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Wissenschaft
Für ihr Wachstum benötigen Zellen unterschiedlichste Nährstoffe und Vitamine. Eine zentrale Rolle spielen dabei die sogenannten Solute Carrier (SLC), Proteine, die solche Stoffe über die Grenzen von zellulären Membranen hinweg transportieren können. WissenschaftlerInnen der Forschungsgruppe von Giulio Superti-Furga am CeMM fanden nun heraus, dass für das Coenzym NAD das bisher uncharakterisierte Protein SLC25A51 als Transporter in die Mitochondrien fungiert. Die Ergebnisse dieser Studie eröffnen neue Möglichkeiten die biologische Rolle von NAD zu studieren. Zudem liefern sie auch potentiell die Grundlage für neue therapeutische Ansätze.
Solute Carrier (SLC) werden in der biomedizinischen Wissenschaft jene Proteine genannt, die als Transporter fungieren und den Ein- und Austritt von Nährstoffen und Abfallprodukten in und aus der Zelle und ihren Organellen ermöglichen. Viele dieser Transporterproteine sind nach wie vor relativ wenig erforscht und die Frage danach, wie manche Nährstoffe in die Zellen bzw. aus den Zellen kommen, blieb häufig unbeantwortet. Ungeklärt war bis dato auch, wie Mitochondrien Zugang zu einem wichtigen Kofaktor unseres Stoffwechsels, dem sogenannten NAD (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid), erhalten. In der wissenschaftlichen Literatur gab es lediglich Hinweise auf mitochondriale NAD-Transporter bei Pflanzen und Hefe. Erstautor Enrico Girardi und die Forschungsgruppe von CeMM Scientific Director Giulio Superti-Furga konnten nun in Kooperation mit WissenschaftlerInnen der Universität Bari (Apulien, Italien) jenes Protein identifizieren, das für den so wichtigen Transport von NAD in die Mitochondrien zuständig ist: SLC25A51.
Messung der Nährstoffwege brachte Beleg
Für ihre Studien benutzten die WissenschaftlerInnen eine eigens kreierte Zelllinienbibliothek, welche es erlaubt, die paarweisen, genetischen Wechselwirkungen von je zwei SLCs zu untersuchen. Deren Gene werden einzeln und auch paarweise ausgeschaltet, die Auswirkungen dieser Eingriffe auf das Zellwachstum können daraufhin gemessen werden. Unter der kombinatorisch-bedingten großen Zahl an gemessenen Wechselwirkungen fielen besonders einige rund um das bisher uncharakterisierte Gen SLC25A51 auf. Die anderen wechselwirkenden SLCs transportieren verschiedene Nährstoffe, die aber alle über bekannte Stoffwechselprozesse mit NAD in Verbindung gebracht werden konnten. „Durch die genaue, quantitative Messung bestimmter Nährstoffe in den Zellen fanden wir heraus, dass das Vorhandensein von SLC25A51 mit der Menge an NAD korrelierte und, dass Zellen, denen SLC25A51 fehlte, nur extrem niedrige Mengen dieses Moleküls in ihren Mitochondrien aufwiesen.“, erklärt Seniorautor Giulio Superti-Furga. „In unserer Studie zeigen wir auch, dass der bereits bekannte NAD-Transporter in Hefe und SLC25A51 in der menschlichen Zelle eine ähnliche Rolle spielen.“
Wichtiger Puzzlestein in der Wissenschaft
Die Frage nach der Existenz eines mitochondrialen NAD-Transporters beim Menschen wurde in der Wissenschaft schon seit geraumer Zeit diskutiert. Giulio Superti-Furga erklärt auch: „Die Ergebnisse unserer Forschung, die auch in zwei weiteren unabhängigen Studien von US-amerikanischen Laboratorien bestätigt wurden, geben eine wichtige Antwort darauf und eröffnen die Möglichkeit, den NAD-Gehalt in diesem Schlüsselorganell zu beeinflussen. NAD wird mit vielen physiologischen und pathologischen Prozessen wie Alterung, neurologischen Krankheiten und dem Stoffwechsel von Krebszellen in Verbindung gebracht. Unsere Studie stellt daher einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der biologischen Rolle dieses Moleküls dar. Gleichzeitig sehen wir auch das enorme therapeutische Potenzial, das sich aus der Möglichkeit einer etwaigen Modulation des NAD-Gehalts in Mitochondrien durch den Transporter SLC25A51 ergibt.“
Die Studie „Epistasis-driven identification of SLC25A51 as a regulator of human mitochondrial NAD import“ erschien in der Zeitschrift Nature Communications am 1. Dezember 2020. DOI: 10.1038/s41467-020-19871-x
AutorInnen: Enrico Girardi, Gennaro Agrimi, Ulrich Goldmann, Giuseppe Fiume, Sabrina Lindinger, Vitaly Sedlyarov, Ismet Srndic, Bettina Gürtl, Benedikt Agerer, Felix Kartnig, Pasquale Scarcia, Maria Antonietta Di Noia, Eva Liñeiro, Manuele Rebsamen, Tabea Wiedmer, Andreas Bergthaler, Luigi Palmieri, Giulio Superti-Furga;
Förderung: Die Studie wurde durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, den Europäischen Forschungsrat, (ERC AdG 695214, ERC StG 677006) sowie den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF P29250-B30, FWF DK W1212) finanziell unterstützt.
Giulio Superti-Furga ist Wissenschaftlicher Direktor des CeMM sowie Professor für Medizinische Systembiologie an der Medizinischen Universität Wien. Er wurde an der Universität Zürich, bei Genentech, am IMP Wien und am EMBL Heidelberg zum Molekularbiologen ausgebildet. Er erhielt vier Förderungen des Europäischen Forschungsrates, ist Mitglied fünf wissenschaftlicher Akademien und hat mehr als 200 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. CeMM, dem er seit 2005 als Direktor vorsteht, befindet sich mitten im großen Campus der MedUni/des Allgemeinen Krankenhauses in Wien, von wo aus Superti-Furga, zusammen mit etwa 180 WissenschaftlerInnen und ÄrztInnen, der klinischen Welt eine genomische und systemische Sicht näherbringt, um die medizinische Praxis zu verbessern. Für CeMM trieb er einen einzigartigen Modus der Super-Kooperation voran, in dem Biologie mit Medizin, Experimente mit Computertechnologie, Entdeckung mit Translation und Wissenschaft mit Gesellschaft und Kunst verbunden werden. Zu den aktuellen Interessensgebieten zählen Möglichkeiten zur Schaffung funktioneller Ansätze in der Präzisionsmedizin und die Rolle der menschlichen Membran-Transporter in der Pathophysiologie und der Arzneimittelentdeckung. Zudem ist auch wissenschaftlicher Koordinator von „RESOLUTE“, einem Konsortium der „Innovative Medicine Initiative“, das sich der Deorphanisierung von SLC-Transportern verschreibt.
Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.at
Giulio Superti-Furga
(GSuperti@cemm.oeaw.ac.at)
Die Studie „Epistasis-driven identification of SLC25A51 as a regulator of human mitochondrial NAD import“ erschien in der Zeitschrift Nature Communications am 1. Dezember 2020. DOI: 10.1038/s41467-020-19871-x
http://cemm.at/news/n/news/slc25a51-regulates-the-transport-of-the-coenzyme-nad-...
Gruppenleiter Giulio Superti-Furga und Erstautor Enrico Girardi.
Klaus Pichler
CeMM
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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