idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Am Universitätsklinikum Tübingen startet in diesen Tagen die klinische Erprobung eines eigenentwickelten Impfstoffs gegen SARS-CoV-2. Im Gegensatz zu den meisten aktuell in Erprobung befindlichen Impfstoffen gegen die COVID-19-Erkrankung zielt der durch die Abteilung für Immunologie (Direktor Prof. Hans-Georg Rammensee) der Universität Tübingen konzipierte Impfstoff CoVAC1 hochspezifisch auf die Stimulierung einer T-Zell-vermittelten Immunantwort gegen SARS-COV-2 ab.
Die durch das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst finanzierte klinische Studie erfolgt basierend auf den Arbeiten und unter Leitung von PD Dr. Juliane Walz in der KKE Translationale Immunologie der Medizinischen Klinik (Ärztl. Direktor Prof. Helmut Salih) des Universitätsklinikums. Das für die Zulassung von klinischen Studien zuständige Paul-Ehrlich-Institut gab am Mittwoch, 25.11.2020 grünes Licht für den Impfstudienstart, ebenso erfolgte die obligatorische Zustimmung der Ethikkommission.
Primäres Ziel der Impfung ist die Aktivierung, sogenannt Induktion, einer starken und langanhaltenden T-Zell-Antwort gegen SARS-CoV-2, die im Falle einer Infektion die gefürchteten schweren Verläufe der COVID-19-Erkrankung verhindern soll. „Soweit uns bekannt ist, ist das der erste Impfstoffkandidat, der primär auf die Aktivierung von T-Zellen abzielt“, berichtet Studienleiterin Juliane Walz.
„Vorbild“ Krebsimmuntherapie
Die Idee für den neu entwickelten Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie, einem der Hauptforschungsschwerpunkte der Tübinger Immunologen. Seit vielen Jahren arbeitet das Team um Prof. Dr. Hans-Georg Rammensee an der Entwicklung sogenannter therapeutischer Peptidimpfungen für Krebspatienten. „Als Peptide werden kurze Eiweiße bezeichnet, die auf der Oberfläche von Tumorzellen, aber auch auf Virus befallenen Zellen dem Immunsystem und hier speziell den T-Zellen präsentiert werden“, erklärt Hans-Georg Rammensee die biologischen Prozesse, „dies ermöglicht dem Immunsystem, „fremde“ Zellen zu erkennen und diese zu eliminieren.“
Neben dem direkten Angriff von Tumor- bzw. Virus-befallenen Zellen unterstützen T-Zellen die Antikörperbildung. „Impft man solche Peptide zusammen mit einem geeigneten Immunstimulator, einem sogenannten Adjuvanz, können T-Zellen gezielt gegen Tumorzellen, aber eben auch gegen virusbefallene Zellen aktiviert werden“, beschreibt Juliane Walz den Vorgang. Auch das für die Impfstudie verwendete Adjuvanz XS15 wurde in Tübingen federführend von Forschern um Hans-Georg Rammensee entwickelt – ursprünglich für die Impfungen gegen Krebs. „In unseren ersten präklinischen und klinischen Untersuchungen haben wir bei Impfungen mit XS15 starke T-Zell-Antworten sowohl gegen Tumor-, als auch gegen virale Peptide beobachtet“, so Hans-Georg Rammensee.
Warum ein rein T-Zell-basierter Impfstoff?
Dass die T-Zellen eine bedeutende Rolle bei der COVID-19-Erkrankung spielen, wurde von der Arbeitsgruppe von Juliane Walz kürzlich im Fachjournal Nature Immunology beschrieben. Diese Arbeiten bilden auch die Grundlage für die nun beginnende Studie. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden im Blut von Probanden nach überstandener COVID-19-Erkrankung diejenigen Peptide identifiziert, die für die Erkennung speziell des SARS-CoV-2-Virus durch die T-Zellen von Bedeutung sind.
Zudem wurde gezeigt, dass für eine schützende T-Zell-Immunität gegen SARS-CoV-2 die Erkennung mehrerer dieser Peptide von Bedeutung ist. In einer ersten Verlaufsbeobachtung der Probanden nach sechs Monaten zeigt sich aktuell, dass die T-Zell-Antworten gegen bestimmte Peptide ausgeprägt und anhaltend bestehen bleiben, während Ergebnisse eigener und anderer Arbeiten darauf hinweisen, dass die Immunantwort mit Antikörpern, auf welche die Mehrzahl der in Entwicklung befindlichen Impfungen vorrangig abzielt, rasch nachlässt (https://www.researchsquare.com/article/rs-114499/v1).
„Genau die Peptide, von denen wir wissen, dass sie eine bedeutende Rolle bei der Langzeitimmunität nach natürlicher SARS-CoV-2-Infektion spielen, werden nun im CoVAC-1 Impfstoff eingesetzt“, erklärt Juliane Walz. „Darüber hinaus birgt ein rein auf die T-Zellaktivierung ausgelegter Impfstoff auch nicht die theoretische Gefahr einer sogenannten Antikörper-vermittelten Krankheitsverstärkung.“
Das mediale Augenmerk liegt derzeit naturgemäß auf den weiter fortgeschrittenen Entwicklungen von Impfstoffen, für welche zeitnah mit einer Zulassung zu rechnen ist. „In Anbetracht der rasanten Entwicklung ist aber noch unklar, ob ein und ggf. welcher Impfstoff für welche Personengruppe, z.B. für ältere oder vorerkrankte Menschen, einen optimalen Schutz bietet und die bestmögliche Verträglichkeit zeigt. Am Uniklinikum wollen wir mit unserer Entwicklung dieses neuartigen Impfstoffkonzepts einen Beitrag leisten und möglicherweise erforderliche Alternativen schaffen“, so Prof. Dr. Helmut Salih, in dessen Abteilung der Impfstoff erprobt wird.
Eigene Impfstoffproduktion am Uniklinikum Tübingen
Der Impfstoff, der sich aus mehreren der identifizierten SARS-CoV-2-Peptiden zusammensetzt, wird im Wirkstoffpeptidlabor und der so genannten GMP-Einheit des Universitätsklinikums Tübingen hergestellt. Auch hier wird auf die langjährige Erfahrung und Expertise bei der Produktion von Impfstoffen für Krebspatienten zurückgegriffen, die in zahlreichen klinischen Studien eingesetzt wurden.
Über den Ablauf der Studie
Im ersten Teil werden in der KKE Translationale Immunologie gesunde Probanden zwischen 18 und 55 Jahren geimpft, im nächsten Schritt dann auch ältere Probanden mit Vorerkrankungen. Die Studie beinhaltet einen Screening Termin, einen Impftermin und sechs Kontrolltermine innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten.
Interessenten für eine Studienteilnahme erhalten weitere Informationen unter: https://www.medizin.uni-tuebingen.de/go/covac-1-studie
E-Mail: covid.kke@med.uni-tuebingen.de
Medizinische Universitätsklinik
KKE Translationale Immunologie
PD Dr. Juliane Walz
Otfried-Müller-Straße 10
72076 Tübingen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).