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Der wirtschaftliche Aufholbedarf des deutschen Nordens im Vergleich zum Rest des Landes hat sich in den vergangenen Jahren verfestigt. Jenseits von Metropolregionen wie Hamburg leidet die Wirtschaftskraft der norddeutschen Länder an mangelnder Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe und unternehmensnahen Dienstleistungen. Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen liegen deshalb in der Wirtschaftskraft zum Teil deutlich unter dem Bundesschnitt, wie eine neue Studie des IfW Kiel feststellt. Ein Blick nach Dänemark könnte Abhilfe schaffen.
„In den 1990er Jahren lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den Flächenländern Niedersachsen und Schleswig‐Holstein noch nahe am Bundesdurchschnitt, sie verloren jedoch seitdem sukzessive an Boden. Insbesondere Schleswig‐Holstein hat mittlerweile einen deutlichen Aufholbedarf. Mecklenburg‐Vorpommern hat zwar in den vergangenen Jahren kräftig zugelegt, doch der Aufholprozess ist zum Erliegen gekommen – das ostdeutsche Bundesland bleibt das Schlusslicht im Norden“, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des IfW Kiel. Die Studie „Industrielle Strukturen und Potentiale im Norden“ (https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kieler-beitraege-zur-wirtschaftspolitik...) wird heute auf der Konferenz „nordwärts – Wirtschaft. Standort. Perspektiven.“ (https://www.ifw-kiel.de/de/institut/veranstaltungen/konferenzen/2020/nordwaerts-...) präsentiert.
Setzt man den Bundesdurchschnitt mit 100 Prozent an, erreichte Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr 70 Prozent in der Wirtschaftsleistung pro Kopf, Schleswig-Holstein 82 und Niedersachsen 93 Prozent. Die Stadtstaaten Hamburg (162) und Bremen (119) führen dagegen das bundesweite Ranking an, wobei ein Vergleich mit Flächenstaaten nur begrenzt aussagekräftig ist. Die Autoren haben strukturelle Ursachen für den Aufholbedarf vor allem in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ermittelt: Entscheidend sei der Mangel an Verarbeitendem Gewerbe und unternehmensnahen, hochwertigen Dienstleistungen, die eine höhere Produktivität als andere Branchen aufweisen. „Sowohl der Anteil als auch die Produktivität des Verarbeitenden Gewerbes in Schleswig-Holstein bewegt sich im Bundesvergleich jeweils in der Nähe des unteren Randes“, sagt Klaus Schrader, Ko-Autor der Studie. Das mache sich auch in Löhnen und Gehältern in diesen Ländern bemerkbar.
Während bundesweit der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes bei 21,6 Prozent der Bruttowertschöpfung liegt, beträgt er in Schleswig-Holstein nur 14,6 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern 10,6 Prozent. In der aktuellen Corona-Krise hat das in den beiden Ländern zwar einen etwas geringeren Rückgang in der Wirtschaftsleistung verursacht: Da der Wirtschaftseinbruch maßgeblich von den Produktionsverlusten im Verarbeitenden Gewerbe beeinflusst war, fiel das Minus im ersten Halbjahr in Schleswig-Holstein mit 3,8 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern mit 5,2 Prozent kleiner aus als im Bundesdurchschnitt (minus 6,6 Prozent). „Das ist allerdings ein Zerrbild durch die Pandemie-Folgen und sorgt nur für eine stärkere Verlustbegrenzung als in den industriestarken Bundesländern“, erläutert Schrader.
Die Autoren diagnostizieren ein Wellental der Wirtschafskraft innerhalb des deutschen Nordens: Zwischen der Dienstleistungsmetropole Hamburg und den industriestarken Regionen Dänemarks im Norden jenseits der Grenze liege das im Vergleich wachstumsschwache Schleswig-Holstein. Es könne überraschen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zum strukturschwachen Norden Schleswig-Holsteins mit Syddanmark eine Region mit einer seit Jahrzehnten deutlich größeren Wirtschaftskraft zu finden ist. Dort liegt der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung über vier Prozentpunkte höher als in Schleswig-Holstein insgesamt – und das trotz der peripheren Lage aus dänischer Sicht. „Der Kontrast könnte an der deutsch-dänischen Grenze auffälliger kaum sein“, sagt Schrader.
Einen Grund erkennen die Autoren darin, dass innerhalb Dänemarks ein Produktionsstandort im Süden Jütlands Vorteile wie geringere Kosten bedeute mit Blick auf die Verbindungen zu wichtigen Handelspartnern in Europa und Übersee. Das reiche aber als Erklärungsgrund für die Unterschiede nicht aus. Die Investitionsbedingungen seien in Dänemark besser als in Deutschland. Laut Erhebungen der Weltbank betrifft das vor allem die Gründung von Unternehmen, die Verfahren bei Baugenehmigungen, die Registrierung von Eigentum, den Schutz von Minderheitsinvestoren, die Verfahren zur Steuerentrichtung und den Aufwand zur Abwicklung des Außenhandels.
Die Autoren sehen angesichts der Industriestruktur viele Schnittstellen zwischen Schleswig-Holstein und Süddänemark, die ein Potenzial für gewinnbringende Kooperationen bergen. Sie empfehlen Schleswig-Holstein zu prüfen, inwiefern die Investitionsbedingungen nach dem Vorbild Dänemarks verbessert werden könnten. Zudem sollte ein Schwerpunkt darauf gelegt werden, grenzübergreifend gemeinsam das Potenzial an Arbeitskräften weiterzuentwickeln. Dazu sollten Kooperationen mit Dänemark und den Unternehmen im Norden vor allem im Bereich Bildung und Wissenschaft und ein gemeinsamer regionaler Arbeitsmarkt mit grenzüberschreitenden Vermittlungs- und Informationssystemen ausgebaut werden. Auch eine gemeinsame Standortpolitik und Förderung von Branchenclustern sei überlegenswert.
Die Studie wurde vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig‐Holstein im Rahmen des nordwärts‐Projekts finanziell gefördert.
Zur Studie „Industrielle Strukturen und Potentiale im Norden“ (https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kieler-beitraege-zur-wirtschaftspolitik...)
Zum Livestream der nordwärts-Konferenz (https://www.ifw-kiel.de/nordwaerts-livestream)
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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