idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Forschende der Universität Tübingen entwickeln digitale Lernplattform für innovativen Geschichtsunterricht
Forschende der Universität Tübingen gehen mit einer neuen digitalen Schulplattform online: Unter www.offene-geschichte.de unterstützt diese historisches Lernen und ermöglicht Schulen, Geschichtsunterricht auch unter den schwierigen Pandemiebedingungen zu einem spannenden Lernerlebnis zu machen. Sie wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Tübinger Sonderforschungsbereichs (SFB) 923 „Bedrohte Ordnungen“ in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichtsdidaktik und Public History entwickelt.
Die Plattform startet mit fünf historischen Situationen, darunter etwa „Deutschland nach dem Kriegsende 1945“, „die Pest“ oder „die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl“. Sie wird regelmäßig durch neue Lernmodule ergänzt sowie durch neue Funktionen und Aufgabenformate erweitert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler orientierten sich an den Lernbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler. „Geschichtsunterricht soll spannender werden“, meint Projektleiter Professor Bernd-Stefan Grewe vom Institut für Geschichtsdidaktik und Public History. „Genau dafür bieten die dramatischen Krisen, die der Sonderforschungsbereich ‘Bedrohte Ordnungen‘ erforscht, den perfekten Ausgangspunkt.“
Seit knapp zehn Jahren untersucht der Tübinger Forschungsverbund, wie Menschen mit existentiellen Bedrohungen ihrer sozialen Ordnung umgehen. Im Jahr 2020 gefährdet das Corona-Virus nicht nur unsere Gesundheit, die Pandemie bedroht unsere gesamte Ordnung, die Wirtschaft, das tägliche Miteinander – alles wird in einer solchen Situation in Frage gestellt.
Daher hat der SFB im Sommer die Forschungsinitiative „Fokus:Corona“ eingerichtet, in der Forschungsaktivitäten und Kommunikationsmaßnahmen zur Corona-Pandemie gebündelt werden – wie der Launch der Schulplattform unter außergewöhnlichen Bedingungen. Denn die tiefgreifenden Einschnitte im öffentlichen Leben hätten gerade junge Menschen als dramatisch erfahren, so Grewe: „Die Lernenden erleben derzeit hautnah das, was der SFB historisch untersucht.“ Das Erkenntnismodell des SFB könne Schülerinnen und Schülern helfen, das komplexe Gegenwartsgeschehen besser einzuordnen, indem sie selbst andere Fälle bedrohter Ordnungen systematisch vergleichen und lernen, dass die eigene Zukunft nicht von historischer Entwicklung vorgezeichnet sei.
„Unter Pandemiebedingungen und dem zeitweiligen Verlust des Präsenzunterrichts waren herkömmliche Unterrichtsformate und analoge Formate von heute auf morgen beinahe überflüssig“, sagt Rainer Lupschina, Lehrer an einem Reutlinger Gymnasium und einer der Entwickler der Plattform. Diese bietet ein multimediales, didaktisch innovatives Lernerlebnis, das Geschichte als etwas Offenes und im Entstehen Begriffenes vermittelt, an dem wir selbst teilhaben. Ihr Verlauf wird nicht als alternativlos und zwangsläufig präsentiert. Stattdessen lernen Schülerinnen und Schüler, dass die Folgen von Entscheidungen in der Vergangenheit meist ungewisser waren als in vielen Schulbüchern dargestellt.
www.offene-geschichte.de bietet historische Einblicke in die Ängste und Unsicherheiten einer Bedrohungslage, in der Menschen unter hohem Zeitdruck weitreichende Entscheidungen fällen mussten. Welche Entscheidung war die richtige? Die Geschichte bedrohter Ordnungen zeigt: Es hätte auch anders kommen können. In Alternativen zu denken, öffnet Lernenden neue Deutungshorizonte und hilft bei der Orientierung in einer unübersichtlichen Gegenwart.
Die Plattform regt offenes historisches Denken an. Sie konfrontiert nicht mit fertigen Interpretationen, sondern animiert durch spezielle Aufgaben zu eigenständigem Denken. „Im Unterricht trauen wir unseren Schülerinnen und Schülern zu wenig zu. Zum Großteil findet lediglich Faktenvermittlung statt“, sagt Grewe. Die Plattform soll Lernende in die Lage versetzen, eine eigensinnige, spannende Geschichte zu verfassen und – noch wichtiger – zu einem triftigen historischen Urteil zu kommen.
Hintergrundinformation: Der Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“ startete 2011 und wird bis zum Sommer 2023 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit circa 2 Millionen Euro pro Jahr gefördert. Knapp 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen in derzeit 19 Teilprojekten, die interdisziplinär, historisch oder gegenwartsnah angelegt sind und unterschiedliche geographische Räume in den Blick nehmen. Beteiligt sind die Fächer Geschichtswissenschaft, Soziologie, Germanistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Politikwissenschaft, Theologie, Philologie, Rechtswissenschaft sowie die Medizin.
>Hochaufgelöste Fotos erhalten Sie unter http://www.pressefotos.uni-tuebingen.de/20201202_Lernplattform%20Bedrohte%20Ordn...
Bildnachweis: SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“
>Video über die Arbeit des SFB: https://youtu.be/w1Fme9G5O8k
>Video zur Erklärung der Schulplattform: https://youtu.be/0XAT_-feBZU
>Podcast zur Geschichtsplattform: https://spoti.fi/3fX2cor
>Informationen zu Fokus:Corona: https://uni-tuebingen.de/de/196949
Roman Krawielicki, Thorsten Zachary
Universität Tübingen
SFB 923 "Bedrohte Ordnungen"
Wissenschaftskommunikation
Telefon +49 7071 29-75095
roman.krawielicki@uni-tuebingen.de
thorsten.zachary@uni-tuebingen.de
Fragen zur Lernplattform www.offene-geschichte.de:
Prof. Dr. Bernd-Stefan Grewe
bernd.grewe@uni-tuebingen.de
Homeoffice: Tel. 0172 - 834 0676
OStR Rainer Lupschina
rainer.lupschina@uni-tuebingen.de
Homeoffice: Tel. 0172 - 737 0373
Das Lernmodul zur "Pest": Wie gingen die Menschen damals mit der bedrohlichen Situation um?
Foto: SFB 923 "Bedrohte Ordnungen"
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik
überregional
Forschungsprojekte, Schule und Wissenschaft
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).