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14.01.2004 10:45

RUB-Experte zum Amnesty-Polizeibericht: Dringender Handlungsbedarf

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Spektakuläre Fälle von polizeilichem Fehlverhalten, in denen es bis zur Menschenrechtsverletzung geht, beschäftigen immer wieder die Öffentlichkeit. Aber anstatt konstruktiv mit Fehlern umzugehen und daraus zu lernen, wird bei der Polizei vertuscht und weitergemacht, so ein heute veröffentlichter Bericht von Amnesty International über die deutsche Polizei. "Der Bericht zeigt, dass im Bereich der Menschenrechte bei der Polizei nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf besteht", so der RUB-Jurist Prof. Dr. Thomas Feltes. Er fordert z. B. Ombudsmänner.

    Bochum, 14.01.2004
    Nr. 13

    Polizisten sind auch nur Menschen
    Fehler bei der Polizei - dringender Handlungsbedarf
    Kommentar zum Bericht von Amnesty International

    Jeder macht mal Fehler, auch Polizisten. Spektakuläre Fälle von polizeilichem Fehlverhalten, in denen es bis zur Menschenrechtsverletzung geht, beschäftigen immer wieder die Öffentlichkeit. Aber anstatt konstruktiv mit Fehlern umzugehen und daraus zu lernen, wird bei der Polizei vertuscht und weitergemacht, so ein heute veröffentlichter Bericht von Amnesty International über die deutsche Polizei. "Der Bericht zeigt, dass im Bereich der Menschenrechte bei der Polizei nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf besteht", so Prof. Dr. Thomas Feltes (Lehrstuhl für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität) in seinem Kommentar zum Amnesty Bericht. Er fordert z. B. die Einrichtung eines Ombudsmannes oder einer unabhängigen Stelle, die sich mit Beschwerden und Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei beschäftigt. "Das ist in Deutschland längst überfällig", so Feltes.

    Bericht im Internet

    Der Bericht steht im Internet unter: http://www.polizei-newsletter.de/pdf-files.htm und http://www.amnestypolizei.de/

    Aus Fehlern lernen

    "Viele Polizeibeamte trauen sich nicht, Fehlverhalten von Kollegen zu melden, weil sie keine entsprechende Unterstützung erfahren", so Prof. Feltes, der vor seiner Tätigkeit an der Ruhr-Universität über zehn Jahre lang Leiter einer Polizei-Hochschule war und regelmäßig als Polizei-Experte für den Europarat, die OSZE und andere internationale Organisationen tätig ist. Zwar seien in den letzten Jahren vor allem in der Polizeiausbildung in Deutschland Fortschritte bei der Vermittlung der Menschenrechte gemacht worden; konkrete Ereignisse und Fehlverhalten in der Polizei würden aber noch immer zu oft verschwiegen oder vertuscht. Das ist ein Hinweis auf ein strukturelles Problem: Es gibt keine Fehlerkultur. "Fehler dürfen in der Polizei nicht vorkommen. Dies ist die Vorgabe vieler Polizeiführer. Also werden Fehler, wenn sie passieren, vertuscht. Dies ist dann der Beginn einer leidvollen gegenseitigen Abhängigkeit", schildert Feltes.

    Schnell und konsequent ermitteln

    Der Bochumer Jurist unterstützt auch die Forderung von Amnesty nach konsequenteren und schnelleren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beim Verdacht eines Missbrauchs von Polizeigewalt oder nach Übergriffen z.B. auf Ausländer. Dies sei im Interesse der Polizei insgesamt. Die internationale Polizeiforschung habe längst gezeigt, dass polizeiliche Integrität ständig gesichert und bewahrt werden müsse. "Wer das Recht und die Gewalt hat, alle zu schützen, unterliegt auch der Versuchung, es zu missbrauchen." Die von Amnesty in den bislang drei deutschen Polizeiberichten dokumentierten Ereignisse hätten gezeigt, dass polizeiliche Übergriffe keine Einzelfälle seien, für die man ausschließlich einzelne Beamte verantwortlich machen könne. Vielmehr ermöglichten strukturelle Probleme und Unzulänglichkeiten in der Polizei ein solches Verhalten erst. Auch der ständige politische Druck auf die Polizei sei wenig hilfreich. "Meine eigenen Studien zeigen, dass sich viele Polizeibeamte von der Politik missbraucht fühlen. Sie haben das Gefühl, Fehler, die die Politik macht, in ihrem Alltag ausbaden zu müssen."

    Statistiken müssen publik werden

    Als Kriminologe bemängelt Feltes, dass es in Deutschland keine allgemein zugänglichen Statistiken über polizeiliches Fehlverhalten gibt: "Wir zählen und messen bei der Polizei alles mögliche, nur solche, für ein demokratisches Gemeinwesen wichtigen Informationen will man offensichtlich nicht publik machen". Er fordert die vorrangig zuständigen Innenministerien der Länder auf, hier bald Abhilfe zu schaffen und für bundesweit einheitliche Erfassungsstandards zu sorgen.

    Härtere Strafen nützen nichts

    Im Gegensatz zu Amnesty hält Feltes aber nichts davon, Polizeibeamte, die gegen Vorschriften verstoßen haben, härter zu bestrafen: "Je schwerer die zu erwartende Strafe ist, umso eher werden der Beamte und seine Kollegen versuchen, ein Fehlverhalten zu vertuschen". Feltes geht sogar so weit, eine Strafbefreiung bei Selbstanzeige zu fordern: "Eine solche Regelung haben wir bereits im Steuerstrafrecht, und dort hat sie sich bewährt." Dies würde den Druck von den Beamten nehmen und sicherlich vielen Opfern polizeilicher Übergriffe eher gerecht werden als ein langes Strafverfahren, das zumeist aufgrund der ungleichen Beweislage eingestellt wird. Oder die Opfer würden zu Tätern, wenn sie wegen Widerstandes gegen Polizeibeamte angeklagt und verurteilt werden. Strafverzicht bei Selbstanzeige bei gleichzeitiger zivilrechtlicher Kompensation würde auch den aktuellen kriminalpolitischen Tendenzen entsprechen, Straftaten eher durch Mediation und Täter-Opfer-Ausgleich zu erledigen. In den meist lang dauernden, oftmals bürokratischen Strafverfahren würde der Polizeibeamte alles daran setzen, seine Unschuld zu beweisen, weil seine berufliche Zukunft auf dem Spiel steht: "Polizeibeamte haben keine berufliche Alternative: Sie sind Polizeibeamte, sie haben in ausschließlich polizeilichen Ausbildungseinrichtungen gelernt Polizeibeamte zu sein und sie können daher nur Polizeibeamte sein", stellt Feltes klar.

    Lob zwischen den Zeilen

    "Polizeiliches Fehlverhalten ist vor allem ein internes Führungsproblem: Abhilfe schaffen können auf Dauer nur eine konsequente demokratische Polizeistruktur und verantwortungsbewusste Führungspersonen", fasst der Experte zusammen. Druck von außen (z.B. durch Gerichtsverfahren oder öffentliche Diskussionen) fördere nur den Zusammenhalt untereinander in der Polizei. Man fühle sich unberechtigterweise angegriffen und halte zusammen, auch wenn dies vielen nicht immer passt. "Der Gruppendruck in der Polizei ist sehr stark. Er kann einzelne Polizeibeamte krank machen, in den Alkohol oder sogar in den Selbstmord treiben, wie Schicksale der letzten Jahre belegen." Feltes hofft, dass der neueste Polizeibericht von Amnesty International diese Tendenz nicht verstärkt, sondern von der Polizeipraxis und der Polizeiführung konstruktiv aufgegriffen wird: "Zwischen den Zeilen kann man in dem Bericht durchaus auch Lob für die deutsche Polizei lesen - etwas, was für Amnesty eher ungewöhnlich ist. Die deutsche Polizei sollte ihre Bestrebungen fortsetzen und weiterhin mit Amnesty zusammenzuarbeiten, indem sie z. B. Vertreter von Amnesty in den Polizeiunterricht einbezieht, wie dies vielerorts bereits geschieht."

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. iur Thomas Feltes M.A., Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-28245, 0173/3170807, E-Mail: mail@thomasfeltes.de, Vita und Bilder von Prof. Feltes stehen auf seiner Homepage unter http://www.thomasfeltes.de


    Weitere Informationen:

    http://www.polizei-newsletter.de/pdf-files.htm
    http://www.amnestypolizei.de/
    http://www.thomasfeltes.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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