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Am 15. Oktober verabschiedete der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Neufassung der „Personalausstattung Psychiatrie- und Psychosomatik-Richtlinie“ (PPP-RL), die voraussichtlich zum 1. Januar 2022 in Kraft treten soll.¹ Krankenhäuser und Abteilungen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sind durch diesen Beschluss stark verunsichert: Sie befürchten Sanktionen und sehen sich gezwungen, ihre differenzierten und zielgenauen Behandlungsangebote an die neu gesetzten personellen Mindestvorgaben anzupassen – zum Nachteil der Patienten.
In einer gemeinsamen Stellungnahme rufen die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), Vertreter der Chefarztkonferenz psychosomatisch-psychotherapeutischer Krankenhäuser und Abteilungen in Deutschland (CPKA) und der Verband der Psychosomatischen Krankenhäuser und Krankenhausabteilungen in Deutschland e.V. (VPKD) dazu auf, die neuen Personalvorgaben nicht umzusetzen. Gleichzeitig fordern sie vom G-BA, die Richtlinie schnellstmöglich zu überarbeiten.
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Die aktualisierte G-BA-Richtlinie legt geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Qualität in der psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Versorgung fest. Sie gibt verbindliche Mindestvorgaben für die personelle und strukturelle Ausstattung der stationären Einrichtungen vor. „Tritt die neue Richtlinie wie geplant Anfang 2022 in Kraft, befürchten wir eine Verschlechterung der Patientenversorgung“, mahnt Professor Dr. med. Johannes Kruse, Vorsitzender der DGPM. „Teile der psychosomatischen Versorgung würden von der Vergütung ausgeschlossen, da die benannten Mindestangaben der PPP-RL den ausdifferenzierten Behandlungsbereichen in der Psychosomatischen Medizin nicht gerecht werden.“ So könne das medizinische Leistungsangebot der Psychosomatischen Medizin nicht mehr gesichert werden.
Die DGPM kritisiert die methodische Basis der Festsetzung: In Ermangelung einer Grundlage für diese Richtlinie griff der G-BA zur Formulierung der neuen Mindestvorgaben auf die seit 1990 geltenden Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) zurück und hat diese modifiziert. „Diese Vorgaben fußen auf einem gravierenden Fehler“, gibt Kruse zu Bedenken. „Denn die Psych-PV galt nie für das erst 1992 in der ärztlichen Weiterbildungsordnung anerkannte Fachgebiet Psychosomatik, sondern ausschließlich für die Psychiatrie.“ Da sich die beiden Fachgebiete in ihrem Behandlungsspektrum jedoch erheblich voneinander unterscheiden, könne die Personalbemessung für das Fach Psychiatrie nicht einfach auf die Psychosomatische Medizin übertragen werden. Daher habe die Psychosomatik auch einen eigenen Abschnitt im Abrechnungssystem (PEPP-System) erhalten.
„Ein weiterer, wichtiger Punkt sind die 27 Jahre alten und damit veralteten Daten zur notwendigen Personalausstattung, die der G-BA als Richtwert anführt. Sie spiegeln den heutigen Bedarf keineswegs wider: Die Psychosomatische Medizin hat sich vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten besonders dynamisch entwickelt“, erklärt Kruse, ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am UKGM in Gießen und Marburg. So stieg die Bettenanzahl im Krankenhausplan von 2004 bis 2018 von 4.400 auf über 12.000.
Zwar signalisieren alle Akteure im G-BA, das Problem erkannt zu haben. „Noch ist jedoch kein sinnvolles Vorgehen erkennbar, wie die Richtlinie angepasst werden soll“, kritisiert Ludwig Klitzsch, 1. Vorsitzender des VPKD. „Wir brauchen eine wissenschaftlich fundierte Erarbeitung der Vorgaben für die Psychosomatik. Dazu benötigt es Zeit, wissenschaftliche Evidenz, valide Daten und Bereitschaft in der Gesundheitspolitik. So ist es auch in der Psychiatrie mit der Psych-PV damals geschehen.“ Doch dieser Prozess dauerte rund 20 Jahre und sei unter den derzeitigen Bedingungen kaum vorstell- und leistbar. „Die Selbstverwaltungspartner müssen nun ein klares Signal setzen, dass die Vorgaben 2022 nicht in Kraft treten, sondern nochmal gründlich überarbeitet werden“, fordert Klitzsch. Solange rufen die DGPM, VPKD und CPKA betroffene Einrichtungen dazu auf, den neuen Vorgaben zunächst nicht zu folgen.
Denn laut G-BA-Beschluss sollen die Einrichtungen bereits ab Januar 2021 über die vorgegebenen Behandlungsbereiche berichten. Bei Nichteinhaltung der PPP-RL-Vorgaben drohen ihnen dann zum Inkrafttreten der Richtlinie ab Januar 2022 Sanktionen. „Bereits jetzt denken deshalb viele Krankenhäuser und Abteilungen darüber nach, ihre Behandlungskonzepte zu ändern – eine fatale Entwicklung für die Patienten, zumal wir mit den derzeit verfügbaren, über viele Jahre entwickelten, Konzepten die Rehospitalisierungsrate nachhaltig senken können“, betont Klitzsch.
Literatur:
¹G-BA: Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie: https://www.g-ba.de/richtlinien/113
- Bei Abdruck Beleg erbeten -
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Pressestelle DGPM e.V.
Kerstin Ullrich
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
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