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19.02.2004 10:03

Sittenspiegel mit Anzeigenteil

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Historiker der Universität Jena legt Dokumentation über Thüringer "Intelligenzblätter" vor

    Jena (19.02.04) Im 18. Jahrhundert waren "Intelligenzblätter" eine eigenständige Pressegattung. Ähnlich den heutigen Anzeigenblättern vereinigten sie einen Anzeigenteil mit informativen sowie unterhaltend-belehrenden Texten. Gerade in den belehrenden Artikeln dominierten häufig populäre, von vielerlei Aufklärungsideen geprägte Überlegungen. Die Intelligenzblätter richteten sich bereits frühzeitig an ein sozial differenziertes Publikum. Anders als bei den meisten Zeitungen und bei den oft schon hochspezialisierten Zeitschriften des 18. Jahrhunderts zählten zu den Adressaten der Intelligenzblätter neben den Gebildeten ausdrücklich auch die städtischen und ländlichen Unterschichten. "Der Name dieser frühen Pressegattung leitet sich also nicht vom bevorzugten Lesepublikum her, sondern vom Vorgang ihrer Rezeption", erläutert PD Dr. Werner Greiling von der Universität Jena. Begrifflich steht das lateinische Wort "intellegere" Pate, was in diesem Zusammenhang so viel wie "einsehen, Einsicht oder Kenntnis nehmen" bedeutet.

    Das Pressewesen in Thüringen erforscht Dr. Greiling seit langem. Der wissenschaftliche Oberassistent am Historischen Institut der Jenaer Universität hat bereits im letzten Jahr im Böhlau Verlag eine mehr als 800 Seiten starke Monographie über "Presse und Öffentlichkeit in Thüringen" veröffentlicht. Jetzt ist eine neue Dokumentation zu den Thüringer Intelligenzblättern erschienen. ",Publicitätsvehikel und Sittenspiegel'. Zur Programmatik thüringischer Intelligenzblätter" heißt das Werk aus dem Hain Verlag, Weimar/Jena.

    "In Thüringen hatte sich die territorialstaatliche Zersplitterung fruchtbar auf die Entstehung von Intelligenzblättern ausgewirkt", hat Greiling ermittelt. Jeder selbstständige Staat, aber auch das kurmainzische Erfurt und die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen verfügten über derartige Organe. Intelligenzblätter mit regionaler bzw. lokaler Ausrichtung wurden u. a. in Weimar (1734), Erfurt (1746), Gotha (1751) und in Jena (1752) gegründet. Einen Sonderfall stellte seit 1791 "Der Anzeiger" aus Gotha dar. Dieses Periodikum wollte ein Intelligenzblatt für das gesamte Heilige Römische Reich sein - ein Anspruch, der seit 1794 mit dem Titel "Der Reichsanzeiger" noch unterstrichen wurde.

    Neben den "typischen" Intelligenzblättern erschienen in Thüringen aber auch Intelligenzblätter als Beilagen bedeutender Zeitschriften. Zu ihnen zählten insbesondere die großen Periodika aus dem Landes-Industrie-Comptoir des Weimarer Verlegers und Literaten Friedrich Justin Bertuch. Zu Bertuch gibt es im Jenaer Sonderforschungsbereich 482 "Ereignis Weimar-Jena" ein eigenes Teilprojekt, das von Greiling geleitet wird. Die überregional ausgerichteten Exemplare der Intelligenzblätter warben in der "Allgemeinen Literatur-Zeitung" und im "Allgemeinen typographischen Monatsbericht für Teutschland" vor allem für Bücher sowie im "Journal des Luxus und der Moden" für diverse Handelsware.

    Viele dieser Blätter reflektierten am Beginn ihres Erscheinens über die selbst gewählte Aufgabe und publizierten programmatische Erklärungen über den Zweck ihrer Existenz. Dieser zeitgenössische Diskurs über das "Intelligenzwesen" wird von Greiling erstmals auf einer breiten Grundlage dokumentiert und kommentiert. In den 20 "Avertissements" zeigt sich der publizistische Anspruch der Intelligenzblätter ebenso wie die ökonomischen und aufklärerischen Absichten, die die Herausgeber mit ihnen verknüpften. Und betont wird allenthalben ein praktischer Nutzen.

    Die Gründer und Herausgeber der Intelligenzblätter in Thüringen waren fast ausschließlich Personen, die ihre publizistische Unternehmung als private Gründung anlegten. Anders als das von vornherein staatlich organisierte Intelligenzwesen in Preußen nahmen die thüringischen Blätter erst allmählich einen offiziösen Charakter an. "Und allesamt trugen sie dazu bei", betont Greiling, "dass sich ein Phänomen auszubilden begann, das gleichsam konstitutiv zum Übergang von der ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft beitrug: Öffentlichkeit".

    Bibliographische Angaben:

    Werner Greiling: Presse und Öffentlichkeit in Thüringen. Mediale Verdichtung und kommunikative Vernetzung im 18. und 19. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 6), Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2003, 824 S., 64,00 Euro.

    Werner Greiling: "Publicitätsvehikel und Sittenspiegel". Zur Programmatik thüringischer Intelligenzblätter. Eine Dokumentation, Hain Verlag, Weimar/Jena 2004, 120 S., 12,70 Euro.

    Kontakt:
    PD Dr. Werner Greiling
    Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944444
    Fax: 03641 / 944432
    E-Mail: werner.greiling@uni-jena.de


    Bilder

    Werner Greilings jüngste Publikation über die Thüringer "Intelligenzblätter".
    Werner Greilings jüngste Publikation über die Thüringer "Intelligenzblätter".

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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