idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.08.2020 10:10

Genschere: Neuer Therapieansatz bei angeborenen Herzfehlern

Stefan Weller Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität

    Wissenschaftler*innen des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen finden erstmals Ansatzpunkt für eine personalisierte Therapie-Option mit der „Genschere“ für das Noonan-Syndrom. Publikation im renommierten Journal „Circulation“.

    (umg) Angeborene Herzerkrankungen sind die häufigsten Organfehlbildungen. Sie kommen bei etwa einem Prozent der Neugeborenen vor. An einer Fehlbildung des Herzens sind eine Vielzahl von Genen beteiligt. Für viele angeborene Herzerkrankungen, wie beispielsweise das Noonan-Syndrom, sind die Zusammenhänge zwischen den genetischen Veränderungen (Mutationen) und den Herzfehlbildungen noch nicht vollständig erforscht. Die Möglichkeiten für eine Behandlung sind begrenzt. Meist beschränken sie sich auf eine Therapie von Auswirkungen (Symptomen) der Erkrankung.
    Wissenschaftler*innen des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben erstmals für die angeborene Herzerkrankung Noonan-Syndrom die Zusammenhänge zwischen den zugrundeliegenden Genmutationen und der Entstehung einer Herzmuskelverdickung (Herzhypertrophie) aufklären können. Nach ihren Erkenntnissen sind Veränderungen in einem Gen, dem LZTR1-Gen, die Ursache für die Entstehung der Symptome bei einigen, zuvor ungeklärten klinischen Fällen. Das Gen reguliert wesentliche Signalwege für die Differenzierung und das Wachstum von Zellen. Veränderte Varianten des Gens sind Ansatzpunkt für eine klinisch übertragbare, personalisierte Therapieoption mittels „Genschere“. Die Ergebnisse wurden im renommierten Journal „Circulation“ publiziert.

    Die interdisziplinär angelegten Forschungen fanden unter der Projektleitung von Dr. Lukas Cyganek, Leiter der Stem Cell Unit der UMG, und Prof. Dr. Bernd Wollnik, Direktor des Instituts für Humangenetik der UMG, statt. Beteiligt waren u.a. die Klinik für Kardiologie und Pneumologie (Direktor: Prof. Dr. Gerd Hasenfuß), die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – Pädiatrische Kardiologie, Intensivmedizin und Pneumologie (Direktor: Prof. Dr. Thomas Paul) und das Institut für Pharmakologie und Toxikologie (Direktor: Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann) der UMG. Die Forschung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), durch den Sonderforschungsbereich 1002, sowie durch das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) gefördert.

    Originalveröffentlichung: Ulrich Hanses, Mandy Kleinsorge, Lennart Roos, Gökhan Yigit, Yun Li, Boris Barbarics, Ibrahim El-Battrawy, Huan Lan, Malte Tiburcy, Robin Hindmarsh, Christof Lenz, Gabriela Salinas, Sebastian Diecke, Christian Müller, Ibrahim Adham, Janine Altmüller, Peter Nürnberg, Thomas Paul, Wolfram-Hubertus Zimmermann, Gerd Hasenfuss, Bernd Wollnik, and Lukas Cyganek. Intronic CRISPR Repair in a Preclinical Model of Noonan Syndrome-Associated Cardiomyopathy. Circulation. July 6th, 2020.
    doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044794.

    Das Noonan-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die mit Entwicklungsstörungen einhergeht. Zu den typischen Symptomen gehören Wachstumsverzögerung und Kleinwuchs, Gesichtsfehlbildungen und schwerwiegende Herzfehler. Die genetischen Veränderungen, die der Krankheit zugrunde liegen, bewirken eine Überaktivierung des sogenannten RAS-MAP-Kinase-Signalwegs. Dieser Signalweg ist an vielen biologischen Prozessen beteiligt, z.B. an der Zelldifferenzierung und dem Zellwachstum.

    Forschungsergebnisse im Detail

    Die Forschungsgruppe um Dr. Cyganek und Prof. Dr. Wollnik konnte bei zwei betroffenen Brüdern mit schweren Ausprägungen der Herzmuskelverdickung die Mutation im LZTR1-Gen (leucine zipper like transcription regulator 1) als Ursache identifzieren. Hierfür wurden Hautzellen der Brüder in der Zellkulturschale zu induzierten, pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) umgewandelt und diese dann zu Herzmuskelzellen programmiert. Anhand der so gewonnenen Herzmuskelzellen ließen sich die molekularen und funktionellen Besonderheiten der Erkrankung genauer untersuchen. Für die Überaktivierung des RAS-MAP-Kinase-Signalwegs, die pathologische Vergrößerung der Zellen sowie die Veränderungen in der Erregungs-Kontraktions-Kopplung des Herzens konnte die Ursache erklärt und eine molekulare Signatur der Erkrankung erstellt werden.

    „Die Entschlüsselung der ursächlichen LZTR1-Varianten in beiden Patienten mittels modernster Sequenziertechnologien und Varianten-Interpretation durch unser einzigartiges MutationMining(MM)-Team war die Voraussetzung, um eine Genkorrektur für wissenschaftliche Analysen überhaupt in Erwägung ziehen zu können“, sagt Prof. Dr. Bernd Wollnik. Darüber hinaus stellten die Göttinger Forscher fest, dass die bisherige medikamentöse Therapie (Calcium-Kanal-Blocker oder Inhibition des RAS-MAP-Kinase-Signalwegs) nur bedingt gegen die Symptome in den Herzmuskelzellen hilft.

    Auf eine Genkorrektur mithilfe von CRISPR/Cas9, der sogenannten „Genschere“ reagierten die im Labor nachgebauten, patientenspezifischen iPS-Zellen beider Kinder sofort: die Signalwegs-Aktivität normalisierte sich, die Verdickung der Herzmuskeln (Hypertrophie) ging zurück. „Die Verwendung der iPS-Zell-Technologie hat es uns ermöglicht, künstliche Herzmuskelzellen der Patienten in der Kulturschale herzustellen. Sie sind der Schlüssel, um auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene Therapieoptionen mittels CRISPR/Cas9-Genschere auszutesten“, sagt Dr. Lukas Cyganek. Ob der Therapie-Ansatz mit der Genschere auch in der Klinik an Patienten einsetzbar sein könnte, wird nun weiter erforscht.

    WEITERE INFORMATIONEN
    Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
    Stem Cell Unit
    Dr. Lukas Cyganek
    Telefon 0551 / 39-64280
    lukas.cyganek@med.uni-goettingen.de
    http://stemcellunit-umg.de/

    Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
    Institut für Humangenetik
    Prof. Dr. Bernd Wollnik
    Telefon 0551 /39-67589
    bernd.wollnik@med.uni-goettingen.de
    https://www.humangenetik-umg.de/


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
    Stem Cell Unit
    Dr. Lukas Cyganek
    Telefon 0551 / 39-64280
    lukas.cyganek@med.uni-goettingen.de
    http://stemcellunit-umg.de/

    Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
    Institut für Humangenetik
    Prof. Dr. Bernd Wollnik
    Telefon 0551 /39-67589
    bernd.wollnik@med.uni-goettingen.de
    https://www.humangenetik-umg.de/


    Originalpublikation:

    Originalveröffentlichung: Ulrich Hanses, Mandy Kleinsorge, Lennart Roos, Gökhan Yigit, Yun Li, Boris Barbarics, Ibrahim El-Battrawy, Huan Lan, Malte Tiburcy, Robin Hindmarsh, Christof Lenz, Gabriela Salinas, Sebastian Diecke, Christian Müller, Ibrahim Adham, Janine Altmüller, Peter Nürnberg, Thomas Paul, Wolfram-Hubertus Zimmermann, Gerd Hasenfuss, Bernd Wollnik, and Lukas Cyganek. Intronic CRISPR Repair in a Preclinical Model of Noonan Syndrome-Associated Cardiomyopathy. Circulation. July 6th, 2020. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044794.


    Bilder

    Dr. Lukas Cyganek, Leiter der Stem Cell Unit der Universitätsmedizin Göttingen und Letztautor der Publikation.
    Dr. Lukas Cyganek, Leiter der Stem Cell Unit der Universitätsmedizin Göttingen und Letztautor der Pu ...
    Foto: hzg/lange

    Prof. Dr. Bernd Wollnik, Direktor des Instituts für Humangenetik der Universitätsmedizin Göttingen.
    Prof. Dr. Bernd Wollnik, Direktor des Instituts für Humangenetik der Universitätsmedizin Göttingen.
    Foto: hzg/schmidt


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).