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Wissenschaft
Das im Rahmen der Reformationsdekade entwickelte Reformationsportal Mitteldeutschland (www.reformationsportal.de) wächst weiter. Neuestes Projekt im Reformationsportal sind die Überlieferungen des Merseburger Domherrn, Zeitzer Propsts und Bischofs von Naumburg Julius Pflug (1499-1564). In Kooperation mit den Vereinigten Domstiftern zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz wird es in den nächsten Jahren ausgebaut. Die Projekthomepage zu Pflug ist heute an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena freigeschaltet worden.
Als Ratgeber und Diplomat am Dresdner Hof, als von Kaiser Karl V. und der päpstlichen Kurie für die Verhandlung mit der evangelischen Seite bestimmter Kirchenmann war Pflug an den entscheidenden Entwicklungen seiner Zeit maßgeblich beteiligt. Durch sein ganz Europa überspannendes Beziehungsnetz stand er im Austausch mit den wichtigsten Persönlichkeiten seiner Epoche, u. a. mit Philipp Melanchthon. Aufgrund seines vermittelnden und stets am Gedanken der christlichen Einheit orientierten Wirkens kann Pflug als einer der frühneuzeitlichen Vordenker der Ökumene gelten.
Julius Pflug bestieg 1547 den Naumburger Bischofsstuhl, nachdem der lutherische Bischof Nikolaus von Amsdorf vertrieben worden war. Pflug gehörte jener Gelehrtengeneration an, die in den Strudel des Reformationszeitalters gerissen wurde. Wie Melanchthon, der sich im Unterschied zu Pflug den Lehren Martin Luthers anschloss und später dessen Erbe antrat, spielte auch Pflug als Vertreter der katholischen Seite ab Ende der 1530er Jahre zunehmend eine führende Rolle. So war es Pflug, der als Reformtheologe Ende der vierziger Jahre maßgeblich für das Zustandekommen des Interims verantwortlich zeichnete. Doch blieb ihm der Lohn für sein Streben versagt, das auf einen Ausgleich zwischen den Konfessionen abzielte. Wie sein Gegenüber Melanchthon scheiterte er an den unüberbrückbaren politischen und kirchenpolitischen Differenzen seiner Zeit und starb als letzter Naumburger Bischof 1564 in Zeitz.
Julius Pflugs Vermächtnis
Das bleibende und bis heute als Teil der Stiftsbibliothek in Zeitz bewahrte Vermächtnis von Julius Pflug ist seine einzigartige Bibliothek. Sie gehört europaweit zu den wenigen, nahezu vollständig erhaltenen Privatbibliotheken des Reformationszeitalters. In der Bibliothek dominieren die zeitnahen Ausgaben, die Pflug im Verlauf seines Lebens sukzessive erwarb bzw. als Geschenk erhielt. Dazu gehören u. a. eine der größten zeitgenössisch zusammengetragenen Sammlungen an Drucken der Werke Martin Luthers sowie Werke der herausragenden Theologen dieser Zeit.
Die gewaltige, ursprünglich rund 1.000 Bände bzw. fast 2.000 Drucke umfassende Büchersammlung ist das Ergebnis gezielter Sammeltätigkeit, die sich über nahezu fünf Jahrzehnte erstreckte. Die Bibliothek, von der sich bis heute knapp 900 Bände mit circa 1.700 Drucken in Zeitz erhalten haben, ist eine für die Zeit hochmoderne, alle Wissensbereiche abdeckende Sammlung. Ihr Profil widerspiegelt auf nahezu einzigartige Art und Weise die über den mitteldeutschen Raum an epochalen Umbrüchen, Verwerfungen und Kontroversen reiche politische und kirchenpolitische Entwicklung in den beiden ersten Dritteln des 16. Jahrhunderts. Durch das neue Projekt wird diese Bibliothek in Jena digital zugänglich gemacht. Dass dies im „lutherischen“ Reformationsportal geschieht, ist doch ungewöhnlich, da Pflug ein „Altgläubiger“ ist. „Pflug ist kein Reformator im üblichen Sinne“, sagt dazu der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Christopher Spehr von der Universität Jena. Aber der Katholik Pflug „hat sich intensiv mit dem Protestantismus auseinandergesetzt“. Und diese Perspektive erweitere den Blick auf die Reformation und sei so natürlich auch für das Portal geeignet, das bei der Vernetzung von verwandten Themen eine immer größere Rolle spiele.
Das Reformationsportal Mitteldeutschland
Im Reformationsportal Mitteldeutschland, das dank zahlreicher Förderer zustande kam, werden Dokumente zum Reformationsgeschehen in der Mitte Deutschlands zusammengefasst und für einen großen Nutzerkreis, der vom Schüler bis zum Wissenschaftler reicht, präsentiert. Die inhaltliche Koordinierung des Reformationsportals liegt bei den Professoren Christopher Spehr und Joachim Bauer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die technische Betreuung des Portals liegt in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB).
Mittlerweile sind im Reformationsportal neben dem „Digitalen Archiv der Reformation“ die Neuedition des „Unterrichts der Visitatoren 1528“, die aufgearbeiteten Schriften und Drucke von Georg Rörer, einem der engsten Mitarbeiter Martin Luthers, die Flugschriftensammlung der Wartburg, aber auch der „Gründungsbestand“ der ThULB, die „Bibliotheca Electoralis“, digital bereitgestellt, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Aufnahme weiterer Projekte ist geplant: An der Anhaltischen Landesbücherei Dessau wird zurzeit an der Digitalisierung der 437 Bände mit 1.710 gedruckten Titeln und 237 Handschriften der Bibliothek Herzog Georgs III. von Anhalt gearbeitet. Nach der Fertigstellung der wissenschaftlichen Bearbeitung werden auch sie über das Reformationsportal Mitteldeutschland erreichbar sein. Die Reformation und ihre Erforschung sowie ihr mitteldeutsches Portal haben eine vielversprechende Zukunft vor sich.
Prof. Dr. Christopher Spehr
Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 6, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 942730
E-Mail: christopher.spehr[at]uni-jena.de
apl. Prof. Dr. Joachim Bauer
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 9401908
E-Mail: joachim.bauer[at]uni-jena.de
Michael Lörzer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB)
Bibliotheksplatz 2, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 9404000
E-Mail: thulb_direktion[at]thulb.uni-jena.de
http://www.reformationsportal.de
http://pflug.reformationsportal.de/index.php?id=731
Eine Ausgabe der Bibel in Griechisch aus dem Besitz von Julius Pflug aus dem 16. Jh. vor dem Bildnis ...
Axel Burchardt/Uni Jena
Bildnisepitaph Julius Pflug.
Vereinigte Domstifter
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Religion
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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