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Bislang ältester Grünkernfund: Forschung der Uni Hohenheim weist erstmals nach, dass es sich bei Funden aus Keltensiedlung von Hochdorf um bis heute beliebte Speise handelt
Verkohlte Getreidekörner liefern den entscheidenden Hinweis: Bei archäologischen Grabungen in der Keltensiedlung von Eberdingen-Hochdorf (Vaihingen a. d. Enz) kamen auch Reste von Nahrungsmitteln zum Vorschein. Mit einer aktuellen Publikation belegt ein Team der Universität Hohenheim in Stuttgart jetzt, dass schon die Kelten Grünkern gekannt haben müssen. Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, kombinierte die Arbeitsgruppe Ansätze aus drei verschiedenen Disziplinen: Ethnographie, Lebensmitteltechnologie und Archäologie. Die Ergebnisse veröffentlichte das Journal of Archaeological Science unter: https://doi.org/10.1016/j.jas.2020.105143
Lange war Grünkern fast in Vergessenheit geraten, doch im Zuge der zunehmenden Popularität einer vollwertigen Ernährungsweise erfreut auch er sich wieder steigender Beliebtheit. „Vor allem sein hoher Eiweißanteil macht ihn zu einem heimischen Superfood“ hebt Archäobotanikerin Dr. Marian Berihuete-Azorín von der Universität Hohenheim hervor. Dazu enthält er noch nennenswerte Mengen an B-Vitaminen und Magnesium.
Entstanden ist er vermutlich aus einer Notlage. Denn bei Grünkern handelt es sich um nichts anderes als unreif geernteten Dinkel, der über ein spezielles Trocknungsverfahren mithilfe von offenem Buchenholzfeuer in einer Darre haltbar gemacht wird. Dabei verfärbt sich das Korn und erhält seine oliv-grüne Farbe und zugleich seinen nussigen, würzig-rauchigen Geschmack.
Der hohe Arbeitsaufwand sicherte gegen Ernteausfälle
Die Ernte des noch unreifen, grünen Getreides erfordert zwar einen deutlich höheren Arbeitsaufwand als die von vollreifem Dinkel. Sie weist jedoch einige Vorteile auf. So können zumindest Teile der Ernte in Regionen mit kurzen und feuchten Sommern gesichert werden, vor allem wenn erst kurz vor der Reifung der Körner eine Schlechtwetter-Periode auftritt.
Zudem beginnt die Erntezeit rund einen Monat früher als die des Dinkels, also dann, wenn die Vorräte aus dem Vorjahr knapp werden. Darüber hinaus verändert das Trocknen und Rösten der Körner ihr Aussehen und ihren Geschmack. So ist könnte aus einem Lebensmittel, das in der Not entstanden ist, eine hoch geschätzte Zutat geworden sein, die zu neuen schmackhaften Gerichten verarbeitet werden kann.
Vor allem in Süddeutschland wurde und wird Grünkern viel genutzt
Verschiedenen Berichten zufolge war Grünkern in Deutschland schon im 17. Jahrhundert bekannt. Als „Heimat des Grünkerns“ gilt ein Landstrich in Nordbaden: das Bauland. Seit 2015 trägt der hier auf traditionelle Weise erzeugte „Fränkische Grünkern“ das europaweite Kennzeichen „geschützte Ursprungsbezeichnung“.
Dass es sich auch bei Körnerfunden aus der archäologischen Grabung in Hochdorf um grün geernteten Dinkel handelte, wie Dr. Hans-Peter Stika vom Fachgebiet Molekulare Botanik der Universität Hohenheim vorgeschlagen hatte, war bisher nicht bewiesen: „Bis jetzt hatten wir nicht die Möglichkeit das Vergleichsmaterial zu erstellen und die Ergebnisse mit archäologische Resten zu vergleichen“ erläutert Dr. Berihuete-Azorín.
Kombination aus drei Wissenschaftsdisziplinen führte zum Ergebnis
Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, kombinierten die Wissenschaftler im Rahmen des vom europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten Projektes „PlantCult“ Ansätze aus drei verschiedenen Disziplinen: Ethnographie, Lebensmitteltechnologie und Archäologie.
Die Forscher beschäftigten sich unter anderem eingehend mit der traditionellen Herstellung von Grünkern, wie sie heute noch im Bauland praktiziert wird und erhielten so aktuelles Vergleichsmaterial. Dabei half die enge Zusammenarbeit mit Armin Mechler und Jürgen Stäzler, zwei Grünkernherstellern aus der Region. Beim anschließenden Verkohlungsprozess veränderten Grünkern und Dinkel ihre äußere Form jeweils in charakteristischer Weise, so dass die Experten sie allein aufgrund ihres Aussehens unterscheiden können.
Der Vergleich der modernen Proben mit den archäologischen Funden zeigte deutliche Übereinstimmungen. Dr. Berihuete-Azorín geht deshalb davon aus, dass bereits die Kelten im 5. Jahrhundert vor Christus sowohl den reif geernteten Dinkel als auch Grünkern in der Küche verwendeten.
HINTERGRUND: „PlantCult“
In dem Projekt „PlantCult“ unter der Leitung von Prof. Dr. Soultana Maria Valamoti von der Aristoteles-Universität Thessaloniki befassen sich europaweit Forscher aus Griechenland, Deutschland, Österreich, der Schweiz , Spanien, Frankreich und Bulgarien mit der Erforschung der prähistorischen Küche Europas am Ende der Eisenzeit. Das Augenmerk liegt dabei auf pflanzlichen Zutaten und ihrer Zubereitung. Dabei wird ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt: Archäologische Funde werden mit ethnografischen Beobachtungen, experimentellen Nachbildungen und alten Texten in Zusammenhang gebracht.
„PlantCult“ wird vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) mit insgesamt knapp 1,9 Millionen Euro über fünf Jahre hinweg gefördert. Weitere Informationen
http://plantcult.web.auth.gr/en/
Aktuelle Publikation:
Berihuete-Azorín, M, Stika, H-P, Hallama M, Valamoti SM: Distinguishing ripe spelt from processed green spelt (Grünkern) grains: Methodological aspects and the case of early La Tène Hochdorf (Vaihingen a.d. Enz, Germany), https://doi.org/10.1016/j.jas.2020.105143.
Weitere Informationen
Publikation im Journal of Archaeological Science: https://doi.org/10.1016/j.jas.2020.105143
Projekt PlantCult: http://plantcult.web.auth.gr/en/
Kontakt für Medien
Dr. rer. nat. Hans-Peter Stika, Universität Hohenheim, Fg. Molekulare Botanik
T 0711 459 23851, E hans-peter.stika@uni-hohenheim.de
Dr. Marian Berihuete-Azorín, Universität Hohenheim, Fg. Molekulare Botanik
E mberihueteazorin@gmail.com
Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
http://www.uni-hohenheim.de/presse
Text: Stuhlemmer / Klebs
Bildquelle: Universität Hohenheim
Merkmale dieser Pressemitteilung:
jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch
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