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Werden Großwohnsiedlungen in Ostdeutschland zu Ankunftsquartieren für internationale Migration? Welche Herausforderungen bringt diese neue Rolle mit sich, und was kann die Stadtpolitik tun, um die friedliche Nachbarschaft von Alteingesessenen und Zugewanderten zu fördern? Diese Fragen diskutierten René Wilke, Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder, Dr. Stefanie Kaygusuz-Schurmann, Leiterin des Servicebereichs Bildung & Integration der Stadt Cottbus, und Dr. Madlen Pilz, Sozialwissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS), beim virtuellen 48. Brandenburger Regionalgespräch des IRS. Am 17. Juli wird die Audio-Aufzeichnung im Podcast des IRS veröffentlicht.
Arrival Neighbourhoods in Ostdeutschland?
2011 erregte der kanadische Journalist Doug Saunders mit seinem Buch „Arrival City“ Aufsehen. Er beschrieb Ankunftsquartiere („Arrival Neighbourhoods“) in Großstädten in verschiedenen Teilen der Welt, und hob dabei eine Beobachtung hervor: Die migrantischen Communities organisieren sich selbst. Stadtteile mit hohen Anteilen von Zugewanderten aus bestimmten Weltgegenden sind keine Ghettos, sondern Sprungbretter für Integration und Ankunft in der Zielgesellschaft. Doch trägt dieses Bild auch mit Blick auf Ostdeutschland?
In den 2000er Jahren verloren viele ostdeutsche Großwohnsiedlungen massiv Einwohnerinnen und Einwohner. Mit dem Programm Stadtumbau Ost wurden seinerzeit ganze Quartiere um- oder rückgebaut. Die Zuwanderung Geflüchteter, vor allem ab dem Jahr 2015, verwandelt aktuell etliche dieser Wohnsiedlungen, wie etwa Cottbus-Sandow und Halle-Neustadt, nach und nach in „Ankunftsquartiere“. Damit ergeben sich vor Ort neue Herausforderungen. Sie betreffen z.B. das Wohnungsangebot, die Nutzung und Gestaltung von Freiflächen, die Versorgung mit sozialen und technischen Infrastruktureinrichtungen und nicht zuletzt die Gestaltung des Zusammenlebens zwischen alter und neuer Einwohnerschaft.
Akzeptanz aus Realismus
Beim virtuellen 48. Brandenburger Regionalgespräch „Was heißt hier Ankunftsquartiere? Forschung und Praxis im Dialog über neue planerische und stadtpolitische Herausforderungen“ diskutierten die Sozialanthropologin Dr. Madlen Pilz vom IRS, Dr. Stefanie Kaygusuz-Schurmann, Leiterin des Servicebereichs Bildung & Integration der Stadt Cottbus, und René Wilke, Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder, online und zunächst ohne Publikum darüber, wie ostdeutsche Kommunen mit den neuen Ankunftsquartieren konstruktiv umgehen können.
Der gemeinsame Blick von Wissenschaft und Praxis macht dabei deutlich: Der Schwenk hin zu mehr Anerkennung für migrationsgeprägte Quartiere ist purer Realismus – das Ende der „unrealistischen Illusion, man könne dirigistisch steuern wer wohin zieht“, wie René Wilke ausführt. Und doch ist die Situation im wohlfahrtsstaatlich organisierten Deutschland anders als es der nordamerikanisch geprägte Diskurs um „Arrival Neighbourhoods“ glauben macht. Besonders kommunale Wohnungsgesellschaften sind hier „ein Pfund“ für die Gestaltung von Ankunftsquartieren, wie Stefanie Kaygusuz-Schurmann am Beispiel von Cottbus zeigt. Kaygusuz-Schurmann macht sich besonders für einen kombinierten Ansatz stark: Freiraum für Selbstorganisation und migrantische Initiativen einerseits, gezielte Ansprache und Unterstützung andererseits. Bei der Frage, ob die Alteingesessenen in den Quartieren, aber auch die Stadtgesellschaften in Ostdeutschland insgesamt bereit sind, die neuen Nachbarschaften zu akzeptieren, sind die Diskutanten verhalten optimistisch: Trotz wiederholt auftretender Konflikte im Alltag und trotz eines teils hohen Niveaus von Alltagsrassismus bessere sich die Lage langsam.
Podcast Society@Space und Brandenburger Regionalgespräche
Das Gespräch wird am 17. Juli 2020 als Episode des Institutspodcasts Society@Space auf der Internetpräsenz des IRS sowie auf den Podcast-Plattformen Spotify und Apple Podcasts veröffentlicht (siehe Links).
Bei den Brandenburger Regionalgesprächen handelt es sich um eine mittlerweile langjährige Reihe von Transferveranstaltungen, die das IRS im halbjährlichen Turnus für Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Verwaltung, Medien, Kultur, Verbänden und Wirtschaft aus Brandenburg und darüber hinaus ausrichtet. Die Gespräche bieten Gelegenheiten für eine direkte und kreative Auseinandersetzung zwischen Forschung und Praxis zu aktuellen Themen der räumlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in der Hauptstadtregion.
Podcast Society@Space:
https://leibniz-irs.de/aktuelles/podcast-societyspace/episode-6-die-neuen-nachba...
48. Brandenburger Regionalgespräch
https://leibniz-irs.de/aktuelles/veranstaltungen/2020/07/was-heisst-hier-ankunft...
Link zum Forschungsprojekt „Vom Stadtumbauschwerpunkt zum Einwandererquartier? Neue Perspektiven für periphere Großwohnsiedlungen (StadtumMig)“
https://leibniz-irs.de/forschung/projekte/projekt/vom-stadtumbauschwerpunkt-zum-...
Dr. Madlen Pilz
madlen.pilz@leibniz-irs.de
03362 793 179
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Bauwesen / Architektur, Gesellschaft, Politik
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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