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Erziehungswissenschaftlerin der Universität Jena untersuchte in ihrer Habilitation "Zeugnisse aus Kindersicht"
Jena (03.02.04) Die Zeugnisse sollten nicht am letzten Tag vor den Schulferien, sondern deutlich zuvor ausgeteilt werden. Dies ist eine logische Konsequenz aus den Untersuchungen von PD Dr. Silvia-Iris Beutel (41). Die Erziehungswissenschaftlerin von der Universität Jena hat sich in ihrer jüngst abgeschlossenen Habilitation mit "Zeugnissen aus Kindersicht" befasst. In der vergleichenden Studie an Hamburger und Thüringer Grundschulen hat sie festgestellt, dass zwar die Notenskala akzeptiert und verstanden wird. Dennoch werde die Vielfalt der Lernaspekte in den benutzten Zeugnisformularen nicht deutlich und zudem "wird das Zeugnis kaum zur Förderung des Lernens eingesetzt". Um dies zu erreichen, müsse von den Lehrern eine transparente und verständliche Beurteilung abgegeben werden und über die Bedeutung der Zeugnisinhalte mit dem Kind - und den Eltern - gesprochen werden. Ein Dialog über die Zeugnisinhalte muss von den Lehrern zur Regel gemacht werden, fordert Beutel.
"Die Leistungsdokumentation der Lehrenden aus dem Bauch heraus muss aufhören", moniert die Jenaer Erziehungswissenschaftlerin eine gängige Praxis. "Ohne Noten geht es nicht, aber Noten alleine reichen nicht", weiß die erfahrene Erziehungswissenschaftlerin. Da Noten-freie Zeugnisse nicht umsetzbar sind, müssen die Bewertungen in verständlicher Sprache gehalten werden, plädiert sie für eine Mischform aus Noten- und Berichts-Zeugnis. Dabei ist das Wichtigste, dass das Kind sein Zeugnis selber begreifen und die Bewertung nachvollziehen kann. Die Beurteilung "Deine Selbstreflexion ist nicht ausreichend" ist für ein Kind und auch manchen Erwachsenen unverständlich. "Wie du deine Aufgaben erledigst, ist prima", versteht hingegen jeder Schüler. "Leistungsbeurteilung muss professionalisiert werden", fordert die Jenaer Reformpädagogin eine "pädagogische Optimierung". Denn Ziel des Zeugnisses als Lernbilanz muss es sein, "Kindern Mut und Zuversicht für ihr Lernen zu geben", meint Dr. Beutel.
Ihr ist bewusst, dass sie zunächst von den Lehrern eine Veränderung erwartet. Doch sie ist der Meinung, "dass eine pädagogische Verbesserung des Lernens und damit der Schule nicht ohne Verbesserung des Beurteilungs- und Bewertungshandelns im Lehrerberuf möglich ist". Daher muss diese Kompetenz stärker an den Hochschulen und in der Weiterbildung vermittelt werden. Dort müssen qualitätssichernde Schreibstandards aus einem Zusammenspiel von Transparenz und Qualitätskriterien entwickelt werden. An Handreichungen für Lehrer, wie optimalere Zeugnisse aussehen könnten, arbeitet Beutel derzeit mit.
Dass solche Zeugnisse auch im schulischen Alltag möglich sind, hat die Pädagogin von der Uni Jena in ihren Studien erlebt und bewiesen. Wirkungsvolle Zeugnisse beruhen auf einer altersabhängigen, individuellen Einschätzung des Kindes. So, wie sich das Kind die Welt erschließt, so muss auch das Zeugnis aufgebaut sein. "Keine abstrakten Zeugnisformulare, sondern Zeugnisse in der Sprache der Kinder", fordert daher die Reformpädagogin. "Gerade Grundschulkinder sind sehr neugierig auf eine Rückmeldung", hat Dr. Beutel in ihren qualitativen Interviews mit Kindern, Eltern und Lehrern erfahren. "Doch die Schüler wollen auch ihre Meinung sagen dürfen und erwarten zu Recht, dass diese ernst genommen wird." Notwendig sind daher Zeugnisse, "in denen Aussagen über die Note hinaus getroffen werden", sagt Beutel. Besonders für Grundschüler ist daher die Kombination von Schriftlichem und Gespräch am besten. Und diese Gespräche benötigen "vertraute Räume", denn in einem Klima der "Privatsphäre" sind die Schüler - und die meisten Eltern - am offensten selbst für kritische Urteile.
Solche Zeugnisse werden von den Kindern überwiegend akzeptiert. Ja, sie dienen ihnen sogar zur Orientierung für die weitere Organisation des eigenen Lernens. Daher ist es nach Ansicht Beutels auch wichtig, mit diesem Leistungsdialog nicht erst beim Zeugnis zu beginnen. Rückmeldungen müssen im Unterricht zum Alltag gehören, wünscht sich die Jenaer Pädagogin.
Thüringen ist mit seinen neuen Zeugnissen und den Lehrer-Kind-Eltern-Gesprächen auf einem gutem Weg, glaubt die Forscherin. "Die Thüringer Lehrpläne haben die notwendige Schubkraft", ist sich Beutel sicher. Wie weit der Schub trägt, werden die kommenden Jahre zeigen. Denn bisher gilt noch: Die Dialogkultur in Hamburg ist höher als in Thüringen.
Kontakt:
PD Dr. Silvia-Iris Beutel
Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 2, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945353
Fax: 03641 / 945352
E-Mail: silvia-iris.beutel@uni-jena.de
PD Dr. Silvia-Iris Beutel von der Universität Jena fordert, Zeugnisse stärker zur Förderung des Lern ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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