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15.07.2020 16:46

Neue Studie an der JGU zeigt weitere Zuspitzungen in der häuslichen Altenpflege während der Covid-19-Pandemie

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Eine Studie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) unter der Leitung von Dr. Vincent Horn und Prof. Dr. Cornelia Schweppe zeigt, dass sich die Pflegesituation von älteren Menschen, die zu Hause betreut werden, während der Pandemie deutlich verschlechtert hat. Dies betrifft sowohl die Pflegebedürftigen als auch die pflegenden Angehörigen.

    Ältere Menschen stehen im Rahmen der Covid-19-Pandemie im besonderen Blick der Öffentlichkeit. Daher überrascht es, dass die Risikogruppe der 2,6 Millionen pflegebedürftigen älteren Menschen, die zu Hause unter großer Beteiligung von Angehörigen gepflegt werden, in dieser Krise kaum von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit thematisiert werden. Die Frage, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf die häusliche Altenpflege hat, stellt sich mit Nachdruck. Denn die erheblichen Problematiken der häuslichen Altenpflege und die Belastungen von pflegenden Angehörigen sind seit vielen Jahren und lange vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie bekannt.

    Eine Studie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) unter der Leitung von Dr. Vincent Horn und Prof. Dr. Cornelia Schweppe zeigt, dass sich die Pflegesituation von älteren Menschen, die zu Hause betreut werden, während der Pandemie deutlich verschlechtert hat. Dies betrifft sowohl die Pflegebedürftigen als auch die pflegenden Angehörigen. „Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass die ohnehin prekäre häusliche Altenpflege von alten Menschen unter Covid-19 weitere Zuspitzungen erfährt. Die als besondere vulnerable Gruppe identifizierten Pflegebedürftigen sollen geschützt werden; de facto erweisen sie und ihre pflegenden Angehörige sich als höchst vernachlässigte Gruppe“, so Prof. Schweppe, Institut für Erziehungswissenschaft der JGU.

    Für die Studie wurden 330 pflegende Angehörige online befragt. Ergänzend wurden qualitative Interviews durchgeführt. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, dass sich die Covid-19-Pandemie negativ auf den Gesundheitszustand der pflegebedürftigen Person ausgewirkt habe. Auf wichtige Arzttermine und notwendige Krankenhausaufenthalte musste in vielen Fällen verzichtet werden. Zudem haben fast drei Viertel der Befragten eine Zunahme von Einsamkeit und/oder depressiven Verstimmungen bei der pflegebedürftigen Person wahrgenommen. Hier zeigen sich die negativen Auswirkungen der verhängten Kontaktbeschränkungen. 85 Prozent der Befragten sagen, dass Besuche von Verwandten, Bekannten oder Freunden bzw. Freundinnen bei der pflegebedürftigen Person aufgrund von Covid-19 eingeschränkt wurden. Auch die pflegenden Angehörigen haben fast zur Hälfte den Kontakt zu der pflegebedürftigen Person eingeschränkt.

    Zunahme von Be- und Überlastung der pflegenden Angehörigen

    Für die pflegenden Angehörigen zeige die Studie ebenfalls höchst bedenkliche Ergebnisse, so Schweppe. Über die Hälfte der befragten Angehörigen gibt an, dass die Pflege belastender als vor dem Ausbruch von Covid-19 sei und 38 Prozent berichten, sich in der derzeitigen Pflegesituation überfordert zu fühlen.

    Die angespannte Pflegesituation drückt sich auch in einer Verschlechterung der Beziehung zwischen der pflegebedürftigen Person und den pflegenden Angehörigen aus. Dies berichten drei Viertel der Befragten. Zudem ist es bei einen Drittel häufiger zu Konflikten mit der pflegebedürftigen Person gekommen.

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten daher auch, dass die Zunahme von Be- und Überlastung der pflegenden Angehörigen sowie die angespannten Beziehungen zwischen den pflegenden Angehörigen und den Pflegebedürftigen Auswirkungen auf Gewalt in der häuslichen Pflege haben können. „Hohe Belastungen von pflegenden Angehörigen wurden seit langem als ein wichtiger Faktor für Gewalt in der Pflege identifiziert“, so Dr. Vincent Horn, Institut für Erziehungswissenschaft der JGU. „Die Zunahme von Belastungen unter Covid-19 ist entsprechend beunruhigend. Im Gegensatz zur Thematisierung der möglichen Auswirkungen der Covid-19-Krise auf Gewalt gegenüber Kindern und Frauen, bleibt dieses Thema bezüglich der Altenpopulation allerdings bisher unberücksichtigt.“

    Die Studie zeigt schließlich auch, dass sich die überwiegende Mehrheit (68 Prozent) in der Covid-19-Pandemie von der Politik alleingelassen fühlt. „Dies ist folgenschwer“, so Prof. Schweppe, „denn pflegende Angehörige können in dieser Krise oft nicht auf tragfähige Entlastungs- und Unterstützungsstrukturen zurückgreifen.“ Fast jedem dritten Befragten steht in dieser Situation keine Person zur Verfügung, mit welcher er über seine Nöte und Sorgen sprechen und welche er um Unterstützung bitten kann.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Cornelia Schweppe
    AG Sozialpädagogik
    Institut für Erziehungswissenschaft
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-20727 oder -26380
    Fax +49 6131 39-26050
    E-Mail: c.schweppe@uni-mainz.de
    http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-mainz.de/140.php


    Weitere Informationen:

    http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-mainz.de/1076.php - AG Sozialpädagogik
    https://www.gfk.uni-mainz.de/prof-dr-cornelia-schweppe/ - GFK-Fellow Cornelia Schweppe


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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