überraschend, da wir damit gerechnet haben, dass in diesen kohlenstoffarmen Gebieten ursprünglichere Stoffwechselwege vorherrschen, die einfache Kohlenstoffverbindungen nutzen.” Das ist zum Beispiel an anderen extremen Standorten wie heißen Quellen der Fall.

    Die Studie ist ein Beleg für die vielfältigen Überlebensstrategien von Mikroorganismen im Ozeanboden. Einige Mikroben scheinen zum Beispiel Kohlenstoff in ihren Zellen zu speichern, so dass sie sich für Zeiten des Mangels bevorraten konnten. Andere verarbeiten etwa Stickstoff und Schwefel, um Energie zu gewinnen, und scheinen dabei Vitamin E und B12 zu produzieren, Aminosäuren zu recyceln und Kohlenstoff aus schwer abbaubaren Verbindungen, den so genannten polyaromatischen Kohlenwasserstoffen, verwerten zu können.

    Diese neuen Einblicke in das Leben in fernen Gebieten der Erde ließen offen, wie diese mit anderen Stoffkreisläufen in den Ozeanen verknüpft sind, sagt Schubotz. „Wenn man bedenkt, wie groß das Volumen der ozeanischen Kruste ist, können selbst niedrige Zellzahlen und langsame Stoffwechselraten einen Beitrag zu globalen Prozessen leisten.“

    Originalpublikation:
    Jiantao Li, Paraskevi Mara, Florence Schubotz, Jason Sylvan, Gaetan Burgaud, Frieder Klein, David Beaudoin, Shu-Ying Wee, Henry Dick, Sarah Lott, Rebecca Cox, Lara Meyer, Maxence Quemener, Donna Blackman, Virginia Edgcomb: Recycling and metabolic flexibility dictate life in the lower oceanic crust. Nature 2020. DOI: 10.1038/s41586-020-2075-5

    Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kontakt:
    Dr. Florence Schubotz
    Organische Geochemie
    Tellefon: 0421-218-65724
    E-Mail: schubotz@uni-bremen.de


    Originalpublikation:

    Jiantao Li, Paraskevi Mara, Florence Schubotz, Jason Sylvan, Gaetan Burgaud, Frieder Klein, David Beaudoin, Shu-Ying Wee, Henry Dick, Sarah Lott, Rebecca Cox, Lara Meyer, Maxence Quemener, Donna Blackman, Virginia Edgcomb: Recycling and metabolic flexibility dictate life in the lower oceanic crust. Nature 2020. DOI: 10.1038/s41586-020-2075-5


    Weitere Informationen:

    http://www.nature.com/articles/s41586-020-2075-5 - Originalpublikation
    http://iodp.tamu.edu/scienceops/expeditions/indian_ridge_moho.html - Mehr Infos zur IODP Expedition 360


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Chemie, Energie, Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Kooperationen
    Deutsch


     

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